Für einen Christen ist es unmöglich, an seine eigene Sendung auf Erden zu denken, ohne sie als einen Weg der Heiligkeit zu begreifen, denn das „ist es, was Gott will: eure Heiligung“ (1 Thess 4,3). Jeder Heilige ist eine Sendung; er ist ein Entwurf des Vaters, um zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte einen Aspekt des Evangeliums widerzuspiegeln und ihm konkrete Gestalt zu verleihen.
Diese Sendung hat ihren vollen Sinn in Christus und kann nur von Ihm her verstanden werden. Im Tiefsten bedeutet Heiligkeit, in Einheit mit Ihm die Geheimnisse Seines Lebens zu leben. Sie besteht darin, sich auf einzigartige und persönliche Weise mit dem Tod und der Auferstehung des Herrn zu verbinden, ständig mit Ihm zu sterben und mit Ihm aufzuerstehen. Es kann aber auch beinhalten, in der eigenen Existenz verschiedene Aspekte des irdischen Lebens Jesu nachzubilden: Sein verborgenes Leben, Sein Leben in der Gemeinschaft, Seine Nähe zu den Geringsten, Seine Armut und andere Erscheinungsformen Seiner Hingabe aus Liebe. Die Betrachtung dieser Geheimnisse, wie sie der heilige Ignatius von Loyola vorgeschlagen hat, führt uns dazu, sie in unseren Entscheidungen und Haltungen immer mehr zu verwirklichen. (…)
Der Heilsplan des Vaters ist Christus, und wir in Ihm. Letztendlich ist es Christus, der in uns liebt, denn Heiligkeit ist „nichts anderes als die in Fülle gelebte Liebe“. Deshalb ist das Maß der Heiligkeit durch die Gestalt gegeben, die Christus in uns annimmt, dadurch, wie sehr wir in der Kraft des Heiligen Geistes unser ganzes Leben nach Seinem Leben formen. So ist jeder Heilige eine Botschaft, die der Heilige Geist aus dem Reichtum Jesu Christi schöpft und Seinem Volk schenkt. (…)
Hab keine Angst vor der Heiligkeit. Sie wird dir nichts an Kraft, Leben oder Freude nehmen. Ganz im Gegenteil, denn du wirst dabei zu dem Menschen werden, an den der Vater dachte, als er dich erschaffen hat, und du wirst deinem eigenen Wesen treu bleiben. Von Gott abzuhängen, befreit uns von der Sklaverei und lässt uns unsere Würde erkennen. Dies wird an der heiligen Josephine Bakhita sichtbar. Sie wurde im zarten Alter von sieben Jahren als Sklavin verkauft und hatte unter grausamen Herren schwere Leiden zu ertragen. Dennoch verstand sie die tiefe Wahrheit, dass Gott, und nicht der Mensch, der wahre Herr eines jeden Menschen und Menschenlebens ist. Diese Erfahrung wurde für diese demütige Tochter Afrikas zur Quelle großer Weisheit. (…)
Fürchte dich nicht davor, höhere Ziele anzustreben, dich von Gott lieben und befreien zu lassen. Fürchte dich nicht davor, dich vom Heiligen Geist führen zu lassen. Die Heiligkeit macht dich nicht weniger menschlich, denn sie ist die Begegnung deiner Schwäche mit der Kraft der Gnade. Im Grunde genommen gibt es, wie Léon Bloy sagte, „nur eine Traurigkeit im Leben: kein Heiliger zu sein“.
Aus d. Apostolischen Schreiben Gaudete et Exsultsate v. 19.3.18
(Abschnitte: 19-21, 32, 34)