VISION 20006/1999
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Bevölkerungsexplosion ade!

Artikel drucken Gedanken zur Geburt des sechsmilliardsten Menschen (Christof Gaspari)

Vor einem Monat ging die Meldung durch alle Medien: der 6.000.000.000. Mensch ist geboren, am Dienstag, den 12. Oktober, eine Minute nach Mitternacht. Fatima und Jasminko Mevic sind die glücklichen Eltern. UNO-Generalsekretär Kofi Annan war nach Sarajewo gekommen, um die Geburt des Kleinen feierlich zu begehen.

Warum man so genau weiß, daß es der kleine Mevic ist, der die Zahl von sechs Milliarden Erdenbürger voll macht? Weil die UNO-Bevölkerungsstatistiker errechnet hatten, daß diese Zahl am 12. Oktober erreicht werden könnte und weil man ein Zeichen für das leidgeprüfte Bosnien setzen wollte. Gut. Freuen wir uns über das Kind, wie eben über jedes Kind. Schön für den Kleinen und seine Eltern, daß sie für kurze Zeit im Scheinwerferlicht der Medien stehen durften. Hoffentlich erleichtert es ihnen ihr schwieriges Leben.

Fragt sich nur: Warum wurde dieses Ereignis künstlich medial so aufgebauscht? Warum wurden höchste Vertreter der UNO bemüht? Weil die Internationalen Organisationen nach wie vor die Parole ausgeben: Kampf der Bevölkerungsexplosion!

Um das Anliegen plausibel zu machen, wird das Bild vom engen Raumschiff Erde verwendet, das nicht beliebig viel Besatzung verträgt und es werden den um ihren Wohlstand besorgten Menschen der Industrieländer die zweifellos eindrucksvollen Zahlen der Bevölkungsentwicklung in diesem Jahrhundert immer wieder vor Augen geführt: Eine Vervierfachung der Weltbevölkerung in den letzten 80 Jahren, eine Verdoppelung seit 1960! 160 Millionen Kindern kommen jährlich zur Welt, pro Tag 440.000 - viel zu viele!

Sollte das so weitergehen, prophezeit die UNO, werden wir 2013 den siebenmilliardsten Erdenbürger begrüßen dürfen und 2050 sollten wir schon neun Milliarden sein, und, und.... Also Schluß mit dem Baby-Boom! Mehr Aufklärung, mehr Verhütung, wirksamere Programme - vor allem in der Dritten Welt! Entwicklungshilfe nur an jene, die auch bei Bevölkerungsprogrammen - sprich Pillen- und Kondomverteilungen, sowie Sterilisationsprogrammen - mitmachen. Und der Erdenbürger bekommt weltweit mit: In Zukunft muß es weniger Kinder geben.

Daß dies nicht die einzig mögliche Schlußfolgerung ist, zeigt zunächst folgende einfache Beobachtung: Wir feiern fortgesetzt unseren technischen Fortschritt und das Wachsen der Wirtschaft. Beides ist kein Selbstzweck. Es ermöglicht, die Menschen materiell besser zu versorgen. Und das ist in den letzten Jahrzehnten auch vielfach geschehen. So konnte beispielsweise Indien vor 50 Jahren seine rund 200 Millionen Einwohner nicht regelmäßig ernähren. Das Land wurde vielmehr regelmäßig von argen Hungersnöten heimgesucht. Das hat sich geändert: Heute ist Indien imstande, seine rund 900 Millionen Bürger zu ernähren. Mehr noch, es exportiert sogar Nahrungsmittel.

Heißt das also, daß sich die Menschen beliebig vermehren sollen? Keineswegs - und sie tun es ja auch gar nicht, wie die Statistik bei näherer Betrachtung zeigt: Das Wachstum der Weltbevölkerung ist nämlich seit langem rückläufig. Zwischen 1960 und 1997 ist es von 2,3 auf 1,4 Prozent zurückgegangen. So ziemlich alle Prognostiker sind sich darin einig, daß es zu keiner weiteren Verdoppelung mehr kommen wird. Als wahrscheinlich wird eine Stabilisierung auf dem oben erwähnten Niveau von neun Milliarden angesehen. Von Explosion also keine Rede. Das zeigen sogar die UNO-Daten. Nur wird das nicht hinausposaunt, weil man sonst wohl die Bevölkerungspolitik ändern müßte.

Der Hauptgrund für diese Stabilisierung ist der Rückgang der Fruchtbarkeit in allen Erdteilen. Fraglos haben auch die Geburtenkontrollprogramme zu diesem Ergebnis beigetragen. Wesentlich für diese Entwicklung sind aber die veränderten Lebensumstände der Menschen, vor allem die Verstädterung.

Mittlerweile ist die Fruchtbarkeit in mehr als 50 Staaten der Welt so niedrig, daß sie nicht mehr ausreicht, um langfristig das bestehende Bevölkerungsniveau konstant zu halten. Und immerhin handelt es sich da derzeit schon um Staaten, die rund 45 Prozent der Weltbevölkerung beherbergen. In anderen Ländern zeichnet sich außerdem ein Sinken der Lebenserwartung ab, etwa in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Schlimme Folgen erwartet man auch von der Aids-Epidemie in Afrika. Dort gibt es Länder, in denen 20 bis 25 Prozent der Erwachsenen infiziert sind. In all diesen Ländern ist ein Schrumpfen der Bevölkerung angesagt.

Besonders dramatisch ist die Situation in Europa (siehe auch Seite 22). Noch verschleiert allerdings die zunehmende Lebenserwartung den sich schon abzeichnenden galoppierenden Bevölkerungsrückgang.

Wie dramatisch die Lage ist, sei an zwei Beispielen illustriert: In Österreich kommen derzeit auf drei Frauen im gebärfähigen Alter nur mehr zwei Mädchen. Das heißt, daß sich die Zahl der Frauen beim derzeitigen Stand der Dinge von einer Generation zur nächsten um ein Drittel verringert. Wenn das kein galoppierender Bevölkerungsschwund ist, was dann? Und in Italien - einst das Land der "bambini" - ist die Situation noch dramatischer. Dort ist die Relation nahe bei eins zu zwei.

Warum uns dieses Thema wichtig ist? Weil wir alle mehr oder weniger stark unter dem Eindruck des Slogans von der Bevölkerungsexplosion stehen, und weil diese Sichtweise auf das Verhalten vieler abfärbt. Wie könnten wir sonst so gleichgültig den Zusammenbruch der Geburtenfreudigkeit in unseren Ländern zur Kenntnis nehmen?

Dieser verunsicherten Haltung dem Leben gegenüber sollten Christen ihre Überzeugung entgegensetzen, daß jedes Kind ein wunderbares Geschenk Gottes ist. Und gerade die Statistik - die uns immer wieder entgegengehalten wird - belehrt uns, daß dieses Ja zum Kind gerade heute äußerst zukunftsträchtig ist.

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