Von Papst Johannes XXIII. ist ein Wort überliefert, das zu 100 Prozent auf einen in Europa eher unbekannten Heiligen zutrifft. Jener sagte einmal: „Man kann mit einem Hirtenstab in der Hand heilig werden, aber ebenso gut mit einem Besen.“ Man wird es nicht glauben, aber es gibt diesen Heiligen, dessen Attribut ein Besen ist: den hl. Martin von Porres. Seine Vita kommt im Schatten des hl. Martin von Tours eindeutig zu kurz. Dennoch ist es wert, über ihn zu berichten, passt doch sein Leben und sein Apostolat genau zur Zeit, in der wir leben.
Martin von Porres wurde am 9. Dezember 1579 als nichtehelicher Sohn des spanischen Edelmanns Juan von Porres und der Mulattin Anna Velasquez in Lima geboren. Lima, respektive Peru, stand am Beginn der Christianisierung durch die spanischen Eroberer. Diese Eroberung forderte aber einen extrem hohen Blutzoll. Man erinnere sich an die blutigen Kriege gegen die Inka, die Indios, die Landbevölkerung. Man missionierte damals mehr mit dem Schwert als mit der Bibel. Ein weiterer Grund der Unterdrückung der Bevölkerung war der Goldrausch, der die europäischen Eindringlinge blind und gierig machte. In diese für Peru schreckliche Zeit fällt das Wirken dieses Heiligen. In Lima lebten damals über 25.000 Menschen. Die Not war groß.
Der Vater schämte sich seiner beiden Kinder (Martin hatte eine Schwester), weil sie wie ihre Mutter Mulatten waren, also Mischlinge zwischen weißen und dunkelhäutigen Menschen. Juan von Porres stand nicht zu seinen Kindern, wurde nicht einmal im Taufbuch genannt und ließ die drei allein.
Die Mutter war eine überzeugte Christin, erzog ihre Kinder im christlichen Glauben an den dreifaltigen Gott und nahm sie mit in den Gottesdienst. Martin zeigte schon als Kind ein freundliches und hilfsbereites Wesen und eine zuvorkommende Höflichkeit, die ihm das ganze Leben hindurch Freunde gewinnen sollte.
Zum Glück besann sich der Vater, kehrte zur Familie zurück und setzt sich für eine Ausbildung seiner Kinder ein, die sie bei ihrer Mutter ob der Armut nicht gehabt hätten. Zu diesem Zweck brachte er die beiden so ganz anders aussehenden Kinder zu seinem Onkel. Dieser soll gesagt haben: „Wenn sie deine Kinder sind, müssen wir sie gut erziehen“ – was er auch tat.
Als zwölfjähriger kam Martin zu einem Wundarzt als Heilgehilfe in die Lehre. Dies war ein langgehegter Wunsch des jungen Martin: Zu den Armen und Kranken zu gehen, sie zu betreuen, ihnen zu helfen, erschien ihm als die schönste Tätigkeit. Denn groß war seine Nächstenliebe. Seine größte Sorge galt den Armen und Kranken der Stadt, den Sklaven, den verwaisten und verwahrlosten Kindern, ja selbst den Tieren. Alle Berichte über Martin von Porres erzählen von seiner helfenden Liebe. Als Arztgehilfe pflegte er bei Tag die Kranken, in der Nacht betete er vor dem Bild des Gekreuzigten – meist in der nahen Dominikanerkirche des Klosters vom Hl. Rosenkranz.
Die Dominikaner waren damals mit zwei großen Konventen in Lima vertreten. Die Patres waren Professoren an der noch jungen königlichen Universität und drückten dem noch armen Land sozusagen den „Bildungsstempel“ auf.
Sehnsüchtig verlangte Martin nach Aufnahme in dieses Kloster, in das er 1594 endlich als Laien-Terziar (als Mitglied des Drittordens) eintreten durfte. Das weiß-schwarze Gewand der Dominikaner hatte es ihm angetan. Zu Martins Zeit lebten in diesem Konvent etwa 300 Personen als Patres, Laienbrüder, Terziaren und Studenten.
Martin war glücklich über diesen Stand – nicht so sein Vater, der unbedingt die Aufnahme zumindest als Laienbruder durchsetzen wollte. Der Obere entschied allerdings anders, so wurde Martin in seiner Terziaren-Stellung nur geduldet - war durch kein Gelübde gebunden und frei, den Konvent jederzeit wieder zu verlassen.
Das kam für ihn allerdings nie in Frage, demütig übernahm er die niedrigsten Arbeiten im Kloster, führte diese zur vollsten Zufriedenheit aus und war glücklich mit dieser Situation. Ihm genügte das Bewusstsein, Mitglied der gesamten Ordensfamilie zu sein und „an allen Gebeten, Opfern und guten Werken“ teilzuhaben. So war er zeitweise Frisör des Konvents und verantwortlich, dass alle Brüder und Patres auch „den richtigen“ Haarschnitt bekamen. Auch in der Kleiderkammer war er tätig, sorgte für die Instandhaltung der Paramente und betreute die Kranken. Es konnte vorkommen, dass bis zu 60 Personen im Haus bettlägerig waren - keine leichte Aufgabe.
Aufgrund seiner Herkunft als Mulatte blieb ihm die Zulassung zum Priesterstand verwehrt. Allerdings wurde er 1603 als Laienbruder in den Orden aufgenommen und zur Profess zugelassen. Martins Glück kannte keine Grenzen. Er durfte sich mit Gelübden an den Orden binden und erhielt den Habit. Er hatte seine persönliche Freiheit hingegeben durch das Gelübde des Gehorsams – aber die innere Freiheit der Kinder Gottes gewonnen. Martin war sehr beliebt und Freund aller im Konvent.
Im Kloster übte er nunmehr den Pflegeberuf an seinen Mitbrüdern aus, jedoch nicht nur an ihnen. Sein Wirkungskreis erstreckte sich über die ganze Stadt. Unermüdlich war er auf den Beinen, um Kranke zu suchen, sie zu pflegen, sie ins Kloster zu bringen, das bald aus allen Nähten zu platzen schien. Einen Teil des Klosters funktionierte Martin zum Spital um – dem einzigen der ganzen Stadt, in dem die Kranken ohne Trennung nach der Hautfarbe behandelt wurden.
Als es den Oberen zu viel und das Kloster zu klein wurde, baute er das Haus seiner Schwester Johanna um und versorgte die Kranken dort. Mit Hilfe seiner Schwester gründete er in Lima zudem ein Waisenhaus und zahlreiche andere karitative Einrichtungen.
Obwohl es ihm schließlich verboten wurde, weiter Kranke in das Kloster zu bringen, brachte er wieder einmal einen schwer verletzten Indio ins Kloster und legte ihn auf seine eigene Pritsche. Die Oberen erfuhren davon, wollten ihn bestrafen, doch seine demütige Gelehrtheit ergriff den Provinzial so, dass er Martin sogar erlaubte, Härtefälle wieder ins Kloster zur Genesung bringen zu dürfen. Grenzenlos schien der Kreis der Liebe zu sein, den Martin um alle Notleidenden zog – egal, welcher Hautfarbe, welchen Ansehens oder Reichtums.
Martin konnte zwar nie Theologie studieren, dennoch aber – auch ohne entsprechenden Unterricht – Worte des hl. Augustinus oder anderer Theologen sowie Stellen aus der Bibel zitieren. Von ihm wird weiters berichtet, dass er – ähnlich wie der hl. Josef von Copertino – in Ekstase über dem Boden schwebte: Öfters sah man, dass er in Kreuzesform ausgestreckt über dem Boden schwebte oder schwebend ein an der Wand aufgehängtes Kruzifix küsste. Weiters gibt es eindrückliche und glaubhafte Aussagen von mehreren Personen, die Martin in Mexiko, Frankreich oder sonst wo gesehen und mit ihm gesprochen, von ihm Hilfe, Zuspruch oder Heilung empfangen haben, obwohl er nachweislich nie aus Lima und Umgebung hinausgekommen war. Trotz verschlossener Türen hat man ihn bei Kranken gesehen – niemand wusste, wie er da hingelangt war. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Gabe der Bilokation, der gleichzeitigen Anwesenheit an zwei Orten. Dies wurde auch vom hl. P. Pio berichtet.
Martin hatte die Gabe der Prophetie. So sagte er einmal einem Studenten voraus, dass er Priester werden würde, obwohl dieser ganz und gar nicht daran glauben konnte. Auch vermochte er in die Herzen zu blicken und sündhaftes Verhalten zu sehen. Er sprach dann die Menschen liebevoll darauf an und erwirkte meist Umkehr. Auch von einigen Heilungen wird berichtet: Martin musste nur seine Hände auf kranke, schmerzende Körperteile legen – und die Person war geheilt. Einer dieser Geheilten war sogar der Erzbischof von Mexico. Eine Heilung ist auch nach seinem Tod überliefert, als eine gelähmte Frau nur seinen Sarg berührte, wurde sie augenblicklich geheilt.
Es gibt zumindest einen glaubwürdigen Bericht von der Erweckung eines Toten, eines verstorbenen Mitbruders: Martin sollte den Leichnam zur Aufbahrung vorbereiten. Stattdessen kniete er sich vor das Kreuz an der Wand und betete inbrünstig, ging zu dem Verstorbenen und rief ihn drei Mal bei seinem Namen: Bruder Thomas schlug die Augen auf. „Siehst du, er lebt,“ rief Martin ganz beglückt…
Kurze Zeit später bat er um einen neuen Habit – noch nie hatte Martin um etwas „Neues“ für sich gebeten. Martin antworte ganz ruhig auf die Rückfrage des Oberen: „Es ist der Habit, in dem man mich begraben wird.“ Kurz darauf erkrankte er tatsächlich an Thyphus. Auf seinem Sterbebett erfuhr er allerdings noch arge Versuchungen Satans, er sagte nur: „Satan ist zu stolz, als dass er sich mit einem armen und unwissenden Laienbruder in ein Streitgespräch einließe.“
Dann äußerte er den Wunsch, man möge das Credo beten. Als die Mitbrüder zu den Worten „... et homo facto est ...“ kamen, gab er seine Seele an den Schöpfer zurück. Es war der 3. November 1639, im 60. Jahr seines Lebens, im 36. Jahr seiner Profess. In langen Prozessionen zog das Volk ins Kloster, um Martin noch einmal zu sehen. Man riss ihm förmlich den Habit stückweise vom Leib. Viele wollten noch ein Andenken haben, so bekam er nicht nur einen, sondern gleich mehrere „neue“ Habite...
Er wurde schon zu Lebzeiten als Heiliger verehrt, sein Begräbnis stellte alles in den Schatten.
Zu kurz der Platz, um mehr von Martin berichten zu können, so viel sei abschließend gesagt: 1939 an Martins 300. Todestag, erklärte der Präsident von Peru öffentlich in einem Dekret, „dass die große Verehrung Martins es der Republik Peru zur Pflicht mache, den geistigen Gehalt, den dieser schlichte Mensch dem Staat Peru geschenkt hat zu verkünden; und weiter, dass Martin nicht nur seiner Tugenden wegen, sondern um seines wahrhaft sozialen Wirkens willen verdient, als Wegbereiter aller sozialen Vorkämpfer und als Freund der sozialen Gerechtigkeit angesprochen zu werden und deshalb in Peru als Patron aller Arbeiten für die sozialen Gerechtigkeit anzusprechen sei.“ Bemerkenswert, dass der Präsident eines Staates so über einen Heiligen der Kirche denkt und öffentlich spricht.
Martins Gedenktag ist der 3. November. Er wurde 1837 von Papst Gregor XVI. selig und am 6. Mai 1962 von Papst Johannes XXIII. heilig gesprochen. Vielleicht hat er das Wort mit dem Besen auf den Hl. Martin von Porres bezogen, wer weiß. Martin ist der Schutzpatron des Heil- und Pflegepersonals sowie der Patron der sozialen Gerechtigkeit.
Ja, die Vita des hl. Martin von Porres ist ein eindrücklicher Beweis für die Schriftstelle: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast“ (Lk 10,21, bzw. Mt 11,25).