Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“ (Joh 6,35) Diese Worte wurden im Wortsinn nur im Leben einiger weniger Begnadeter erfüllt. Immer wieder gab und gibt es in herausragende Gestalten des katholischen Glaubens, die wirklich allein von der hl. Eucharistie gelebt haben. Neben dem hl. Bruder Klaus von Flüe oder Marthe Robin war dies auch bei Therese Neumann der Fall; 26 Jahre lebte sie von 1926 bis zu ihrem Tod nur von der täglichen Kommunion.
Wer war diese Frau, die auch die Wundmale Christi trug und das Leben Jesu und vieler Heiliger in Visionen schauen durfte?
Therese Neumann, weithin auch unter dem Namen „Resl von Konnersreuth“ bekannt, stammt aus dem Markt Konnersreuth in Bayern (Diözese Regensburg). Dass sie, die später das Karfreitagsleiden Jesu am eigenen Leibe litt, selbst am 8. April 1898, einem Karfreitag, geboren wurde, war sicher kein Zufall. Sie war das erste von elf Kindern einer ärmlichen Schneidersfamilie. Ihr Vater Ferdinand hatte ein verschuldetes Anwesen mit einer kleinen Landwirtschaft übernommen, als er mit 25 Jahren Anna Grillmeier aus Neudorf heiratete.
Mit Fleiß und viel Arbeit wurden die Schulden allmählich weniger und die ganze Familie lebte bescheiden und ärmlich. Therese wurde daher nie verwöhnt – das Essen bestand meist aus Kartoffeln und Brot – und musste von klein auf in der Betreuung ihrer vielen Geschwister sowie in Haus und Hof mit anpacken.
Sie besuchte die örtliche Volksschule, die sie mit sehr gutem Zeugnis verließ. Schon mit 13 Jahren ging sie in Taglohn, mit 14 trat sie als Magd in den Dienst eines Bauern und Gastwirtes, um mit ihrem Lohn ihre Familie zu unterstützen. Schon damals hatte sie durch ihre Frömmigkeit und ihre Tugendhaftigkeit von anderen Knechten und Mägden oft Spott einzustecken. Die Arbeit verlangte zudem ohne die heutigen maschinellen Hilfen das Äußerste von ihr ab, aber sie konnte beherzt anpacken und alle staunten über ihre Arbeitskraft.
Pfarrer Josef Naber fiel gleich das fromme, ernste Wesen von Resl auf; sie trug schon früh in ihrem Herzen den Wunsch, den Missionsbenedikterinnen in Tutzing beizutreten und als Krankenschwester in die Mission zu gehen. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde sie Großknecht auf dem Hof und half mit ihrem Verdienst ihrer Mutter und den Kindern durch die schwere Zeit. Ihr Vater musste an die Front. Ihm versprach sie, mit dem Klostereintritt zu warten, bis er zurück sei. Doch ein Großbrand am 10. März 1918 war ihre Lebenswende. Er sollte alle Pläne der 19-Jährigen zunichte machen. Bis zur Erschöpfung half sie mit, Eimer um Eimer hoch zu reichen. Und dabei zog sie sich eine schwere Rückgratverrenkung zu.
Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich durch weitere Unfälle schließlich so sehr, dass sie bald ganz ans Bett gefesselt war. Dazu kamen Magenkrämpfe, Erbrechen und ab März 1919 eine völlige Erblindung sowie starke Kopfschmerzen hinzu. Ab dem Jahr 1922 konnte sie keine festen Mahlzeiten mehr zu sich nehmen. Therese Neumann, die sich so auf das Leben in der Mission gefreut hatte, musste diesen Wunsch ganz aufgeben und sich dem Willen Gottes ergeben. Sie, die immer so fest wie ein Mann angepackt hatte und immer tätig war, wurde zum Pflegefall. Doch die Eltern und Geschwister nahmen sich ihrer an. 6,5 Jahre Lähmung und Leiden aller Art, vier Jahre Blindheit haben die 24-jährige junge Frau schließlich reif gemacht für das Außergewöhnliche, das nun kommen würde.
Während ihrer schweren Erkrankung bekam Resl ein Bild der kleinen Theresia von Lisieux, die damals in Deutschland noch unbekannt war. Sie gewann großes Vertrauen zu dieser französischen Ordensfrau und betete oft das Gebet um die Seligsprechung der 1897 so jung verstorbenen Karmelitin.
Alle ärztliche Kunst führte zu keinem Erfolg, ihre Schmerzen waren oft kaum zu ertragen, doch Resl nahm ihre ganze Zuflucht zum Gebet und trug ihr Kreuz gemeinsam mit Jesus.Wie durch ein Wunder konnte sie am 29. April 1923, dem Tag der Seligsprechung der hl. Therese von Lisieux, wieder sehen, und am Tag ihrer Heiligsprechung, dem 17. Mai 1925, war sie auch von ihrer Lähmung geheilt. Diese Heilung geschah nach dem Zeugnis von Pfarrer Naber während des Gebetes. „Da kam auf einmal ein großes Licht, wie man es sonst auf der Welt nicht sieht. Und eine Stimme rief: Resl, willst du nicht gesund werden?“ Therese darauf: „Alles ist mir recht, sterben und leiden und gesund werden, wie es der liebe Gott haben will.“ Die Stimme: „Hättest du keine Freude, wenn du aufstehen könntest?“ Therese: „Alles freut mich, was vom lieben Gott kommt... Jedes Gräslein, jedes Blümlein, jedes Vöglein und jedes neue Leiden, das mir der Heiland schickt. Am meisten Freude aber habe ich am Heiland selber.“ Diesen Worten folgte die sofortige Heilung. Therese ging danach mit ihren Angehörigen und Pfarrer Naber in die nahe gelegene Pfarrkirche, um Gott für das Wunder ihrer Heilung zu danken.
Kaum ein Jahr später setzen allerdings neue Schmerzen ein: An ihrem Körper zeigten sich nun erstmals die Wundmale Christi. Der Wunsch, in die Mission zu gehen, war wieder in weiter Ferne. Statt dessen wurde sie an den Freitagen ein Bild des Jammers und der Schmerzen, wenn sie die Passion Christi mitlitt. Blut floss ihr aus den Augen über die Wangen, aus den Wunden der Dornenkrone und die Wundmale der Hände, der Füße und der Brust hatten sich geöffnet. Die Spuren der Geißelung wurden sichtbar, ebenso die Schulterwunde Jesu, die vom Kreuztragen kam. Immer wieder richtetete sie sich in ihrem Bett mühsam auf, gestikulierte mit den Händen und sprach fremde, für Laien unverständliche Worte des Mitleids, des Protestes.
Ergriffen und schweigend gingen viele an ihrem Leidenslager vorüber. An manchen Karfreitagen waren es bis zu 5.000 Besucher, die oft unter Tränen ihr Schmerzenslager verließen und ein neues Leben begannen. Etwa 700mal durchlebte sie an ihrem eigenen Leib das Karfreitagsleiden Jesu. „Durch Leiden können mehr Seelen gerettet werden als durch die glänzendsten Predigten,“ dieses Wort der hl. Therese von Lisieux wurde in Konnersreuth Realität.
Wenn der Gekreuzigte sein Leben aushauchte, verfiel sie in einen todesähnlichen Schlaf, der bis zum Ostermorgen dauerte. Dann erschien ihr der Auferstandene und rief sie in den Alltag zurück: Alles Leid war nun weggenommen; Therese stand auf, feierte den Ostergottesdienst der Pfarrgemeinde mit und ging ihren Aufgaben nach.
In ihrem Leben hat sie unendlich viel gelitten, nie war sie ohne Schmerzen, aber durch ihr Sühneleiden wurden viele wieder gesund. Vielen Kranken nahm sie auch Leiden ab; Pfarrer Naber etwa, dem sie wohl oft bei Krankheiten half, pflegte zu sagen: „Mein bester und billigster Arzt ist die Resl“. Oft wurden Menschen, die von Ärzten aufgegeben wurden, nach einem Besuch bei Resl spontan geheilt.
Neben den Stigmen durfte sie auch in Visionen das Leben Jesu und der Gottesmutter schauen. Sie war dann dieser Welt entrückt, den Sinnen nach nicht ansprechbar, sah, hörte das Geschehen und verblüffte Experten mit ihrem Wissen, auch über Kenntnisse des Aramäischen, der Sprache Jesu. Auch sah sie vieles aus dem Leben der Heiligen. Sie schaute alljährlich die Sterbestunde der hl. Therese von Lisieux oder erlebte die Schauungen der hl. Bernadette von Lourdes, die Stigmatisation des hl. Franz von Assisi, das Martyrium der hl. Cäcilia oder der hl. Agnes.
Bald nach ihrer Stigmatisation bis zu ihrem Tod war die hl. Eucharistie ihre einzige Nahrung. Am 6. August 1926 hatte sie eine Vision der Verklärung Christi. Seitdem spürte sie weder Hunger noch Durst und konnte auch seitdem weder essen noch trinken. Von 14. bis 28. Juli 1927 wurde Therese durch eine bischöfliche Kommission Tag und Nacht überwacht. Diese konnte bestätigen, dass sie in diesen 15 Tagen nichts aß und nichts trank. Durch das Freitagsleidenverlor sie acht Kilo an Gewicht, die sie jedoch am Ende von selbst wieder zunahm. Volle 35 Jahre sollte diese Nahrungslosigkeit anhalten.
Für die Gefahren der Zeit hatte sie ein waches Gespür. Auch dem Nationalsozialistischen Regime leistete sie mutig Widerstand, indem sie einen Kreis Gleichgesinnter um sich sammelte, darunter auch Dr. Fritz Gerlich oder Pater Ingbert Naab.
Neben der Sorge um Priester- und Ordensberufe widmete sie sich ganz dem Dienst an Kranken und Sterbenden. Viel Zeit und Liebe widmete sie ihrem Blumengarten, mit dessen Blumen sie oft bis tief in die Nacht hinein die Pfarrkirche ausschmückte. Ihrem Engagement ist es auch zu verdanken, dass das ehemalige Klostergut Fockenfeld 1951 zu einem Spätberufenenseminar wurde, das etwa 600 Priester hervorbrachte, und das Anbetungskloster „Theresianum“ verwirklicht werden konnte. Dort leben Marienschwestern vom Karmel, die zusammen mit den Bewohnern des Seniorenstiftes und Gläubigen der Pfarrei und Umgebung jeden Tag Anbetung halten. Träger des Theresianums ist der Deutsche Orden.
Wenige Tage vor ihrem Tod, am 13. September 1962, bat sie ihren Bruder noch kurz zu sich, um ihm etwas Wichtiges zu sagen: „Ferdl, vergiss die Verstorbenen nicht. Bete jeden Tag für die Verstorbenen. Bete nicht nur für sie, sondern opfere alle Schwierigkeiten, die jetzt auf dich zukommen, für die Verstorbenen auf. Wir tun nämlich viel zu wenig für die Verstorbenen. Solange sie am Leben sind, kümmern wir uns um sie und versuchen ihnen zu helfen. Jetzt, da sie unsere Hilfe brauchen, denken wir meistens gar nicht mehr an sie. Sie warten aber darauf und brauchen unsere Hilfe. Sie können sich nicht selbst helfen. Dabei stehen sie um jetzt im Jenseits näher als sie uns im Leben stehen konnten.“
Am 19. September 1962 schließlich gab sie ihr Leben Gott zurück. Sie starb nach kurzer Krankheit im Ruf der Heiligkeit und wurde auf dem Friedhof ihrer Heimatgemeinde beigesetzt.Seit damals ist ihr Grab das Ziel zahlreicher Pilger und Besucher.
Bischof Gerhard Ludwig Müller aus Regensburg verkündete am 13. Februar 2005 die Eröffnung ihres Seligsprechungsprozesses. Über 500 Gebetserhörungen gingen seit dem Jahr 2004 in der Abteilung für Selig- und Heiligsprechungen der Diözese Regensburg ein; viele Danksagungen zieren eine Votivtafelkapelle nahe bei ihrem Grab.