Unlängst hat Sr. Marie-Catherine, eine Missionarin im muslimischen Niger, ein paar Tage bei uns verbracht, und wir haben bei dieser Gelegenheit miteinander auch über das Beten gesprochen (siehe Interview auf Seite 13). Bei dieser Gelegenheit brachte sie ihr Erstaunen zum Ausdruck, dass sie in Europa praktisch nie jemanden mit einem Rosenkranz in der Hand sieht. Sich als betender Mensch zu „outen“, ist unter uns nicht weit verbreitet. Wann haben Sie, liebe Leser, zuletzt jemanden im Restaurant vor dem Essen beten gesehen? Ja, selbst wenn wir Christen zusammenkommen, breitet sich oft eine gewisse Befangenheit aus, wenn sich abzeichnet, dass gemeinsames Beten angebracht wäre.
Dann geschieht es leicht, dass hastig ein Ritual abgewickelt wird – schließlich ist man ja katholisch. Und dann geht man rasch zur Tagesordnung über oder eilt zum bereitstehenden Buffet.
Und dabei würde gerade unsere Zeit so dringend das Zeugnis selbstverständlich betender Menschen brauchen – und zwar nicht nur im Rahmen eigener Versammlungen, sondern als Hinweis darauf, dass Beten quasi Teil der überlebensnotwendigen Grundversorgung des Menschen ist.
Weil ich selbst nicht frei von dieser Verunsicherung bin, meinen Tag mit viel zu viel Programm fülle, hat mir die Gestaltung dieses Schwerpunkts wertvolle Impulse gegeben. Ja, wir müssen diesen selbstverständlichen Umgang mit Gott im Alltag viel mehr pflegen, Zeiten für den Herrn reservieren, Zeiten der Stille, in denen wir uns bewusst öffnen für Sein Wirken, gegen lähmende Routine ankämpfen – und dennoch Rituale pflegen.
Auf den folgenden Seiten, so hoffe ich, werden Sie, liebe Leser, erfahren, dass es sich auszahlt, einen neuen Aufbruch im eigenen Gebetsleben zu wagen.