VISION 20004/2019
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Wer lieben will, muss mehr beten

Artikel drucken Was uns das Gebetsleben der heiligen Mutter Teresa lehrt (Von P. Leo Maasburg)

Ein junger Priester stellte der heute heiligen Mutter Teresa einmal die Frage: „Mutter Teresa, was ist eigentlich Ihr Geheimnis?“ Sie blickte ihn etwas schief an und antwortete: „Das ist sehr einfach: Ich bete.“
Tatsächlich gehörte das Gebet für Mutter Teresa zum Leben wie das Atmen. Wenn sie nicht gerade eine Arbeit verrichtete oder im Gespräch war, sah ich sie beten. Der Rosenkranz war immer in ihren Händen. Sie selbst sagte: „Ich glaube, es gibt niemanden, der Gott so nötig hat wie ich. Ich fühle mich so nutzlos und schwach. Weil ich mich nicht auf mich selbst verlassen kann, verlasse ich mich auf Ihn, 24 Stunden am Tag. Ich liebe das Beten. Der Drang zu beten ist immer mit mir.“
Ich erinnere mich, dass Mutter Teresa bei einer Reise an einer Tankstelle lange auf den Tankstutzen schaute, durch den das Benzin in den Tank floss, und dann sagte: „Schau, Father, das ist wie das Blut im Körper: Ohne Blut gibt es im Körper kein Leben. Ohne Benzin im Auto kein Fahren. Aber auch: Ohne Gebet ist die Seele tot.“

Immer beten
„Nie sind wir weiter von Gott entfernt als ein Gebet.“
Wenn man über diesen Satz der Heiligen nachdenkt, heißt das doch, dass uns Gott ständig sehr nahe sein muss – Er steht vor der Tür und klopft: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn einer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten und Mahl mit ihm halten und er mit mir.“ (Offb 3,20)
Er will eintreten, aber hören wir Ihn? Wollen wir, dass Er eintritt? Er wird den Schritt in unser Herz nie gegen unseren Willen tun. Dies heißt aber auch, dass wir nie ohne Ihn sein müssen, ganz gleich, was die äußeren Umstände sind. Der Hl. Paulus rät uns: „Betet ohne Unterlass! Dankt für alles; denn das will Gott von euch, die ihr Christus Jesus gehört.” (1 Thess. 5,17-18).
Sie, die aktive Helferin, Organisatorin, die immer Reisende, wie hat sie das gemacht ohne Unterlass zu beten?
Ich habe selbst beobachtet und tausende Fotos und Videos bezeugen, dass Mutter Teresa nie ohne Rosenkranz in ihren Händen gesehen wurde, wenn diese Hände nicht gerade damit beschäftigt waren, Toiletten zu putzen, Böden zu schrubben, Kinder zu streicheln oder Segenswünsche auf Bildchen zu schreiben. Und selbst das war für sie Gebet: „Wir müssen lernen unsere Arbeit zu beten“. Das hieß für sie: was immer sie tat, tat sie bewusst „für Jesus, mit Ihm und durch Ihn“, so wurde alles Gebet.
 
Gebet: Freude – Last?
„Das Gebet erweitert das Herz, bis es fähig ist, Gottes Geschenk Seiner selbst aufzunehmen. Wir wollen so gerne richtig beten, aber dann scheitern wir. Wenn du besser beten willst, bete mehr. Wenn wir fähig sein wollen zu lieben, müssen wir mehr beten.“ „Gebet entsteht nicht von selbst,“ sagte sie. „Wir müssen die Mühe auf uns nehmen zu beten.“
Gebet ist kein permanentes „High-Gefühl“. Manchmal kann es das durchaus sein, aber die Erfahrung zeigt, dass es oft auch eine Last ist, die wir tragen müssen, wenn wir Gott nahe kommen wollen – ein „munus“.
Mutter Teresa betete nicht nur ständig, sie war auch treu in der Erfüllung der ihr durch die Ordenssatzungen vorgeschriebenen Gebete und das waren mehrere Stunden täglich! Sie erlaubte weder Müdigkeit oder Krankheit, aber auch nicht das Übermaß an Verpflichtungen, sie von dieser Last zu befreien. Sie erinnerte mich darin an das tägliche Joggen und Fittness-Training bei jedem Wetter von Sportlern und vielen Jugendlichen.
Ohne Fleiß kein Preis, und der Preis ist es wert. Es ist Gott selbst, der sich in unser Herz hinein verschenkt.

Gebet konkret – wie?
Auf die Frage:„ Mutter Teresa wie beten Sie?“ war ihre Antwort: „Gott spricht zu mir – und ich spreche zu ihm. So einfach ist es. Das ist Gebet.“ Gebet sei Kontakt von Herz zu Herz: „Wenn ich zu Jesus bete, dann von meinem Herzen zu Jesu Herz. Wenn ich zur Gottesmutter bete, von meinem Herzen zu Marias Herz.“ Mutter Teresas zentraler Satz zum Gebet lautete: „Gott spricht in der Stille unseres Herzens, und wir lauschen. Dann, aus der Fülle unseres Herzens sprechen wir, und Er lauscht. Und das ist Gebet.”
Sie lehrte keine komplizierten Gebetstechniken, hat aber stets daran erinnert, dass wir uns bewusst sein müssen, was wir tun, wenn wir beten. Für Mutter Teresa war das Gebet ein kindlicher Kontakt, wie ihn ein Kind mit seinem Vater hat, aber keineswegs oberflächlich, sondern „von Herz zu Herz“.
Ich habe bis heute den lauten und klaren Klang ihrer Stimme im Ohr, wenn sie betete. Das war nie monoton, sondern immer der Klang eines bewussten persönlichen Gesprächs mit einer anderen Person.

Gebets-Vertrauen
Jede Reise, jedes Gespräch, jede schwierige Frage wurde mit einem Gebet begonnen. Mutter Teresas Vertrauen in das Gebet war felsenfest. Eine besonders auf Reisen oft angewandte Form war die „Quick Novena“, die schnelle Novene. Diese „Quick Novena“ war so etwas wie ihre spirituelle Schnellfeuerwaffe. Sie bestand aus zehn „Memorares“ – nicht etwa aus neun, wie man wegen des Namens „Novene“ hätte vermuten können.
Bei der Fülle von Problemen, die an Mutter Teresa herangetragen wurden, und nicht zuletzt wegen ihres Reisetempos standen neun Tage für eine Antwort der himmlischen Regie oft eifach nicht zur Verfügung. Also hat sie die „Quick Novena“ erfunden. Sie bestand aus zehn „Memorares“ mit folgendem Wortlaut:
„Gedenke, o mildreichste Jungfrau Maria, es ist noch niemals gehört worden, dass Du jemanden nicht erhörtest, der zu Dir seine Zuflucht nahm, Deine Hilfe anrief oder Deine Fürsprache erflehte.
Von solchem Vertrauen beseelt, eile ich zu Dir, o Jungfrau der Jungfrauen, unsere Mutter.
Zu Dir komme ich und stehe als Sünder seufzend vor Dir.
O Mutter des ewigen Wortes, verschmähe nicht meine Bitten, sondern höre mich gnädig und erhöre mich. Amen.“
Ein Zeichen ihres Vertrauens in das Gebet war genau die Tatsache, dass sie das „Novene“-Gebet nicht neun, sondern zehn Mal betete. Das zehnte war schon das Dankgebet für die selbstverständlich erwartete Erhörung der Bitte.

Was können wir von Mutter Teresa lernen?
Ich glaube, heute ist es die Stille. Denn Gott will zu jedem von uns sprechen und Er spricht zu jedem von uns, aber wir hören Ihn nur, wenn unser Innerstes still sein kann.
Ich glaube schon, diese innere Stille ist ein Geschenk Got­tes, das wir suchen und um das wir bitten müssen. Der Mensch braucht Zeiten, in denen er auf den Herrn hört, Ihn kennenlernt: in der Anbetung oder in der Meditation der Heiligen Schrift. Es geht darum, Christus selber immer neu kennenzulernen. So wird Er für mich immer lebendiger. Ich muss versuchen, mich wenigstens zeitweise aus dem Lärm des Lebens herauszunehmen und um die Gnade der inneren Stille zu bitten. Dann wird mein Umgang mit den Menschen inniger, besser. Wenn ich Jesus im Gebet kennenlerne, erkenne ich Ihn auch in meinen Brüdern und Schwestern. Dann wird mein Umgang mit ihnen eine neue Form des Gebets. „Verwandle deine Liebe zu Jesus in tätige Liebe für deinen Nächsten,“ erklärte uns die Heilige.

Ein paar Hilfen, wie ich sie erfahren habe.
In der U-Bahn den Rosenkranz beten. Wenn ich längere Stiegen hinuntergehe oder mit einer Rolltreppe hinunterfahre, kann ich das Glaubensbekenntnis beten – Jesus ist ja vom Himmel herabgestiegen und Mensch geworden. Fährt man mit einem Lift hinauf, kann ich zum Heiligen Geist beten, der mich hinauf in die Liebe Gottes hebt. Für den Computer kann ich ein Passwort wählen, das mich an ein Gebet erinnert oder an eine Person, für die ich beten soll.
Mutter Teresa hat aus jedem Buchstaben ihrer Unterschrift ein kleines Opfer gemacht: sie hatte schwere Arthrose in den Fingern und das Schreiben schmerzte sie und trotzdem war ihre Unterschrift nie abgekürzt oder unleserlich, sondern immer bis in das kleinste Detail hinein deutlich.
Ja, auch im Gebet verlangt Gott von uns keine großen Dinge, sondern dass wir „kleine Dinge mit großer Liebe tun“.

P. Leo Maasburg ist Autor des Bestsellers Mutter Teresa. Die wunderbaren Geschichten, Pattloch Verlag, 240 Seiten, 20,60 €.




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