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Kinder im digitalen Stress

Artikel drucken Ãœber Smartphone, Internet-Porno und Cyber-Grooming (Katharina Marschall)

Das Alter, in dem Kinder ein eigenes Smartphone besitzen, sinkt konstant. Neueste Studien zeigen: 35 % der 6- bis 9-Jährigen haben ein Handy und über 95 % der 12 bis 13-Jährigen. Der Internetzugang ist somit jederzeit und überall verfügbar, eine Kontrolle seitens der Eltern so gut wie unmöglich. Dies bringt eine Reihe von Risiken und Ge­fah­ren mit sich, allen voran einen immer früher auftretenden Erst­kontakt mit Onlinepornografie.

Studien zeigen immer deutlicher, welchen Stellenwert Handy & Co. für Kinder und Jugendliche einnehmen. Viele würden eher für eine Woche auf Familie oder Freunde verzichten, als auf ihr Smartphone. Soziale Medien wie Facebook, Instagram, Snapchat und WhatsApp bestimmen den Alltag, egal ob Zuhause, in der Schule oder in der Freizeit.
Der Druck, jederzeit präsent, erreichbar und up-to-date zu sein, geht bereits so weit, dass Jugendliche selbst bestätigen, sich gestresst zu fühlen. Viele sind regelrecht genervt, dass ihre Freunde während gemeinsam verbrachter Zeit sehr häufig aufs Handy schauen. Nicht wenige Kinder bemängeln, dass die eigenen Eltern viel zu viel Zeit mit ihrem Smartphone verbringen. Gleichzeitig sehen sie auch die eigene Nutzung digitaler Geräte kritisch.
Des Weiteren empfinden die meisten Jugendlichen den Druck, auf Nachrichten in WhatsApp & Co. möglichst zeitnah antworten zu müssen. Gleichzeitig richten sie dieselbe Erwartung aber auch an andere. In der Regel wird eine Rückmeldung in deutlich unter einer Stunde erwartet. Gruppenchats, in denen täglich oftmals Hunderte von Nachrichten verschickt werden, bergen ein besonderes Stressrisiko. Jugendliche geben an, dass sie Angst davor haben, ausgeschlossen zu sein, wenn sie nicht ständig auf dem Laufenden blieben. Auf diese Art entsteht das Gefühl, konstant unter Fremdkontrolle zu stehen.
Ähnlich verhält es sich mit zahlreichen Online-Computerspielen, allen voran etwa Minecraft oder Fortnite. US-Kinderärzte und Psychologen berichten immer häufiger von Fällen, in denen Kinder und Jugendliche es versäumen, in die Schule zu gehen, zu schlafen oder sogar zu essen, um ihr Spiel nicht unterbrechen zu müssen.
Im Falle von „Fortnite“ ist der hohe Suchtfaktor insbesondere auf die spezifischen Elemente des Spiels wie soziale Interaktion, eine große Vielfalt an Handlungsoptionen und einen kreativ ausgeklügelten Belohnungsmechanismus zurück zu führen.  Zudem ist das Spiel kostenlos erhältlich, bietet in der Folge jedoch so genannte „In-App-Käufe“ an, von der ein Großteil der User Gebrauch macht.
Grenzenloser Internetzugang öffnet nicht nur zahlreiche Möglichkeiten, sondern auch Raum für Gefahren, derer sich Kinder und Jugendliche häufig nicht bewusst sind. Der Erstkontakt mit Onlinepornografie findet immer früher und damit immer öfter ungewollt statt. Eine Studie ergab, dass lediglich 33,5% gezielt nach pornografischen Inhalten suchen. Alle anderen sehen Pornografie beim ersten Mal entweder zufällig (43,5%) oder sogar gegen ihren Willen (17,2%). Soziale Medien sind voll von nicht jugendfreien Inhalten, von Werbung über Bilder und Videos bis hin zu Hardcore-Pornografie.
Ein nicht minder beunruhigendes Thema ist das sogenannte Cyber-Grooming. Von „Grooming“ spricht man, wenn ein Erwachsener mit Kindern oder Jugendlichen in Kontakt tritt und dabei das Ziel verfolgt, mit ihnen sexuell intim zu werden. Um seinem Ziel näher zu kommen, versucht der Erwachsene zunächst, das Vertrauen des Kindes zu gewinnen. Die Straftaten, die im Rahmen dieser Annäherungsversuche passieren, reichen von kinderpornografischen Aufnahmen bis hin zu Vergewaltigungen. Findet der erste Teil dieses Verhaltens im Internet statt, spricht man von „Cyber-Grooming“.
Täter bedienen sich der Anonymität, die Kinderchats und Spiele-Apps bieten, und nutzen das gewonnene Vertrauen der meist minderjährigen Opfer bereitwillig aus. Selbst einfache Spiele-Apps sind häufig mit Chats versehen, die zwar Sicherheit versprechen, diese aber zu keiner Zeit gewährleisten können.
Hinter harmlos klingenden Nicknames oder unauffälligen Profilbildern, verstecken sich immer häufiger Pädophile und Sexualstraftäter, die nach hergestelltem Erstkontakt im Internet, meist mehr wollen: Von Bildern über Kontaktdaten bis hin zu persönlichen Treffen. Ehe sie es bemerken, können Kinder dem Cyber-Grooming zum Opfer fallen.
Das Internet mit all seinen Möglichkeiten und Risiken kann sowohl Bereicherung wie Grund zur Verunsicherung sein. Es ist wichtig, dass sich Eltern bewusst sind, dass sie die Verantwortung für ihre Kinder tragen und diesen hilfreich zur Seite stehen können. Ein offenes Ohr sowie die stetige Bereitschaft, im Gespräch zu bleiben, sollten an erster Stelle stehen. Außerdem dürfen sich Erwachsene nicht vor den Möglichkeiten und Errungenschaften von Internet, Sozialen Medien & Co. verschließen. Ein deutscher Cyber-Kriminologe dazu: „Das Internet wurde von Erwachsenen für Erwachsene geschaffen, und wir werfen Kinder nun einfach dort hinein, ohne jede Sicherheitsmaßnahme (…) Eltern müssen die Experten in Sachen Internet sein. In Wahrheit sind derzeit jedoch Kinder die Ansprechpartner ihrer Eltern bei digitalen Themen und nicht umgekehrt. So kann man aber kaum Vertrauen aufbauen.“
Dem Verein Love Is More ist es ein großes Anliegen, Eltern und Pädagogen in diesem Bereich zu unterstützen. Wir möchten das Internet sicherer gestalten, Präventionsarbeit leisten, Eltern informieren sowie Kinder und Jugendliche vor Internetpornografie schützen. Wir wollen gesellschaftspolitisch wirken und Politiker, Pädagogen, Ärzte, Journalisten sowie Interessensvertretungen für dieses Thema verstärkt sensibilisieren.
Phil Pöschl (siehe Interview in Vision 5/18), Gründer von Love Is More: „Ganz wichtig: Im Gespräch bleiben. Von Anfang an. Mit Kindern über Sexualität sprechen, immer altersentsprechend und sensibel. Es beginnt beim Windelwechseln, die Dinge beim Namen nennen. Nie übertreiben, aber auf die Fragen des Kindes ehrlich antworten. Es ist eine Herausforderung, aber Aufklärung ist und bleibt Elternsache. Wenn wir es nicht tun, tun es andere. Wichtig ist auch, Sexualität und Pornografie auseinander zu halten: Das Eine ist real und wunderschön, das Andere virtuell, unecht, hässlich und kann uns nicht erfüllen.“

Die Autorin ist Mitarbeiterin bei Love Is More. Ausgebildete Referenten dieser Einrichtung beraten gerne Eltern, Pädagogen und alle Interessierten. Anfragen und Terminvereinbarungen über:
www.safersurfing.org/loveismore
Über diese Internetseite können auch relevante Bücher bezogen werden.

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