Es ist tragisch: Gerade in der Zeit, in der die Abtreibungszahlen hinaufschnellen und in der viele Frauen (und auf ihre Weise auch Männer) durch Abtreibung schwer traumatisiert sind, ist die Kirche Mitteleuropas in Gefahr, das Beichtsakrament zu verlieren! Beichten ist in höchstem Grad zeitgemäß - weil „zeitgemäß“ gerade das ist, was der Zeit fehlt.
Beichten ist nicht „Outen“ im modernen Sinn. Denn der, der sich outet, will zu sich stehen und zu dem, was er tut oder getan hat. Der Beichtende hingegen tut das Gegenteil: Er anerkennt die Sünde in seinem Leben und distanziert sich von ihr.
Dabei macht er eine doppelte Erfahrung: Der ihm zuhörende Priester verurteilt ihn nicht. Im Gegenteil, er hört ihm zu mit jener Art von Solidarität, die den Arzt mit dem Kranken verbindet und beide in einen gemeinsamen Kampf gegen das Übel führt. Die andere, viel wichtigere Erfahrung ist: Der Beichtende hat es nicht nur mit Menschen und Menschlichem zu tun.
Denn der Beichtpriester steht im Dienst eines Höheren und sein Auftrag ist klar umrissen: Vergebung vermitteln! Außerdem ist die Lossprechung nicht ein Reden „über“ Vergebung, sondern ein Wort, das gilt, unabhängig von den guten oder schlechten Eigenschaften des menschlichen Vermittlers: Es gilt, weil der Beichtvater ein geweihter Priester ist. Unwirksam wird dieses Wort nur dann, wenn der Beichtende selbst eigentlich gar nicht will, was er behauptet zu wollen: befreit zu werden von der Sünde.
Auszug aus einem Artikel in Vision 2/99