London, 20. November 1581. Die Geschworenen haben gerade ihr Urteil gefällt: P. Edmund Campion und mehrere Mittäter werden des Hochverrats schuldig gesprochen und zum Tod durch Erhängen verurteilt. Campion stimmt einen Freudenhymnus an: Te Deum laudamus. Te Dominum confitemur (Großer Gott, wir loben dich. Herr, wir preisen deine Stärke). Campion erklärt mit ruhiger Miene im Namen aller: „Wir fürchten uns nicht vor dem Tod. Wir wissen, dass wir nicht Herr über unser Leben sind ... Wir möchten nur eines anmerken: Indem ihr uns verurteilt, verurteilt ihr eure eigenen Vorfahren – alle früheren Priester, Bischöfe und Könige – und alles, was einst den Ruhm Englands ausmachte … Denn was haben wir gelehrt – auch wenn ihr es mit dem hässlichen Wort Verrat belegt –, was sie nicht alle schon gepredigt hatten? Dafür verurteilt zu werden, dass wir wie diese leuchtenden Geistesgrößen – nicht nur Englands, sondern der ganzen Welt – gesprochen haben, ist uns eine Freude und Ehre zugleich.“
Edmund Campion wurde am 1540 in London geboren. Im Alter von etwa zehn Jahren wurde er bei einem Händler in die Lehre gegeben. Als die Eltern jedoch seine geistigen Fähigkeiten erkannten, beschlossen sie, ihn weiter zur Schule zu schicken. 1557 wurde Edmund als Student auf das St. John’s College in Oxford aufgenommen, wo er sich eine solche sprachliche Virtuosität aneignete, dass er bald als der wortgewaltigste Mann seiner Zeit galt.
1558 starb Königin Mary Tudor. Ihre Nachfolgerin Elisabeth I. setzte die anglikanische Religion, die einen Kompromiss zwischen der schismatischen Staatskirche Heinrichs VIII. und dem lutherischen Protestantismus darstellte, im ganzen Königreich mit eiserner Hand durch. Studenten wurde ihr Abschlussdiplom erst ausgehändigt, wenn sie die geistliche Souveränität der Königin unter Eid bekräftigten. Der junge Campion hatte Freude an Erfolg und Beifall. So war er bereit, den Eid zu leisten. 1566 legte er die Prüfung zum Magister Artium ab und wurde ein beliebter Professor in Oxford. Als die Königin einmal die Universität besuchte, wurde er ausersehen, die Begrüßungsansprache zu halten.
In seinem Herzen blieb Edmund aber katholisch und missbilligte die neue Religion. Er fühlte sich hin- und hergerissen zwischen dem Erfolg, den ihm die Welt verhieß, und der Stimme seines Gewissens; er wartete ab. Im Geiste dieser Kompromissbereitschaft ließ sich Edmund im Frühjahr 1569 in der anglikanischen Kirche zum Diakon weihen und zahlte dafür mit quälenden Gewissensbissen. Obwohl er von mehreren Seiten unter Druck gesetzt wurde, lehnte er es wiederholt ab, sich zum anglikanischen Pfarrer ordinieren zu lassen und bat um die Erlaubnis, für einige Zeit das Land zu verlassen. Im September 1570 reiste er nach Irland.
In Dublin konnte Campion seinen katholischen Glauben ungehindert praktizieren. Er nutzte die ruhigen Monate dort, um eine Geschichte Irlands zu schreiben. Doch der englischen Königin gelang es bald, sowohl die britische Vorherrschaft als auch den Anglikanismus in Irland durchzusetzen. Campion stand auf der Fahndungsliste der englischen Behörden und beschloss, unerkannt in seine Heimat zurückzukehren. Als er ein Schiff nach England bestiegen hatte, kamen englische Offiziere an Bord und verkündeten, sie suchten einen gewissen Edmund Campion. Edmund war so erschrocken, dass er gar nicht erst versuchte, sich zu verstecken: Während der Durchsuchung des Schiffes wartete er auf der Brücke und betete zum heiligen Patrick, dessen Namen er sich geliehen hatte, um unerkannt zu reisen. Von allen Passagieren war er der Einzige, der nicht durchsucht wurde…
Bei Edmunds Rückkehr befand sich ganz England in Aufruhr: Die Exkommunikation der Königin durch den heiligen Pius V. und der Aufstand der Katholiken in Nordengland hatten eine blutige Verfolgung nach sich gezogen. Campion beschloss 1571, am englischen Kolleg in Douai (Flandern) weiterzustudieren. Schwerpunkt des Kollegs war das Studium der Heiligen Schrift. Die Studenten sollten in die Lage versetzt werden, gegen die Protestanten zu bestehen, die behaupteten, ihr Glaube gründe einzig und allein auf der Bibel.
Edmund verbrachte zwei Jahre dort und bereute nun, die Diakonatsweihe der anglikanischen Kirche empfangen zu haben. Zur Buße führte er ein überaus asketisches Leben und beschloss, in die Gesellschaft Jesu einzutreten.
Im Frühjahr 1573 reiste Campion nach Rom und bewarb sich bei den Jesuiten. Er wurde als Novize aufgenommen und der Provinz Österreich zugewiesen. Im Sommer 1575 legte Edmund das dreifache Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ab; nach Beendigung seines Studiums wurde er 1578 zum Priester geweiht.
Indessen hatte Edmund seine Heimat, in der nach wie vor die Verfolgung wütete, nicht aus den Augen verloren. Eines Tages erschien ihm die Gottesmutter und verriet ihm, er werde als Blutzeuge für den Glauben in England sterben. Man plante in Douai, zur Betreuung der Katholiken englische Priester nach England zu entsenden. Die beiden für diese gefährliche Mission vorgesehenen Patres, Edmund Campion und Robert Persons, reisten zunächst nach Rom. Am 18. April 1580 brach eine Gruppe von zwölf Engländern, darunter drei Jesuiten, mit dem Segen des Papstes aus der ewigen Stadt auf.
Die aktuellen Nachrichten aus England besagten, dass die Insel ein gefährliches Pflaster für katholische Priester geworden war. Campion war gleichwohl fest entschlossen: „Ich habe mich freiwillig Gott geweiht, für das Leben wie für den Tod, und ich bin zuversichtlich, dass er mir die Gnade und die Kraft schenken wird, um meinem Gelübde treu zu bleiben; das ist alles, was ich mir wünsche.“
Um keinen Verdacht zu erregen, sollten die Geistlichen getrennt zur Insel übersetzen. Im Juni 1580 betrat Edmund zum ersten Mal seit neun Jahren wieder heimatlichen Boden. Im ganzen Land waren von der Regierung eingesetzte Spione unterwegs, und viele Leute hatten keinerlei Bedenken, Priester an die Behörden auszuliefern. Ein katholischer Adliger, der wegen seines Glaubens im Gefängnis gesessen hatte, überredete die beiden Jesuiten, die Gründe für ihren Aufenthalt in England schriftlich niederzulegen – für den Fall, dass sie gefasst und vor Gericht gestellt würden. Campion verfasste daraufhin einen Text, der unter dem Namen Campion’s Challenge berühmt wurde: Er erklärte, er sei einzig und allein deswegen nach England gekommen, weil er den katholischen Glauben den Gläubigen wieder nahebringen wollte, die sich von ihm entfernt hatten.
Um den Glauben der Katholiken im Königreich zu stärken, verfasste Campion ein Buch, das im Juni 1581 unter dem Titel Rationes decem (Zehn Gründe) erscheinen sollte. Er führt darin zehn fundamentale Gründe an, aus denen der Protestantismus nicht richtig sein kann, und zwar anhand der fünf Themenkreise: Heilige Schrift, Kirchenväter, Konzile, Sichtbarkeit der Kirche und Unstimmigkeiten in den protestantischen Positionen.
Campion verweist darauf, dass die Reformatoren trotz ausdrücklicher Einladung nie bereit gewesen seien, am Konzil von Trient teilzunehmen (1545-1563), und dass sie das Zeugnis der ökumenischen Konzile abgelehnt hätten. „Wenn der Geist Gottes auf die Kirche herabscheint“, schreibt er, „so ist der günstigste Moment für seinen göttlichen Beistand dann gekommen, wenn die größte Urteilsreife, die höchste Wissenschaft und Weisheit sowie die Würde sämtlicher Kirchen der Erde in einer Stadt versammelt sind.“
Im letzten Teil seines Buches macht der Jesuit auf zahlreiche Widersprüche bei den Reformatoren aufmerksam. So behaupte Luther durch seine Rechtfertigungslehre allein durch den Glauben, der Christ sei zum einen gerecht vor Gott, zum anderen aber in höchstem Maße verachtungswürdig, da seine Sünden nicht vergeben, sondern lediglich übergangen werden. Calvin mache durch seine Prädestinationslehre Gott für die Verdammnis verantwortlich. Edmund Campions Buch war ein großer Erfolg, wurde in viele Sprachen übersetzt und ist heute noch erhältlich.
Kurz nach Erscheinen des Buches nahm Edmund die Einladung einer katholischen Familie nach Lyford an. Dort wurde er von einem Verräter denunziert, am 17. Juli 1581 verhaftet und einige Tage später in den Londoner Tower verlegt. Man warf ihm vor, er sei zusammen mit anderen Jesuiten als Agent des Papstes und weiterer fremder Mächte nach England geschickt worden, um die englische Krone zu stürzen. Er wurde zunächst in eine winzige dunkle Zelle gesperrt, in der er weder stehen noch liegen konnte.
Am 25. Juli wurde Campion von drei Mitgliedern des königlichen Rates verhört und nach dem wahren Grund seiner Englandreise befragt. Er erklärte, seine Motive seien rein religiöser und keineswegs politischer Natur gewesen; er erkenne Königin Elisabeth als legitime Herrscherin des Königreichs an. Nach dem Verhör wurde das Gerücht gestreut, der Gefangene sei im Begriff, dem Katholizismus abzuschwören und Anglikaner zu werden; man biete ihm sogar ein Bistum an. In Wirklichkeit blieb Campion so standhaft, dass er der Folter unterworfen wurde, um in Erfahrung zu bringen, ob er an den Umsturzbestrebungen Spaniens beteiligt war, und um ihn dazu zu bewegen, die Namen der Personen zu verraten, die ihn beherbergt oder seine Dienste als Pfarrer in Anspruch genommen hatten.
Durch einen privaten Brief aus der Hand eines Regierungsmitglieds weiß man, dass Campion jede Aussage verweigerte. Dennoch ließ der königliche Rat allenthalben verbreiten, der Gefangene habe Mitstreiter denunziert und Beichtgeheimnisse verraten; Edmunds Ruf litt sehr unter dieser Verleumdung.
Viermal hatte der P. ein Streitgespräch mit anglikanischen Theologen zu bestehen, die versuchten, seine Aussagen zu widerlegen. Der Angeklagte verfügte weder über die Mittel, sich angemessen vorzubereiten (man gestand ihm lediglich eine Bibel zu), noch über die Möglichkeit, seinen Kontrahenten Fragen zu stellen. Zudem war er durch die erlittene Folterung körperlich völlig erschöpft. Einmal war er so geschwächt, dass einer der Beisitzer ihm aus christlicher Nächstenliebe das Wasserglas zum Mund führen musste, weil er nicht einmal mehr den Arm heben konnte. Edmund gelang es trotzdem, alle Fragen zu beantworten und seine Gegner in Verlegenheit zu bringen.
Zeugen bekräftigten später, dass angesichts der körperlichen Schwäche Campions seine klaren Antworten bereits an sich einen greifbaren Beweis für den Beistand des Heiligen Geistes geliefert hätten.
Am 20. November, dem Fest des heiligen Königs und Märtyrers Edmund, wurden P. Campion und seine Mitbrüder nach einer nur einstündigen Beratung der Geschworenen zum Tode verurteilt. Am 1. Dezember wurden die Jesuitenpatres Edmund Campion, Ralph Sherwin und Alexander Briant vom Londoner Tower zum Richtplatz geführt. Edmund grüßte das Volk: „Gott möge euch alle retten! Gott möge euch segnen und gute Katholiken aus euch machen!“
Dann kniete er nach Osten gewandt nieder und betete mit den Worten Jesu auf dem Kalvarienberg: In manus tuas, Domine, commendo spiritum meum (In deine Hände, Herr, befehle ich meinen Geist). Anschließend sprach er das Credo und das Vaterunser. Man forderte ihn auf, die Königin um Vergebung zu bitten. „Womit soll ich sie beleidigt haben? Ich bin unschuldig. Ich habe für sie gebetet und tue das nach wie vor.“ Seine letzten Worte waren: „Ich sterbe als wahrer Katholik.“
Von den Päpsten Leo XIII. und Pius XI. wurden 199 englische und walisische Märtyrer seliggesprochen; 40 dieser Blutzeugen sprach Paul VI. im Jahre 1970 heilig; ihr Fest wird jedes Jahr am 25. Oktober begangen. Unter diesen Heiligen sticht Edmund Campion durch seine Intelligenz, seine Güte, seine Tatkraft und seine Sanftmut hervor. Er war nicht nur ein besonders begabter Mann, sondern auch ein großer Heiliger, der auf eine glanzvolle weltliche Karriere verzichtete, um zusammen mit Christus zu leiden.