Während wir uns dem Jahr 2000 nähern, schauen wir zurück auf die Wegstrecke, die unsere Vorfahren durch die Jahrhunderte zurückgelegt haben. Sie hinterließen uns das große Erbe einer kreativen Arbeit, die heute in uns Bewunderung und Dankbarkeit hervorruft. Die Mühe der Arbeit und die Werke vergangener Generationen stellen für uns eine Herausforderung dar, weiterhin uns die Erde untertan zu machen, die uns vom Schöpfer als Besitz und Aufgabe übergeben wurde. Wenn wir die Einladung, welche die vergangenen Jahrhunderte an uns richten, annehmen, dürfen wir nicht die göttliche Perspektive vergessen, am Schöpfungswerk Anteil zu nehmen, das jedem menschlichen Bemühen wahren Sinn und Würde gibt. Ohne sie kann der Arbeit leicht ihre subjektive Dimension genommen werden. In diesem Fall verliert der Mensch, der diese Arbeit ausführt, seine Bedeutung, und es zählt nur noch der materielle Wert seiner Tätigkeit. Der Mensch wird nicht mehr als Künstler behandelt, wie der, der schöpferisch tätig ist, sondern wie ein Produktionsinstrument.
... Nun, es werden mehr oder weniger überall im Namen der Marktgesetze die Menschenrechte vergessen. Dies passiert zum Beispiel, wenn man glaubt, daß der wirtschaftliche Gewinn den Verlust eines Arbeitsplatzes rechtfertige, wodurch der Mensch nicht nur die Arbeit, sondern auch jede Perspektive zur Selbsterhaltung und zur Erhaltung der Familie verliert. Dies passiert auch, wenn dem Arbeiter aus Gründen der Produktionserhöhung das Recht auf Freizeit, das Recht für seine Familie zu sorgen, das Recht auf die Freiheit, seinen Alltag zu gestalten, abgesprochen wird.
So ist es immer dann, wenn der Wert der Arbeit nicht nach menschlicher Arbeitskraft, sondern nach dem Preis des Produktes definiert wird. Das führt dazu, daß der Lohn nicht mehr dem Arbeitsaufwand angemessen ist.
Man muß jedoch auch hinzufügen, daß dies nicht nur die Arbeitgeber betrifft, sondern auch die Angestellten. Auch wer eine Arbeit annimmt, kann der Versuchung erliegen, sie als ein Objekt und lediglich als Quelle zur materiellen Bereicherung zu nutzen. Die Arbeit darf das Leben des Menschen nur bis zu dem Punkt bestimmen, an dem er noch das Bedürfnis verspürt, sich auch um seine Gesundheit, die Entwicklung seiner Persönlichkeit, um das Glück seiner Lieben und um die Pflege seiner Beziehung zu Gott zu kümmern.
Wenn ich heute darüber spreche, tue ich dies, um das Gewissen zu sensibilisieren. Auch wenn tatsächlich die staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen nicht ohne Einfluß auf die Einstellung zur Arbeit bleiben, ist deren Würde dennoch vom menschlichen Gewissen abhängig. In ihm erfüllt sich definitiv ihre Bewertung. Denn im Gewissen wird ununterbrochen die Stimme des Schöpfers hörbar, der auf das hinweist, was ein echtes Gut für den Menschen und für die ihm anvertraute Welt ist. Wem das rechte Gewissensurteil abhanden gekommen ist, für den kann sich der Segen der Arbeit auch in einen Fluch verwandeln.
Auszug aus der Ansprache am 14. Juni in Sosnowiec, Polen