Neun Jahre Gefängnis, drei Jahre Verlust der politischen Rechte und 50.000 Yuan Bußgeld. So die schwere Strafe für Pastor Wang Yi. Der Vorwurf? Äußerungen in sozialen Netzwerken, die als „Anstiftung zur Subversion“ eingestuft wurden. Vor einem Jahr hatte der Pastor auf seiner Facebook-Seite „Meditationen über den religiösen Kampf“ angestellt und den „Kaiserkult“, den man Xi Jinping entgegen bringt, angeprangert.
Am Tag darauf, in der Nacht vom 9. auf den 10. Dezember 2018 dringt die Polizei in die Räume der „Kirche des Bundes des Herbstregens“, der Untergrund-Gemeinschaft, in der er in der Stadt Chengdu im Südwesten des Landes wirkt. Zehn Gläubige, darunter der Pastor und seine Frau werden verhaftet. Sie wird sechs Monate später entlassen. Er wird ein Jahr im Gefängnis warten bis zu seinem Urteil, das chinesische Gerichte gern zu Weihnachten fällen, wenn man im Westen mit anderem beschäftigt ist.
Denn Pastor Wang Yi ist im Westen bekannt. Als Rechtsanwalt, bekannt für seine Blogs und Filmkritiken, wurde er lange als bedeutender Intellektueller im Land angesehen. 2005, nach seiner Bekehrung zum Christentum setzte er sich für Religionsfreiheit ein. 2006 war er gemeinsam mit anderen engagierten chinesischen Christen mit George Bush im Weißen Haus zusammengetroffen. Weil er sich der Gefahr bewusst war, hatte er seiner Kirche einen Brief anvertraut, die sie 48 Stunden nach einer möglichen Verhaftung veröffentlichen sollte. Darin rief er zu einem „treuen Ungehorsam“ auf und erinnerte daran, „dass es nicht das Ziel des Ungehorsams sei, die Welt zu verändern, sondern Zeugnis für eine andere Welt abzulegen.“
Solche Gedanken finden in Peking keinen Anklang, da sich in der Ära des Präsidenten Xi Jinping eine ausgeprägte religionsfeindliche Politik Bahn bricht. In China ersetzt sein Portrait immer öfter fromme Bilder. In Yugan beispielsweise verspricht eine Werbekampagne Leuten, die Kruzifixe gegen Bilder des Präsidenten austauschen, eine Belohnung. Das Motto: „Verwandeln wir den religiösen Glauben in den Glauben an die Partei!“
Pekings Politik beschränkt sich nicht darauf, Kreuze in Kirchen abzuhängen und Andachtsgegenstände verschwinden zu lassen. Sie schließt auch christliche Schulen und verlangt sogar eine kommunistische Bibelübersetzung! Bei einer Sitzung am 6. November rief der chinesische Machtapparat die Vertreter der wichtigsten christlichen Gemeinschaften dazu auf, ihre Bibelübersetzungen zu überarbeiten, um sie in Einklang „mit den Erfordernissen einer neuen Zeit“ zu bringen.
Famille Chrétienne v. 30.12.19