Mehr als die Epidemie des Coronavirus müssen wir die Epidemie der Angst fürchten! Ich für meinen Teil weigere mich, der kollektiven Panik nachzugeben und mich dem Vorsorgeprinzip zu unterwerfen, das die weltlichen Institutionen zu bewegen scheint. Ich habe also nicht die Absicht, spezifische Anweisungen für meine Diözese zu erteilen: Werden Christen aufhören zusammenzukommen, um zu beten? Werden sie es aufgeben, ihre Mitmenschen zu treffen und ihnen zu helfen? Abgesehen von den elementaren Vorsichtsmaßnahmen, die jeder spontan trifft, wenn er krank ist, um andere nicht anzustecken, ist es nicht ratsam, weitere hinzuzufügen. (…)
Zeigt die kollektive Panik, die wir heute erleben, nicht unsere verzerrte Beziehung zur Realität des Todes? Macht sie nicht die Angst erzeugenden Folgen des Gottesverlusts sichtbar? Wir wollen uns nicht eingestehen, dass wir sterblich sind (…) und blenden aus, dass wir nicht die Herren des Lebens sind! (…)
Wir scheinen alle den Kopf zu verlieren! Auf jeden Fall leben wir in einer Lüge. Warum konzentrieren wir uns plötzlich nur auf das Coronavirus? Warum verdrängen wir, dass jedes Jahr in Frankreich die übliche saisonale Grippe zwischen 2 und 6 Millionen Menschen betrifft und rund 8.000 Todesfälle verursacht? Wir scheinen auch die Tatsache aus unserem kollektiven Gedächtnis verdrängt zu haben, dass Alkohol für 41.000 Todesfälle pro Jahr verantwortlich ist, während geschätzte 73.000 Tote auf Tabak zurückzuführen sind!
Es liegt mir daher fern, Kirchen zu schließen, Hl. Messen auszusetzen, den Friedensgruß während der Eucharistie auszulassen, diese oder jene Art des Kommunionempfangs vorzuschreiben, weil sie als hygienischer angesehen wird, denn eine Kirche ist kein Ort der Gefahr, sondern ein Ort der Erlösung. Es ist ein Raum, in dem wir den willkommen heißen, der das Leben ist, Jesus Christus, und in dem wir durch Ihn, mit Ihm und in Ihm lernen, gemeinsam zu leben. Eine Kirche muss bleiben, was sie ist: ein Ort der Hoffnung!
Sollten wir uns zu Hause abschotten? Sollten wir den Supermarkt in der Nachbarschaft leer räumen und Reserven anlegen, um uns auf ein längeres Ausharren vorzubereiten? Nein! Weil ein Christ den Tod nicht fürchtet. Er ist sich bewusst, dass er sterblich ist, aber er weiß, wem er sein Vertrauen geschenkt hat. (…)
Und dann gehört ein Christ nicht sich selbst, sein Leben ist ihm geschenkt, denn er folgt Jesus nach, der lehrt: „Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten“ (Markus 8, 35). Er setzt sich sicher nicht unnütz einem Risiko aus, aber er versucht auch nicht, sich selbst zu bewahren. Er folgt seinem gekreuzigten Herrn und Meister und lernt, sich im Hinblick auf das ewige Leben großzügig in den Dienst seiner zerbrechlichsten Brüder zu stellen.
Laßt uns also nicht der Epidemie der Angst nachgeben! Laßt uns nicht „lebendige Tote“ sein! Wie Papst Franziskus sagen würde: Laßt nicht zu, daß man Euch Eurer Hoffnung beraubt!
Auszug aus einem Hirtenbrief des Bischofs von Ars und Belley-