VISION 20003/2020
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Fürchtet Euch nicht!

Artikel drucken Lehren aus der Corona-Krise (Christof Gaspari)

Seit gut zwei Monaten leben wir nun im Ausnahmezustand.  Höchste Zeit, möglichst nüchtern auf unsere Erfahrungen zurückzublicken, Bilanz zu ziehen und Lehren aus dem Geschehen zu ziehen. Das sei im Folgenden versucht:

Dazu eine Vorbemerkung: Ich bin dem Herrn dankbar, dass ich meine Gedanken erst jetzt, da sich die Krise ihrem Ende zuneigt, schreibe. Denn zweitweise haderte ich stark mit der Situation, in der wir uns befanden: Bedrängt, möglichst daheim zu bleiben, auf keinen Fall einkaufen zu gehen; kaum Kontakte zur Familie, nur an der Tür, wenn wir mit Lebensmitteln versorgt wurden;  keine Kommunion; Beschränkungen, von denen ich überzeugt war, sie seien total überzogen…
Hätte ich mich da zu Wort gemeldet, wäre viel Anklage zur Sprache gekommen. Das hätte wohl zusätzlich Gräben aufgerissen zwischen jenen, die das Vorgehen von Regierung und Kirche total bejahen, und jenen, die es überzogen finden. Damit wäre niemandem gedient gewesen.
Das festzustellen, heißt nicht: Schwamm drüber! Dazu war der Eingriff zu massiv. Was es nun braucht, ist eine möglichst leidenschaftslose Analyse im Hinblick auf einen Lernprozess, an dem alle Anteil nehmen können.
Erster Punkt: Vorsicht im Umgang mit den Medien. Wann immer die marktbeherrschenden Medien ins selbe Horn blasen, ist Vorsicht angesagt. Wenn Fernseh-Moderatoren dazu übergehen, von der Rolle des Kritikers an Entscheidungsträgern zu deren Stichwortlieferanten zu mutieren, ist Alarmstufe eins. Und wenn im Parlament einstimmig massive Einschränkungen der Menschenrechte beschlossen werden, ist Feuer am Dach. Denn Grundrechte sind nun einmal Rahmenbedingungen, die auch in Krisensituationen ihre Gültigkeit behalten.
Spätestens dann gilt es, der Frage nachzugehen, ob die Bedrohung, die uns so eindrücklich vor Augen gestellt wird, auch tatsächlich gravierend ist. Gott sei Dank gibt es das Internet, in dem man auch andere Sichtweisen als die offiziell verkündeten findet. Sich da umfassend zu informieren, macht es möglich, die Lage realistisch zu beurteilen. Das hilft, der um sich greifenden Angst, ja Panik nicht zu erliegen, und gibt Mut, sich zu Wort zu melden – und das ist wichtig.
Damit bin ich bei meinem zweiten Punkt: Komplexe Systeme, wie sie unsere modernen Gesellschaften nun einmal sind, vertragen keine massiven, kurzfris­tig verordneten, einseitigen Eingriffe. Das erzeugt unzählige negative Nebenwirkungen wie jede „Medizin“, die Wirkung zeigen soll. Im konkreten Fall werden ja schwerwiegende wirtschaftliche Folgen bereits sichtbar: über 1,8 Millionen Österreicher ohne Job oder in Kurzarbeit, der Fremdenverkehr parterre, die Staatsfinanzen schlittern ins Chaos…
Obwohl viele Leute in der Ruhigstellung positive Erfahrungen machen konnten (mehr Ruhe, Gespräche in der Familie…), werden gravierende Folgen des Eingeschlossenseins nicht ausbleiben:  Kum­mer (Sterbende nicht begleitet, Einsame nicht besucht zu haben), Angst, Vereinsamung,  psychische Belastung (sich wochenlang isoliert fühlen, mit den Gedanken im Kreis gehen…) werden Spuren hinterlassen.
Selbst im Fall einer Pandemie sind so massive Eingriffe nicht zu rechtfertigen. Zwar beeindruckt das Wort den Laien. Es suggeriert eine weltweite existentielle Gefahr. Tatsächlich  bezeichnet es nur eine weit verbreitete ansteckende Krankheit, die durchaus nicht bedrohlich sein muss. Wer sich da primär auf die Expertise von Virologen und Modellbauern – seien sie auf ihrem Gebiet noch so kompetent – hält, muss fehlgehen.
Die Bekämpfung von Viren darf nicht zur obersten politischen Maxime werden, es sei denn der Erreger sei wirklich tödlich, was im konkreten Fall einfach nicht zutrifft. Ihn zur größten Herausforderung seit dem 2. Weltkrieg hochzujubeln, ist eine arge Irreführung.
Das führt zur dritten Feststellung: Die politische Reaktion der letzten Wochen ist auf dem geistigen Hintergrund unserer Gesellschaft zu verstehen: Gesundheit hat sich längst zum obersten Wert gemausert. „Hauptsache g’sund bleiben“, wünschen wir uns zu Neujahr und jetzt: „Bleiben Sie gesund!“ Eine ORF-Sendung machte dies deutlich. Dort stellte der Wiener Philosoph Prof. Konrad Liess­mann fest: „Wir dürfen uns von verschiedenen Formulierungen nicht verleiten lassen, über das Leben hinauszudenken… Der Tod ist das radikale Ende aller Erfahrungsmöglichkeiten. Das Leben ist das einzige, was wir haben. Wir haben sonst nichts. Es muss die oberste Maxime sein (…) für all unsere anderen ethischen Handlungen.“ (ORF III Sendung erLesen v. 28.4.20. um 22:30 Uhr)
Auf diesem Hintergrund versteht man, warum ein Großteil der Bevölkerung bereit war, solche Einschränkungen hinzunehmen, ja sie sogar mit Vehemenz gegen eventuell geäu­ßerte Kritik zu verteidigen. Gesundheit ist zum Götzen der Wohlstandsgesellschaft geworden. Die Welt von heute verirrt sich in der Gottferne und wird früher oder später im Chaos landen.
Der Herr bringt das an vielen Stellen zum Ausdruck. In den Abschiedsreden sagt Er uns klipp und klar: „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,5) – nichts! Ohne Gott geht der Mensch in die Irre. Psalm 81 erklärt gut, wie sich die Tragödie aus der Sicht Gottes abspielt: „Mein Volk hat nicht auf meine Stimme gehört; Israel hat mich nicht gewollt. Da überließ ich sie ihrem verstockten Herzen, und sie handelten nach ihren eigenen Plänen.“ (Ps 81, 12f) Und Er lässt auch uns in die Irre gehen.
Und damit bin ich bei meiner vierten Bemerkung, der wichtigs­ten: das Verhalten der Kirche in der Krise. Ich betone noch einmal, dass es mir nicht um eine Schelte der Hirten geht, obwohl ich einiges an deren Aussagen in den letzten Wochen zu kritisieren hätte. Es geht mir vielmehr um das Bild das sie in der Öffentlichkeit abgegeben haben. Welche Chance wurde da verpasst, dafür Zeugnis zu geben, dass das Brot des Lebens, das die Kirche spendet, in der Krise mindestens so wichtig ist wie das Angebot im Supermarkt! Dass Gott die Dinge zum Guten wendet, wenn wir gemeinsam und öffentlich ein Anliegen vor Ihn hintragen. Die Apostelgeschichte erzählt, wie Er reagiert, wenn die Apostel bitten: „Gib deinen Knechten die Kraft, mit allem Freimut dein Wort zu verkünden. Streck deine Hand aus, damit Heilungen und Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesus.“ (Apg 4,29f) Und dann bebte die Erde „und alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt.“ Welcher Kontrast zwischen dem Handeln der Apostel nach Pfings­ten und dem Verhalten der Kirche in unseren Tagen!
Ja, wir hatten nicht einmal den Mut, die Entscheidungsträger auf ihre Inkonsequenz hinzuweisen: Dass sie alles unternehmen, um einen Virus zu stoppen, aber die eigentliche Pandemie, die zu 100% tödlich verläuft, nämlich das Töten der Kinder im Mutterleib munter weiter betreiben (Siehe S. 26-27).
Wir Christen haben Umkehr nötig – wir alle, Hirten und Herde. Wir können es uns nicht gefallen lassen, dass Pries­tern der Zutritt zu Sterbenden verboten wird. Wir müssen nicht peinlich in der Kirche Abstand von einander halten, wenn wir uns gleichzeitig im Supermarkt fast auf Tuchfühlung aus dem Regal bedienen. Wir brauchen mutige Propheten, die uns daran erinnern, dass unsere Welt nicht durch perfekte Hygiene, sondern durch Hinwendung zum Herr gerettet wird. Viele kritische Geister hätten diese Botschaft geschätzt.
Gott sei Dank nützt der Herr sogar unser Versagen. Ich habe es in diesen Wochen, in denen ich Messe am Bildschirm mitgefeiert habe, erlebt: Wie sehr ist mir bei dieser Notlösung die wahre Feier abgegangen! Und ich erkannte, mit welcher Routine ich die Kommunion empfangen hatte. Wie wenig war ich mir deren Kostbarkeit – siehe den Kasten S. 11 – bewusst! Wie schwer tat ich mir, die Situation einfach anzunehmen! Nur langsam wurde mir bewusst, dass der Herr uns in diesen Wochen die Gelegenheit gab, Ihm näher zu kommen, mehr zu beten, zu erkennen, dass das Annehmen dessen, was uns zustößt, auch segensreich sein kann.




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