Ich deute die Lautlosigkeit der Kirche als Folge ihrer Verweltlichung. Wenn sie nur auf ihre historische, zeitliche Dimension schaut, dann bedeutet die Schließung einer Kirche eben nichts anderes als die eines Theaters, dann wird das Zusammenkommen in der Kirche so wie eine Kinovorstellung, dann wird der Besuch der Messe wie die Teilnahme an einer Wahlveranstaltung. Verloren geht die spirituelle Dimension, der Leib Christi.
Bei der Messe, einer Taufe oder einem Begräbnis wissen die Gläubigen, dass es eine Ansteckungsgefahr gibt, aber sie wissen diese auch einzuschätzen, sie wissen, wie man sie verringert, vermeidet.
Wenn sie jedoch um ihres Wohles willen die der Kirche zustehenden Entscheidungen dem Staat übertragen, dann verkürzt der Staat die Kirche auf ihre institutionelle, öffentliche Funktion – und die Kirche passt sich an dieses Maß an. Ich bin betroffen von so viel Schweigen und traurig, mit welchem Eifer die vom Staat verordneten Sicherheits- und Vorsichtsmaßnahmen umgesetzt werden. (…)
Ich befürchte, dass sich etwas ereignet hat, was kurzfristig nicht wieder gut gemacht werden kann. Die Kirche ist auf die Moderne zugegangen, hat mit dem Zeitgeist geflirtet und hat sich modern gegeben. Ein traumatisches Ereignis, denn es bedeutet den Übergang von der Dimension der Rettung, der Eschatologie hin zu jener der Freiheit, der Ideologie. Eine ideologisierte Kirche, die sich um die soziale Gerechtigkeit, die Menschenrechte, den Fortschritt kümmert, was hat die noch zu sagen? Sie wird zu einer der weltlichen Stimmen unter vielen anderen.
Der Autor ist em. Prof. für Philosophie in Pisa, war bis 2006 Senatspräsident und veröffentlichte 2004 mit Kardinal Ratzinger das Buch Senza radici.
Auszug aus: La Nuova Bussola Quotidiana v. 4.5.20