In den Jahren 1926-1929 waren die Katholiken in Mexiko einer grausamen Verfolgung ausgesetzt, die viele Märtyrer schuf; mehrere von ihnen wurden seither zur Ehre der Altäre erhoben. Am 20. November 2005 sprach Kardinal Saraiva Martins im Namen des Papstes in Guadalajara, einer mexikanischen Großstadt, 13 dieser Märtyrer selig, darunter den Teenager José Sánchez del Río, „der mit 14 Jahren ein mutiges Zeugnis für Jesus Christus abgelegt hat.“
José wurde am 28. März 1913 in Sahuayo im mittleren Westen Mexikos geboren. Sein Vater Macario stammte aus einer ursprünglich spanischen Familie, seine Mutter María aus einem alten indianischen Geschlecht. José hatte zwei ältere Brüder sowie eine jüngere Schwester. Die tiefgläubige Familie del Río war wohlhabend und genoss einen guten Ruf; sie besaß eine florierende Ranch im Süden der Stadt. José empfing im Alter von viereinhalb Jahren das Sakrament der Firmung. Er besaß einen angenehmen, lebhaften und schelmischen Charakter; seinen Eltern gegenüber zeigte er sich folgsam und liebevoll. Er begleitete seine Mutter gern in die Kirche und beteiligte sich eifrig am Religionsunterricht.
Nach der Revolution von 1910 gaben die Freimaurer, die in Mexico die Macht besaßen, 1917 dem Land eine neue Verfassung. Diese enthielt mehrere kirchenfeindliche Artikel, die in bestimmten Landesteilen von 1920 an zur Anwendung kamen. José empfing mit 9 Jahren die Erstkommunion. Eine besonders innige Verehrung brachte er Unserer Lieben Frau von Guadalupe, der Patronin Mexikos, entgegen und betete fleißig den Rosenkranz.
1924 wurde der Atheist und Freimaurer Plutarco Calles zum Präsidenten Mexikos gewählt. Die Schikanen gegen die Kirche nahmen zu. Die Geistlichen versteckten sich. Die Regierung untersagte ihnen unter Androhung der Todes- oder einer Gefängnisstrafe das Feiern von Messen und das Spenden von Sakramenten; die Gläubigen durften nicht mehr öffentlich beten. Innerhalb weniger Monate wurden zahlreiche Katholiken ermordet oder festgenommen, weil sie gegen die Verbote verstoßen hatten. Die Gewalt führte schließlich zu einem landesweiten Aufstand. Von Bauern, Handwerkern und Standespersonen wurden kleine zivile Kampfgruppen gebildet, die man als Cristeros bezeichnete. Ihr Schlachtruf lautete: „Es lebe Christus, der König! Es lebe die Jungfrau von Guadalupe!“
Josés ältere Brüder schlossen sich dem Cristero-Aufstand unter dem Kommando von General Ramírez an, der in der Region Sahuayo operierte. Auch in José erwachte der Wunsch, sein Leben für die gute Sache zu opfern, obwohl er noch nicht alt genug war, um seinen Brüdern zu folgen; seine Eltern lehnten das Vorhaben vorerst strikt ab. Doch er ließ davon nicht ab. Die Absagen, die er erhielt – er war gerade 14 Jahre alt geworden – bestärkten ihn nur in seiner Absicht; schließlich erhielt er die Zustimmung und den Segen seines Vaters.
Im Sommer 1927 reiste José begleitet von Juan Flores Espinosa, einem jungen Kameraden, der vom selben Ideal beseelt war, in das Lager Cotija. Trotz einiger Hindernisse gelang es den beiden Jungen, den berühmten General Prudencio Mendoza zu treffen. Dieser führte ihnen die Gefahren des Krieges und das harte Leben in den Lagern vor Augen. José erwiderte, er könne den Soldaten bei verschiedenen Aufgaben im Lager behilflich sein: sich um die Pferde kümmern, kochen usw. Als der General sich vom Ernst und von der Aufrichtigkeit der beiden Jungen überzeugt hatte, vertraute er sie dem Cristero-Anführer Rubén Guízar Morfín an.
Von da an stand José im Dienste seiner Waffenbrüder und erfüllte seine Aufgaben mit bewundernswerter Einsatzbereitschaft. Aufgrund seiner vielfältigen Begabungen, seiner menschlichen Qualitäten, seiner religiösen Inbrunst und seiner Unerschrockenheit wurde er von allen geschätzt und respektiert. Da er befürchtete, dass die Partisanen von Präsident Calles sich an seiner Familie rächen könnten, wenn sie von seinem Einsatz erführen, nannte er sich fortan José Luis und wurde der Nachwelt unter diesem Namen bekannt. Am Abend des 12. Dezember, dem Fest Unserer Lieben Frau von Guadalupe, rief ihn General Guízar vor versammelter Mannschaft zu sich: „Komm her, José Luis. Als Zeichen meines Vertrauens ernenne ich dich offiziell zum Fahnenträger und Signalhornisten der Truppe. Das bedeutet, dass du bei unseren Beobachtungsmissionen mit der Truppe ausrücken wirst.“ José Luis war selig.
Am 6. Februar 1928 geriet General Guízar bei einem Zusammenstoß mit den feindlichen Truppen in große Gefahr: Sein Pferd wurde von einer Kugel tödlich getroffen. José Luis rief ihm mit heroischem Mut zu: „Nehmen Sie mein Pferd, Herr General, und retten Sie sich. Für unsere Sache sind Sie wichtiger als ich!“ Guízar entkam, doch der Junge und einer seiner Gefährten namens Lázaro wurden gefangen genommen. Man brachte sie nach Cotija, wo sie General Guerrero, einem der brutalsten Verfolger der Cristeros, vorgeführt wurden. José klagte trotz der vielen Schläge, die er einstecken musste, nicht; er suchte Kraft im Gebet, um die Demütigungen und die Folter zu ertragen.
Der General konfrontierte ihn mit dem Vorwurf, gegen die Regierung zu kämpfen, und lud ihn gleich darauf ein, sich seinen Truppen anzuschließen. Der Junge antwortete: „In Ihren Reihen kämpfen? Sie träumen! Ich bin Ihr Feind! Lieber sterbe ich!“ Von soviel Ungestüm überrascht, ließ Guerrero ihn ins Gefängnis werfen. Im Kerker erkannte José, dass er sich nun darauf vorbereiten musste, sein Leben Gott darzubringen. Am Abend bekam er von den Gefängniswärtern Schreibzeug und schrieb einen Brief an seine Mutter: „Liebe Mama: Ich wurde bei der heutigen Schlacht gefangen genommen und werde sterben, aber das ist nicht so wichtig, Mama. Schick dich in Gottes Willen, ich sterbe zufrieden, weil ich in Treue zu den Geboten des Herrn sterbe. … Sei mutig und sende mir deinen Segen zusammen mit dem Segen Papas. Ich grüße alle ein letztes Mal; empfange du das Herz deines Sohnes, der dich liebt und dich gern gesehen hätte, bevor er stirbt.“
Die Gefangenen wurden in die St. Jakobuskirche gebracht, die als Gefängnis genutzt wurde. Gleich beim Eintreten sah José mit Abscheu, dass der heilige Ort profaniert worden war. Die Soldaten benahmen sich anstößig, hier und da standen Pferde angebunden, und eine Kapelle war zum Hühnerhof umfunktioniert. Der Tabernakel diente als Sitzstange für die Kampfhähne des Abgeordneten Picazo, der Altar war mit Hühnerkot beschmutzt. Nach Einbruch der Nacht, als die Wachen eingeschlafen waren, gelang es José, seine Fesseln abzustreifen. Er tötete die Hähne und säuberte den Altar. Als Picazo davon erfuhr, geriet er in Wut. Er fragte José, ob er sich der Schwere seines Vergehens bewusst sei. Der Junge erwiderte selbstsicher: „Das Haus Gottes ist zum Beten da, nicht zum Unterbringen von Tieren … Ich bin zu allem bereit. Erschießen Sie mich, damit ich gleich vor den Herrn trete und ihn bitte, Er möge Sie bestrafen!“ Picazo befahl daraufhin: „Holt den jungen Lázaro her und knüpft ihn an einem Baum auf dem Hauptplatz auf! Und José soll der Hinrichtung beiwohnen.“ – „Rühren Sie Lázaro nicht an! Er hat nichts getan!“, rief José. Am Abend wurden die Gefangenen auf den Hauptplatz der Stadt geführt, wo Lázaro unter Josés Augen an einem Baum aufgehängt wurde. Durch eine glückliche Fügung starb Lázaro jedoch nicht, sondern wurde von einem barmherzigen Samariter gerettet und gesund gepflegt…
José wurde ins Kirchengefängnis zurückgebracht. Man sperrte ihn in die Taufkapelle, wo er zuweilen zu einem kleinen Fenster hochkletterte, um hinauszusehen. Wegen seines jugendlichen Alters, aber auch wegen der besonderen Stellung seines Vaters wollte man ihn gegen ein hohes Lösegeld freilassen. Man informierte Don Macario über die Verhaftung seines Sohnes und teilte ihm mit, er müsse 5000 Goldpesos bezahlen, wenn er seinen Sohn wiedersehen wolle. Don Macario war bereit, all sein Hab und Gut zu verkaufen, um seinen Sohn zu retten. Als José davon sowie von der Bedingung erfuhr, dass er seinen Glauben öffentlich verleugnen müsse, lehnte er alles ab: „Sagen Sie meinem Vater, er solle Picazo keinen Pfennig geben; ich habe mein Leben Gott geopfert.“
Am 10. Februar, einem Freitag, kündigte man José an, dass er noch in derselben Nacht hingerichtet werde. José bat um Papier und Tinte und schrieb einen Brief an seine Tante María: „Liebe Tante, ich bin zum Tode verurteilt. Um halb neun heute Abend wird der herbeigesehnte Moment kommen! Ich danke dir für alles, was du mit Tante Magdalena für mich getan hast. Ich fühle mich nicht in der Lage, meinem Mamachen zu schreiben. Sei so lieb und schreib ihr an meiner Stelle … Sag Tante Magdalena, ich hätte bei meinen Wachen erreicht, dass sie mich ein letztes Mal besuchen kann, damit sie mir die Kommunion als Wegzehrung bringt… Grüß die ganze Familie von mir … Es lebe Christus der König, und die heilige Maria von Guadalupe! – José Sánchez del Río, der für die Verteidigung seines Glaubens gestorben ist.“
Magdalena konnte ihm rechtzeitig die heilige Kommunion bringen, doch Josés Martyrium war noch nicht beendet. Da seine Wächter wussten, dass er eine Menge Informationen über die Cristeros besaß, zogen sie ihm die Haut von den Fußsohlen ab, damit er Namen verrät. Doch der Herr schenkte José die Kraft, niemanden zu denunzieren. Um 23 Uhr wurde er zum Friedhof geführt und musste den Weg barfuß zurücklegen. Da die Henker ihn zwingen wollten, seinen Glauben zu verleugnen, peitschten sie ihn mit Dornenzweigen aus. José rief ununterbrochen aus Leibeskräften weiter: „Es lebe Christus der König und die heilige Maria von Guadalupe!“
Um ihn zum Schweigen zu bringen, brach ihm einer der Soldaten durch einen Hieb mit dem Gewehrkolben den Kiefer. Trotzdem rief der Junge am Rande des Grabes pausenlos weiter: „Es lebe Christus der König!“ Die Soldaten stachen daraufhin mit Macheten auf ihn ein. Ein Offizier fragte ihn: „Willst du eine Botschaft an deinen Vater senden!“ – „Wir sehen uns im Himmel wieder!“, hauchte José. „Es lebe Christus der König! Es lebe die heilige Maria von Guadalupe!“ – „Was für ein Fanatiker!“, rief der Soldat, zog seine Pistole und schoss dem Kind eine Kugel ins Genick. So empfing José im Alter von 14 Jahren am 10. Februar 1928 um 23.30 Uhr den Märtyrerkranz.
Sein Leichnam wurde von Christen geborgen, gewaschen und in ein Tuch gehüllt begraben, nachdem sie ihm die letzte Ehre erwiesen hatten.