Verlassenheit. Es ist 21:38 Uhr, 2. April 2005. Das Unfassbare ist nun tatsächlich passiert. Unser geliebter Papst Johannes Paul II. ist tot. Seit einer Minute. Wir hatten so sehr gehofft und gebetet…
Hat die Kirche nun noch eine Zukunft? Gerät nun alles aus den Fugen? Kann es je wieder einen obersten Hirten wie ihn geben? Obwohl wir noch in der Osteroktav waren, befanden wir uns plötzlich wieder am Karsamstag. Trauer, Schmerz, Verunsicherung, Verlust – das alles war da. Der Vater hat uns verlassen.
Es gab kein Zögern. Wir wollten diesem großen Heiligen die Ehre geben und uns verabschieden. Gleich am nächsten Tag hatten wir ein kleines Zimmer außerhalb von Rom, einen Mietwagen und den Flug gebucht. Vier Männer: Johannes Reinprecht, Daniel Ganneshofer, unser vierjähriger Sohn Maximilian und ich.
Wir stellten uns am frühen Morgen in die Schlange der unüberschaubaren Menschenmenge. Man sagte, es würde rund acht Stunden dauern, bis man in den Petersdom kommt, wo Johannes Paul II. aufgebahrt war. Am Ende waren es zwölf. Zentimeterweise ging es vorwärts, den ganzen Tag lang. Am späten Nachmittag konnten wir mit unserem kleinen Maximilian kurz auf die Toilette gehen. Ein Packerl Mannerschnitten und ein kleines Brot waren unsere Nahrung auf diesem Weg.
Wir haben gebetet, gesungen, unsere Weggefährten aus aller Welt kennengelernt. Trotz der Hitze und den Anstrengungen war überall tiefer Friede. In der Abenddämmerung betraten wir den Petersplatz. Um 20 Uhr war Maximilian friedlich in meinen Armen eingeschlafen. Wir trugen ihn abwechselnd den restlichen Weg.
Um 21 Uhr waren wir vorne im Petersdom unter der Kuppel beim Heiligen Vater angekommen. In einer Ecke kauernd, den kleinen Maxi auf dem Schoß wie die Pieta, sagte ich betend Lebewohl. Johannes Paul II. hier liegen zu sehen, war, als hätte er seinen Fuß in die Himmelstüre gestellt, und wir alle konnten einen kleinen Blick in dieses unendliche Licht werfen. Trotz Hunger, Durst und Erschöpfung: Der Himmel war offen für uns, einer der glücklichsten Momente meines Lebens. Obwohl Maxi den entscheidenden Moment nicht mitbekommen hatte, war auch sein kleines Herz von der Gnade erfüllt.
Was hat uns alle – eigentlich alle – so fasziniert an diesem Mann? Wieso haben wir so unglaubliche Strapazen auf uns genommen, um ihn bei jeder Gelegenheit zu sehen? Warum sind wir stolz darauf, zur Generation Johannes Paul II. zu gehören? Ich möchte es so sagen: Gott hat sich dieses großartigen Polen bedient, um uns Seine Vaterliebe zu zeigen. Es war übernatürlich. In Ihm als Stellvertreter Christi wurde Jesu Wort lebendig: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ (Joh 14,9)
1990, nach meiner Bekehrung hatte ich begonnen die Enzykliken zu lesen, Vorträge anzuhören, gute Priester hatten uns mit ihrer Liebe zu ihm angesteckt. 1994 haben wir uns mit Hilfe des Briefes an die Familien auf die Ehe vorbereitet. Mein erster Weltjugendtag war 1997 in Paris, es war wie ein Fieber, das nicht abklingen wollte.
1998 hatten wir Platzkarten im Salzburger Dom. Wir konnten direkt am Mittelgang stehen. Auf seinem Weg durch die Kirche kam der Papst zu uns, nahm unsere kleine Resi mit ihren 9 Monaten in seine immer noch kräftigen Arme, küsste sie auf die Stirn, blickte ihr in die Augen mit den langen dunklen Wimpern und küsste sie ein zweites Mal. Zwei unschuldige, reine Seelen begegneten sich. Dann ein Segen für uns. Wir waren tief bewegt, die Tränen flossen, es war unsere intimste Begegnung und Berührung mit ihm.
Im Jahr seiner Seligsprechung 2011 wurde uns als achtes Kind, ein kleiner Johannes Paul, geschenkt. So ist dieser große Mann unauslöschlich in unseren Herzen und in unserer Familiengeschichte eingeschrieben. Er ist im Hause des Vaters angekommen und sagt uns bis heute: „Ich bin froh – seid ihr es auch.“
Lieber Heiliger Johannes Paul II: Alles Gute zum Geburtstag! Wir steh‘n an deiner Seite!