Sie ist nicht ganz 30, lebt seit zwei Jahren in New York, hat sich vor kurzem mit ihrem Freund Roger wieder versöhnt und ist daher bester Dinge, als sie nach einem erholsamen Schlaf an einem strahlendem Morgen des 11. Septembers 2001 zu ihrem Arbeitsplatz aufbricht. Dieser liegt im Nordturm des World Trade Centers, im 63. Stockwerk. Sie beginnt ihre Arbeit: telefonieren, tippen, Infos einordnen…
Als eine Mitarbeiterin vorbeikommt, um bei einem Kaffee zu plauschen, plötzlich „ein kurzes, aber starkes Geräusch“, klingt wie zerbrechendes Glas. Dann ein „dumpfes Brummen, ein grollendes Zittern… Möbel und Menschen wurden durchgeschüttelt, dass es uns eine halbe Handbreit in die Luft hob…“
Schrecken und Ratlosigkeit. Einige Kollegen verlassen das Büro, andere plädieren für Bleiben, nachdem sich alles scheinbar beruhigt hatte. Ein Anruf bei der Polizei: Nur keine Panik, man werde sie holen kommen.
Also bleibt Genelle Guzman-McMillan mit einigen Kollegen – bis die Situation unerträglich wird und Rauch unter den Türen eindringt. Die mittlerweile telefonisch kontaktierte Feuerwehr mahnt zur Eile: Verlasst das Büro so rasch wie möglich. Also nichts wie raus! Die Lifte am Gang sind längst außer Betrieb. Also 63 Stockwerke zu Fuß hinunter, zunächst durch dichten Rauch, hinter einer Stahltür im 50. Stock jedoch dann in klarer Luft. Hoffnung erwacht: Die Flucht könnte klappen. Beim 15 Stockwerk wächst die Zuversicht.
Als die Flüchtenden den 12. Stock erreichen, bricht jedoch der Nordturm über ihnen zusammen: „Brutal, teuflisch, furchtbar, höllisch. Das sind einige der Worte, mit denen ich versuche zu beschreiben, wie das ist, wenn über neunzig Stockwerke eines einstürzenden Gebäudes im freien Fall über einem niedergehen,“ kennzeichnet die Autorin das Geschehen. Es regnet Betonbrocken, Stahl, Glas, Aufzugteile, Klomuscheln, Schreibtische, Rohre… Den Kopf in den Armen, die Augen zugepresst erwartet Genelle den Tod.
Und dann: „schwarze Dunkelheit und Totenstille“. Total eingeklemmt, nur der rechte Arm etwas beweglich, mit starken Schmerzen, besonders in den Beinen, beginnt sie um Hilfe zu schreien, so laut sie kann, hysterisch – aber vergebens. Sie begreift: Willst du gerettet werden, musst du deine Kräfte schonen und darfst nur ja nicht in Panik geraten…
In den Stunden, die nun folgen, beginnt sie, sich gedanklich auf ihren bevorstehenden Tod einzustellen. Sie blickt auf ihr Leben zurück – und entdeckt langsam, zögernd die viele Schuld, die sie auf sich geladen hat. Ihre bedrückende Schlussfolgerung: Eigentlich bin ich schnurstracks unterwegs in die Hölle…
Faszinierend nun die Beschreibung, wie sie sich Gott annähert. An Ihn hatte ihre Mutter geglaubt und sie selbst hat noch vage Kindheitserinnerungen an Ihn, den sie seither aus dem Blickfeld verloren hatte. Spannend zu lesen, wie sie versucht, aufrichtig mit Gott in Verbindung zu treten. Ein Denkanstoß für den Leser.
23 Stunden bleibt die junge Frau unter den Trümmern begraben. Und dann, plötzlich, spürt sie, wie eine Hand nach ihrer mittlerweile etwas befreiten und nach oben gestreckten Hand greift. Unfassbar, „die warme Haut eines anderen Menschen!“ Sie hört eine Stimme: „Ich heiße Paul. Bald holen sie dich raus. Es wird alles gut.“
Sie ist übrigens das letzte Opfer dieser schrecklichen Tragödie, die nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern die ganze Welt erschüttert hat, das lebend aus den Trümmern geborgen werden kann. Auch diese vierstündige Bergung ist ein Abenteuer.
Mehr will ich nicht erzählen, sondern Sie, liebe Leser, einladen, dieses spannende, gut geschriebene Buch zu lesen. Dann werden sie auch herausfinden, wieso der Buchtitel von den Engeln spricht.
Was Sie da zu lesen bekommen, ist die Geschichte einer radikalen Umkehr und einer anhaltenden Hinwendung zum lebendigen Gott, der uns nahe ist. Sie regt an, die eigene Einstellung zu überprüfen. Ansatzpunkte dazu findet man übrigens auch in einem Anhang, in der Frau Guzman-McMillan darüber nachdenkt, was ihre Geschichte sie gelehrt hat. Einige ihrer Anregungen lauten: Nie die Hoffnung aufgeben… Sich auf den eigenen Tod vorbereiten… Die kleinen Dinge im Leben genießen… Sich Böses zum Guten dienen lassen…
Engel gibts wirklich. Ich war 27 Stunden verschüttet. Eine wahre Geschichte. Von Genelle Guzman-Mcmillan & William Croyle. Brunnen Verlag, 191 Seiten, 14,99€.