Papst Franziskus wird heuer 84 Jahre alt. 85-jährig ist Papst Johannes Paul II. gestorben und mit 86 ist Benedikt XVI. zurückgetreten. Die Zeit scheint gekommen, in der Kirchen-Insider beginnen, sich Gedanken über die Nachfolge auf dem Stuhl Petri zu machen. Zu diesen gehört George Weigel, Theologe und Publizist, dessen Buch „Der nächste Papst“ heuer erschienen ist.
Schon der Untertitel: „Das Amt des Petrus und eine missionarische Kirche“ verrät, dass es ihm nicht um Spekulationen geht, wer die aussichtsreichsten Nachfolge-Kandidaten seien. Weigel entwirft vielmehr eine Art Anforderungsprofil des nächsten Papstes. Und das macht das Buch so interessant, weil in ihm zur Sprache kommt, vor welchen Herausforderungen die Kirche unserer Tage im Grunde genommen steht.
Wer sein letztes Buch Die Erneuerung der Kirche (siehe Besprechung in Vision 6/15) gelesen hat, weiß, was Weigels zentrales Anliegen ist: Es geht ihm um eine fundamentale Erneuerung, die er „evangelikalen Katholizismus“ nennt. Er meint damit allerdings keine Anbiederung an die evangelikale Richtung im Protestantismus. Worum es ihm geht, erklärt er so: „Der Katholizismus beginnt mit der Jüngerschaft, mit der Bekehrung und Freundschaft zu Jesus Christus – und damit, dass man das Evangelium als umfassende Wahrheit akzeptiert. Durch diese Bekehrung wird man der ,Gemeinschaft’ der Freunde Jesu, des Herrn, eingegliedert.“ Und diese Gemeinschaft bestehe, „um anderen das Geschenk zu machen, das sie selbst empfangen hat, nämlich die Freundschaft mit dem fleischgewordenen Gottessohn und die Teilhabe an Seinem mystischen Leib, der Kirche.“
Damit ist das Grundthema des Buches angesprochen: Der nächste Papst müsse „mit ganzer Kraft der Neuevangelisierung als dem Königsweg der Kirche für das 21. Jahrhundert verpflichtet sein“, so der Appell des längsten und grundlegenden Kapitels im Buch. Es gehe nicht primär um institutionelle Fragen, sondern es „muss Jesus Christus im Zentrum der Verkündigung“ stehen, und „Christus muss das Zentrum allen Wirkens der Kirche sein.“ Darum müsse es dem nächsten Papst vor allem gehen. „Er muss entschlossen sein, eine christuszentrierte Kirche zu führen, die das Werk der Evangelisierung durchführt.“ Und er müsse „die Kraft des Evangeliums in seinem eigenen Leben sichtbar werden lassen.“
In den folgenden Kapiteln geht Weigel auf einzelne Herausforderungen ein, vor denen der neue Papst stehen werde. Sie sind ein lesenswertes Panorama der Kirche in unseren Tagen. Beim Bedenken all dessen, worauf der Autor Bezug nimmt, wurde mir klar, wie menschlich unzumutbar die Herausforderungen an den Petrus-Dienst sind. Dieses Amt kann wirklich nur jemand annehmen, der seine ganze Hoffnung auf den Herrn und dessen Wirken setzt.
Da geht es etwa darum, die „Einheit der Kirche zu stärken“, in der diese Einheit „innerhalb der Kirche selbst bedroht ist“. Oder die Fülle des katholischen Glaubens zu erhalten und „anziehend und mitreißend“ darzustellen – also dem offenbar unfruchtbaren „Katholizismus light“, wie Weigel das nennt, eine Absage zu erteilen. Eine weitere Herausforderung: eine verbesserte, zeitgemäße Auswahl der Bischöfe, aber auch die Bereitschaft, Bischöfe zu entheben, „die durch ihr persönliches Verhalten im Widerspruch zum Evangelium leben“, oder „eine andere Lehre vertreten als die der katholischen Kirche“.
Eine besondere Sorge des neuen Papstes werde auch dem Dienst der Priester gelten. Es gehe darum, Männer dafür zu gewinnen, denen klar ist, dass „das Weihepriestertum ein anspruchsvoller, aber erfüllender Weg ist, ihre christliche Hingabe zu leben“. Gleichzeitig sei es aber dringend erforderlich, diesen Weg von den Versuchungen des Klerikalismus abzugrenzen.
Neue Initiativen vom neuen Papst erhofft sich Weigel auch im Bereich der ökumenischen Gespräche und des interreligiösen Dialogs: einen intensiveren Austausch mit den stark wachsenden evangelikalen, pfingstlerischen und fundamentalistischen protestantischen Gemeinschaften“ und eine Infragestellung des Bildes von den drei abrahamitischen Religionen, was eine klarere Abgrenzung gegenüber dem Islam impliziert.
Ein lesenswertes Buch, vor allem für alle jene, die sich eine zukunftsträchtige Sanierung der Baustellen in der Kirche unserer Tage erhoffen. Sie könnten jetzt schon beginnen, das zu tun, was Weigel als letzten Satz im Buch schreibt: „Deshalb braucht und verdient der nächste Papst die Gebetsunterstützung der gesamten katholischen Welt“ – unser jetziger Papst Franziskus übrigens auch.
Der nächste Papst – Das Amt des Petrus und eine missionarische Kirche. Von George Weigel. Verlag Media Maria, 158 Seiten, 16,95€.