VISION 20001/2021
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In Gottes Armen ruhen

Artikel drucken Wenn rein menschliches Werken offenkundig scheitert (Christof Gaspari)

Obwohl wir alle im Banne des Geschehens rund um die Pandemie stehen, sollen im Folgenden keine Gedanken über die Berechtigung der derzeitigen politischen Maßnahmen angestellt werden. Vielmehr sei die Frage gestellt: Was lehrt uns die massive Krise, in der wir stecken?

Unlängst habe ich wieder diesen unglaublichen Appell des Apostels Paulus in seinem Brief an die Philipper gelesen: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!“ Unfassbar: Zu jeder Zeit! Und dann sieht man sich um: Ausgangs- und Reiseverbote, geschlossene Geschäfte und Schulen, abgesagte sportliche oder kulturelle Veranstaltungen, Mund-Nasen-Schutz, wohin man schaut, auf den Plakatwänden Anleitungen zum richtigen Händewaschen – und vor allem keine öffentlichen Heiligen Messen! Und da soll Freude aufkommen?
Auch der Evangelist Lukas bläst ins gleiche Horn: Nachdem er all die Schrecken der endzeitlichen Ereignisse aufgezählt hat, fordert er uns auf: „Erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.“ Stopp! Der letzte Satzteil ist wichtig. Ja, unsere Erlösung ist nahe. Auch Paulus begründet seine Aufforderung „Freut euch!“ mit der Feststellung: „Der Herr ist nahe.“ Stellt sich nur die Frage: Ist uns bewusst, dass Er nahe ist?
Wenn ich mich um- und in den Spiegel schaue, begegnen mir kaum Gesichter, an denen diese Erfahrung der Nähe Gottes abzulesen wäre. Es stimmt schon: Es gibt viel Anlass zur Sorge, viele Menschen stehen jetzt vor existenziellen Problemen, und viele weitere werden dazukommen. Es gibt schwere Krankheitsverläufe, viel Einsamkeit, viel Angst. Täglich landen in meinem Computer neue Alarmmeldungen, die beunruhigen…
Aber das hat damit zu tun, dass wir Christen hier im Westen dazu neigen, unser religiöses Leben so zu gestalten, als wäre es ein zwar wichtiger Lebensbereich, aber einer unter vielen. Was uns eigentlich herausfordert, ist das Bestehen im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben. Wenn nun die Sicherheiten, die dieser Bereich bisher geboten hat, zu wanken beginnen, reagieren die meisten Christen so, wie eben alle Menschen das tun: mit Ärger, Sorge, Angst – und verständlichen Bemühungen diese Missliebigkeiten aus der Welt zu schaffen.
Wir sollten es aber nicht dabei bewenden lassen, sondern die Gelegenheit nutzen, unsere Beziehung zu Gott in Frage zu stellen. Ist Gott uns nahe? Ja, von Seiner Warte aus sicher. Aber wie sieht es aus unserer Perspektive aus? Geben wir Ihm die Chance, in unserem Leben zu wirken?
Das Krisenjahr war für mich Anlass, mir die Worte des Hingabe-Aktes, die Don Dolindo Ruotolo aufgezeichnet hat, in Erinnerung zu rufen, etwa jene Stelle, an der Jesus sagt: „Das, was euch durcheinander bringt und sehr schadet, ist euer Grübeln und Nachsinnen, euer Sorgen und Abquälen in der Meinung, um jeden Preis alles selber tun zu müssen. Wie vieles wirke ich, wenn die Seele sich in ihren geistigen und materiellen Bedürfnissen an mich wendet, mich anschaut und – während sie voll Vertrauen sagt: ,Sorge Du’ – die Augen schließt und in meinen Armen ruht!“
Will uns Gott durch diese von Menschen gemachte Krise nicht vielleicht darauf stoßen, dass es höchste Zeit ist ernstzumachen und unsere eigentliche Berufung als Christen wahrzunehmen, nämlich zuerst das Reich Gottes zu suchen? Ist es nicht allzu offenkundig, dass das gottlose Weiterwursteln in den Abgrund führt?
Der Aufbruch der jungen Kirche war getragen von Menschen, die ihr ganzes Leben auf den auferstandenen Herrn gesetzt haben. Dazu lädt uns auch die derzeitige Krise ein. Dann werden wir auch die Freude erleben, von der der heilige Paulus spricht. An ihr könnten sich dann die Menschen in unserem Umfeld aufrichten und nach deren Quelle fragen.


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