Da sitze ich nun in einer Ordination und warte darauf, dass Dr. Christian Stelzer, ein praktischer Arzt, die letzten Patienten für heute behandelt. Es ist mein erstes Interview in einer Arztpraxis. Während ich warte, lese ich in den dort aufliegenden Foldern über „Mary’s Meals“. Ich weiß, dass Christian, den ich seit vielen Jahren kenne, dieses wunderbare Hilfsprojekt für hungernde Kinder nach Österreich gebracht hat. Es ist nicht die einzige Initiative, die er unterstützt oder ins Leben gerufen hat. Davon aber später. Dann geht die Tür auf, und es beginnt ein angeregtes, entspanntes Gespräch. Immer schon war mir seine ruhige, ausgeglichene und humorvolle Art aufgefallen.
Zunächst erzählt er von seiner Kindheit in Rohrbach, einem in der schönen, sanften südburgenländischen Landschaft eingebetteten Ort. Geboren wurde er dort in der Schule. Sie war nämlich auch sein Elternhaus. Die Kinder konnten den Vater durch die dünne Wand vom Schlafzimmer nebenan unterrichten hören. Eines Tages wird der gemütlich dahinplätschernde Bach am Ende des Gartens, als er Hochwasser trägt, seinem älteren Bruder – damals 5 Jahre alt – fast zum Verhängnis, als er hineinfällt. Ein „Engel“ in Gestalt eines Spielkameraden kann ihn ein Stück weiter unten aus dem eiskalten Wasser ziehen.
Ein prägendes Erlebnis für die ganze Familie. Vielleicht mit ein Grund für den Vater, ein kleines Schwimmbad errichten zu lassen, in dem die Kinder des Ortes und auch Christian schwimmen lernen können.
Nach sechs Jahren ungetrübter Freude für Christian übersiedelt die Familie nach Oberwart. Den Buben soll dadurch später der Übergang ins Gymnasium von Oberschützen erleichtert werden. Der Vater unterrichtet damals in der Hauptschule von Oberwart. In Oberwart empfängt Christian die Erstkommunion und Firmung und ministriert eifrig bei den Gottesdiensten. Doch in den 70er Jahren verwandelt sich die Pfarre von einer Glaubensgemeinschaft in ein kirchliches Experimentierfeld: „Keine Beichte, keine Gebete, schon gar keine Anbetung,“ bedauert mein Gegenüber. So ist es kein Wunder, dass Christian mit 16 mit Kirche kaum mehr etwas anzufangen weiß.
Nach der Matura nimmt er sich eine Auszeit. Nur mit einem Rucksack ausgerüstet, reist er allein durch die USA. Er will prüfen, ob sein Wunsch, Arzt zu werden – verstärkt durch eine schwere Erkrankung der Mutter – wirklich das Richtige für ihn ist. Mit dem Greyhound-Bus geht es tausende Kilometer durch das Land. Unterwegs schreibt er den Eltern, er sei nun sicher, dass Arzt sein Weg sein soll.
Also geht es nach dieser Reise nach Wien zum Studium. Eine „tolle Zeit“, wie er strahlend erzählt. Gottesdienste besucht er nur an hohen Feiertagen. Die Krankheit der Mutter, die sich weiter verschlimmert, löst beim Studenten dann aber die Frage nach dem Sinn des Lebens aus. So beginnt er sich allgemein für Religionen zu interessieren: den Hinduismus, den Buddhismus, den Islam, das Judentum. Die Erzählungen der Chassidim von Martin Buber und die Aufrichtigen Erzählungen eines russischen Pilgers begeistern ihn, und er findet Freunde, mit denen er sich austauschen kann.
Eines Tages trudelt bei den Eltern ein anonymer Brief ein: Darin ein Rosenkranz für die Mutter und eine Anleitung, wie man diesen beten soll. Auf ihrem Krankenbett beginnt sie nun wieder mit dem, was sie schon als junges Mädchen bei der katholischen Aktion getan hatte: Sie betet Rosenkranz. Christian – er besucht die Mutter möglichst oft – lässt sich von ihr erklären, was sie da tut und fragt, ob es ihr recht wäre, wenn der Vater, der Bruder und er selbst mitbeten. Große Freude bei der Mutter!
Bald spürt der junge Mann, dass das Gebet etwas in ihm verändert und nach sechs Wochen merkt er: Der Mutter geht es deutlich besser. Zuletzt hören ihre Erstickungsanfälle ganz auf. Allerdings: Trotz dieses wunderbaren Geschehens bleibt ihm „der Zugang zur Kirche aber damals verschüttet,“ wie Christian gesteht.
1982 – er ist 24 – kauft er ein Buch über die Geschehnisse in Medjugorje und schenkt es den Eltern. Die Gesichter der jungen Leute die von Erscheinungen der Muttergottes berichten, sprechen ihn an. „Wenn das wahr wäre, bedeutet das, dass Gott uns nah ist, dass Leid also doch Sinn hat,“ überlegt Christian. Insgeheim, wie er heute meint, hoffte er damals, dass es wahr sei, was da erzählt wird. Im März 1983 macht er sich mit Freunden zu einer abenteuerlichen Reise durch das kommunistische Jugoslawien auf – mit dem Ziel Medjugorje.
Wer heute in den Ort kommt, kann sich kaum vorstellen, wie es damals dort ausgesehen hat: kein Gasthaus, kein öffentliches WC, einfach gar nichts. Und den Bewohnern war es untersagt, Gäste aufzunehmen. Die Burschen gehen nach der Ankunft direkt zur Kirche und kommen gerade zum Ende der Sonntagsmesse. Die Leute knien in den Bänken, auf dem Steinfußboden und beten siebenmal: Vaterunser, Ave Maria und Ehre sei dem Vater für die Anliegen der Gottesmutter.
„Ich habe noch nie in meinem Leben Menschen so intensiv beten gehört und gesehen. Ihre Stimmen klangen wie das Rollen großer Wogen, mit jener Entschiedenheit, die nur Menschen haben, die glauben, dass Gott überall und zu jeder Zeit aus Steinen, wenn man beharrlich darauf klopft, Leben spendendes Wasser schenken kann,“ erinnert er sich noch heute begeistert. Die Burschen sind überwältigt. Christian fühlt sich sogleich hingezogen zu dieser Gemeinschaft.
Nach der Messe, auf dem Platz vor der Kirche, schneidet eine ältere Frau von einem vorher gesegneten Brotleib Stücke ab, verteilt sie rundum. Die Freunde stehen außerhalb des Platzes und der fröhlichen Gemeinschaft. „So muss es in der Urkirche gewesen sein, und wir stehen außerhalb,“ denkt Christian. Da schaut ihn die Frau plötzlich an, kommt über den Platz direkt auf ihn zu, bricht ein Stück vom Brot ab und gibt es ihm für ihn und die Freunde. „Da spürte ich: Auch wir gehören dazu,“ erinnert er sich dankbar.
In diesen Tagen in Medjugorje erlebt er Kirche, wie er sie seit seiner Kindheit nicht mehr erlebt hatte: Trotz drohender Strafe nehmen zwei Familien des Ortes die Studenten bei sich auf. Das Auto wird im Schuppen des Pfarrhofs versteckt. Das Wenige, das sie haben, teilen sie mit den Burschen und erzählen begeistert von ihrem Glauben. Als der 5-jährige Sohn des Hauses krank wird, wird selbstverständlich für ihn gebetet – und der Kleine ist am nächsten Tag fieberfrei. Eine Gruppe von Kindern führt die Burschen jeden Tag auf den Kreuzberg und betet oben mit ihnen den Rosenkranz. „Ganz normale Kinder, die beim Hinuntergehen laufen, spielen und sich freuen. Für uns unglaublich: Kinder waren unsere Lehrmeister im Glauben! Und wir konnten das einfach annehmen.“
Dann erzählt Christian von einer Gebetsgruppe einheimischer Mädchen: „Lauter engelhafte Wesen,“ sinniert er. Eine fällt ihm besonders auf. Lächelnd meint er: „Nicht nur, weil sie gut Deutsch konnte.“ Und er setzt fort: „Damals waren wir wie in Licht getaucht, konnten uns die Freude, die uns erfüllte, nicht erklären.“
Eigentlich wollte Christian länger bleiben: „Ich habe alles gefunden, wonach ich gesucht hatte,“ sagt er den Freunden, entschließt sich aber doch, mit ihnen heimzufahren – wohl auch, weil am letzten Tag zwei von ihnen am Fuß des Kreuzbergs – auf den zu steigen, verboten war – von der Polizei verhaftet werden. Sie werden verhört und bekommen einen Stempel in den Pass, der sie zwingt, innerhalb von 24 Stunden das Land zu verlassen.
Die Abreise aus Medjugorje gestaltet sich abenteuerlich. Denn die Polizei hatte die einzige Straße gesperrt, um die gesamte Studentengruppe zu erwischen und die Familien auszuforschen, die ihnen Herberge gegeben hatten. Also wird über eine Schotterstraße die Heimreise angetreten. „Ich war der Fahrer und recht aufgeregt. Irgendwo habe ich einen der Rückspiegel abgerissen,“ lacht er heute über diese Flucht.
Durch eine Serie in der Kronenzeitung wird Medjugorje allgemein bekannt. Immer mehr Freunde und Bekannte wollen dorthin pilgern. So wird Christian zum „Pilgerbegleiter“. In einem Hotel in Citluk, dem Nachbarort von Medjugorje, darf man nämlich übernachten. Für Christian ist nun klar: „Hier wirkt die Muttergottes. Und es ist ein besonderer Ort der Gottesbegegnung.“
Sein Studium beendet Christian im Sommer 1984 und bekommt in einem Ordenskrankenhaus einen Platz für die Turnusausbildung. Es folgt ein Sabbatjahr, in dem er Philosophie und Theologie studiert. Der Notarztdienst reicht für ein bescheidenes Leben. Er trifft sich regelmäßig mit einer Gruppe jüngerer Leute zum Gebet. Sie suchen die Möglichkeit zur ständigen Anbetung. Durch „Zufall“ bietet ihm ein Freund eine große, ebenerdige Wohnung an. „Hier wird die Kapelle sein,“ weiß er gleich bei der Besichtigung. Bischof Pavol Hnilica weiht sie 1988 ein. Die ständige Anbetung wird nun möglich, und es entsteht die Gebetsgemeinschaft „Oase des Friedens“ mit Laien, Diakonen und Priestern. „Durch das Abhalten von Gebetstreffen und Herausgabe der Monatszeitschrift Oase des Friedens wollen sie andere Menschen in ihrem Bemühen um ein Leben aus dem Glauben unterstützen,“ so liest man auf ihrer Homepage.
Nach der Zeit als Notarzt denkt er daran, eine eigene Ordination einzurichten. Er möchte „Familiendoktor“ werden. Schneller als gedacht, wird ihm eine Ordination im 12. Bezirk zugesprochen – in der Nähe der Oase. Aber wie findet er entsprechende Räumlichkeiten in diesem Wiener „Grätzl“? In der Apotheke zum hl. Paulus – Christians Vorbild – steht eine ältere Dame, der er von seinem Wunsch, eine Ordination zu finden, erzählt. Spontan reagiert diese, bittet ihn um seine Telefonnummer und ruft am Tag darauf an: „Kommen Sie vorbei, ich möchte Ihnen was zeigen.“ Sie führt ihn zu drei kleinen Wohnungen oberhalb der Apotheke. „Wenn Sie wollen, legen wir diese Wohnungen zusammen,“ erklärt sie dem verblüfften jungen Arzt. Im August 1992 beginnen die Umbauabeiten, und am 1. Oktober kann Christian die Ordination eröffnen. Drei Patienten am ersten Tag – und dann wächst der Zustrom schnell.
Anlässlich einer Hochzeit in Medjugorje macht ein Freund ihn auf ein hübsches Mädchen aufmerksam, erzählt Christian lachend. Es ist dieselbe, die ihm schon beim ersten Besuch aufgefallen war, jene, die gut Deutsch konnte, weil sie offenbar besser als ihre Freundinnen im Deutschunterricht aufgepasst hatte. Mittlerweile studiert die junge Dame in Rom an der Gregoriana. Es vergehen aber drei Jahre, bis er sie wiedersieht: 1994, diesmal in Siegendorf. Dort verbringt sie bei einem befreundeten Priester ihren Urlaub. Jetzt ist wohl klar, dass hier mehr als nur eine Freundschaft entsteht.
1997 heiraten Marija und Christian – erst nach Beendigung ihres Studiums und 14 Jahre (!), nachdem sie sich das erste Mal gesehen hatten. Mittlerweile haben sie eine große Familie. Familie ist den Stelzers nämlich wichtig. Deswegen nehmen sie auch Christians Vater nach dem überraschenden Tod seiner Frau für zwei Jahre zu sich nach Hause, bis er wieder heim nach Oberwart zurückkehren will. Und sie sorgen später in seinem letzten Lebensjahr dafür, dass ihm ein Heim- oder Spitalsaufenthalt erspart bleibt, indem sie ein Netzwerk von Helfern organisieren. Als der Vater im Frieden und nach Empfang der Sakramente stirbt, begleitet ihn die Familie.
Diese ist in den Jahren seit der Eheschließung beachtlich gewachsen: Vier Mädchen werden ihnen geschenkt, 1998 die erste Tochter: Therese ist 22, verheiratet und hat ein Baby. Die zweite Tochter, Christine ist 19, studiert an der Musikhochschule Klavier und hat nun auch ein Medizinstudium an der MedUni Wien begonnen. Maria ist 17, im Musikgymnasium und spielt Cello und Fußball, Anna geht in die 4. Klasse AHS. Die Mädchen sind alle musikalisch. Auch Christian hatte eine Zeitlang daran gedacht, Musik zu studieren. Das Ehepaar Stelzer ist sich mit Sr. Elvira, mit der sie befreundet sind, einig: Musik ist für eine Familie etwas sehr Wichtiges.
Sr. Elvira Petrozzi (Portrait Vision 1/04) ist übrigens das Stichwort für ein Projekt, für das Christian und Marija sich engagieren werden: die Cenacolo-Bewegung, eine von Sr. Elvira gegründete, segensreiche Einrichtung, die jungen Leuten so erfolgreich aus der Misere von Suchterkrankungen zu helfen vermag (siehe u.a. die Portraits von Sasha und Jana Vision 4 u. 5/20). Bei seinen Medjugorje-Reisen war Christian das dortige Cenacolo als faszinierende Einrichtung aufgefallen. Bei einem der Besuche dort sitzt er mit einem Monsignore und einem Baumeister zusammen und wirft die Frage auf: „Wäre es nicht gut, auch in Österreich so ein Cenacolo zu haben?“ Die Idee setzt sich bei Christian fest. Mutter Elvira, dazu befragt, ist sofort einverstanden. „Sucht einen Ort,“ meint sie, „dann kommen wir und schauen uns das an.“
So einfach, wie der junge Mediziner anfangs glaubte, gestaltet sich die Suche nach einem Wohnort leider nicht: Die Furcht, Suchtkranke in nächster Nähe zu haben, ist in den Ortschaften zu groß. 1996 ruft ihn Pfarrer Johannes Lehrner an und erzählt ihm von einem Wirtschaftstrakt im alten Pfarrhof, den er nicht brauche. Den könnten sie haben. Christian ist sofort dafür. „Der größte Raum war ein Stall: gestampfte Lehmböden, einbetonierte Tröge… „Auch da wusste ich sofort: Das wird die Kapelle,“ erinnert sich Christian. Baumeister, Pfarrer, freiwillige Helfer und ein Freundeskreis errichten mit Hilfe von Spenden eine Kapelle – mit Fußbodenheizung für die betenden Burschen – und eine Unterkunft für die zukünftigen Bewohner.
Zehn Burschen, die ersten Bewohner des Cenacolo, ziehen in Kleinfrauenheid im Burgenland ein. „Eine Geschichte der Wunder, der Heilung und der Vorsehung hat hier begonnen und hört nicht auf,“ zieht Christian Bilanz, voll Ehrfurcht vor dem Unglaublichen, das so viele Menschen dort erlebt und bezeugt haben. Immer wieder betreut er auch Burschen der Gemeinschaft, die ärztliche Hilfe brauchen.
Ebenfalls in Medjugorje stößt er bei einem Gasthof auf ein Poster, auf dem zu lesen ist: „Daily bread vor hungry children – A simple solution for world hunger.“ Eine einfache Lösung für das Problem des Hungers? Kann es so etwas geben?, fragt er sich. Als er später Magnus Mac Farlane-Borrow (Portrait Vision 2/09), den „Erfinder“ von „Mary’s Meals“ (Marias Mahlzeiten), bei dessen Besuch in Wien kennenlernt und erfährt, wie viele Kinder in Malawi schon vor dem Hungertod bewahrt wurden, erkennt Christian in diesem Projekt sofort die Handschrift der Muttergottes. „Denn es sind Mütter, die die von vielen Menschen großzügig gespendeten Nahrungsmittel (Soja, Mais, Zucker, Vitamine) für ihre Kinder einmal täglich in der Schule zubereiten.“
„Möchtest du nicht Mary’s Meals in Österreich aufbauen,“ fragt ihn Magnus spontan. Obwohl noch immer bei Cenacolo engagiert, sagt er – von seiner Frau sehr unterstützt und ermutigt – zu. Für hungrige Kinder muss man etwas tun, erkennen die beiden. So beginnt das Paar, Freunden und Verwandten davon zu erzählen. Sie lassen Folder drucken, die der Arzt im Wartezimmer auflegt. Immer öfter wollen Patienten Näheres über das Projekt wissen.
„Das Echo war überwältigend – und hält eigentlich immer noch an,“ freut sich der Herr Doktor mir gegenüber. Ein ganzes Netzwerk von Freunden entsteht, mit dem gemeinsamen Wunsch, die unvorstellbare Not von Kindern und deren Familien zu lindern.
Einem Kind ein Jahr lang ein Essen täglich zukommen zu lassen kostet derzeit 18,30€. „Es ist Hilfe zur Selbsthilfe,“ erklärt er. „ In den Orten wickeln die ehrenamtlichen Mitarbeiter – vor allem die Mütter – eigenverantwortlich die Essenausgabe ab. Wir steuern nur die Grundnahrungsmittel, für die ihnen das Geld fehlt, bei und kontrollieren, dass sie, wie vorgesehen, verwendet werden. Das Besondere ist, dass die Menschen es als ihr eigenes Projekt ansehen. Die Leute bauen z.B. sogar Brücken, damit die Nahrungsmittel angeliefert werden können.“ Im Süden Malawis, das Christian besucht hat, gehen Mütter stundenlang zu Fuß zu ihrem Einsatz. Das Essen bekommen die Kinder schon nach der ersten Unterrichtsstunde, weil sie sich sonst nicht konzentrieren könnten. „Sie haben ja oft schon einen langen Schulweg hinter sich und sind hungrig.“
In Malawi macht er übrigens eine Erfahrung, die ihn betroffen macht: Einmal schenkt er selbst den Kindern Porridge aus. Mit dem großen Schöpflöffel holt er eine Portion aus dem Topf und schüttet den Inhalt in den bunten Becher, den das Kind in der Hand hält. Das Mädchen bleibt stehen, schaut ihn mit großen Augen an. Christian weiß nicht, was er nun tun soll, bis ihm aufgeht: Der Becher ist noch nicht randvoll! „Die eigenen Kinder sagen ja oft, ‚Papa, nicht so viel’. Doch sie hat gewartet, bis der Becher wirklich voll war. Es ist ja ihr einziges Essen am Tag.“ Schweigend und andächtig wird dann gegessen. Nach dem Essen ändert sich die Stimmung im Schulhof total: „Die Kinder lachen, sind laut und fröhlich…“
Nun wurden allerdings die Schulen in vielen Ländern Afrikas wegen der Corona-Pandemie geschlossen – obwohl sie dort weit weniger betroffen sind. Eine lebensbedrohliche Situation für die Kinder, vor allem weil auch die Lebensmittelpreise gestiegen sind. „Wir haben Angst, dass sie jetzt verhungern,“ haben die Mütter gesagt. Man musste also eine Notlösung organisieren: „Nun holen die Eltern die Grundnahrungsmittelrationen ab und die Mütter bereiten das Essen zu Hause zu.“ Es wird allerdings mancherorts wohl auf die ganze Familie aufgeteilt.
Über dieses Programm werden derzeit mehr als eine Million Kinder allein in Malawi mit Essen versorgt. Auch in Liberia, Äthiopien, Ecuador, Haiti, Indien… bekommen Kinder diese Nahrung in der Schule – und vor allem auch Bildung. In Madagaskar versorgt Mary’s Meals Straßenkinder, die ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis landen mit Essen.
Immer wieder erlebt Christian, dass Andersgläubige in all diesen Ländern sich dafür interessieren, warum Christen sich für die Linderung der Not von fremden Kindern engagieren. „Sie wollen dann Näheres über unseren Glauben erfahren.“ Was für eine wertvolle Mission! Auch die vielen Kinder, denen über Mary’s Meals Schulbildung vermittelt, ja sogar vielleicht ein Universitätsabschluss ermöglicht wurde – auch das gibt es bereits – werden kaum vergessen, wer der Ursprung dieser selbstlosen Liebe ist. „Das ist wohl der Weg der Muttergottes. Da werden Brücken gebaut die nicht mehr zerstört werden können,“ ist Christians Schlusssatz.
Er ist ein überzeugendes Beispiel dafür, was möglich wird, wenn man als gläubiger Christ sein Herz, seine Augen, Ohren und Hände offen hält für Gottes Pläne. Wer sich dem Herrn so zur Verfügung stellt, erkennt, wo Hilfe nottut: Jesus und Seine Mutter führen ihn dorthin wo sein Einsatz benötigt wird.