Wir, Doris und Johannes (beide damals 25 Jahre jung) haben im August 2020 geheiratet. Unser ganzes Leben hindurch waren wir umgeben von Kindern. Die Liebe zu den Kindern und das „Hobby“, die Freizeit mit ihnen zu verbringen, ist eine Leidenschaft, die uns beide verbindet. So wuchs auch in uns der Wunsch, eigenen Kindern das Leben zu schenken, falls der Herrgott derselben Meinung sei...
Ich weiß den Tag und den Ort noch ganz genau: Am 27. Oktober habe ich nur halbtags gearbeitet, am Nachmittag wollten wir Möbelstücke für unsere Wohnung kaufen. Doris wollte aber schon früher nach St. Pölten fahren. Als ich nachkam überreichte sie mir strahlend eine kleine Box. Ich blickte hinein: Babybekleidung und ein Ultraschallfoto. Ich bin riesig stolz auf sie (bin ich natürlich noch immer) und danke dem Herrgott für dieses Geschenk, dass wir Mutter und Vater sein dürfen.
Am 23. Dezember am späten Vormittag kommt dann der Schock. Meine Frau ruft mich unter Tränen an. Sie schluchzt: „Ich komme gerade aus dem Krankenhaus ... Mit unserem Kind sieht’s nicht gut aus ... “
Der Verdacht des Arztes liegt auf Trisomie 13. Ich bin vertraut mit Trisomie 21, aber von Trisomie 13 habe ich noch nie gehört. Also muss ich googeln. Trisomie 13 ist eine seltene Genkrankheit, bei der 80 Prozent der Kinder schon vor der Geburt sterben, die anderen nur eine sehr geringe Lebenserwartung haben.
Das muss ich erst einmal verdauen, doch dann schicke ich meiner Frau ein SMS: „Wir stehen das durch.“
Der Arzt aber entlässt meine Frau nur mit den Worten: „Wenn sich der Gendefekt bestätigt, wirst du deine Schwangerschaft ja eh beenden.“ Welch menschenverachtende Aussage!
Wie viele Tränen wären uns erspart geblieben, wenn man achtsamer und sensibler mit einer jungen Frau sprechen würde, die allein und unvorbereitet nach einer Routinekontrolle beim Frauenarzt ins Spital geschickt wird. Wird hiermit nicht suggeriert, dass die kleine Seele, die meine Frau unter ihrem Herzen trägt, unwertes oder unerwünschtes Leben sei? Welch eine menschenunwürdige Rhetorik des Arztes! „Die Schwangerschaft beenden“ – eine Umschreibung, in der man nicht einmal mehr erwähnen muss, dass man hier ein hilfloses, unschuldiges Kind, ja meine Tochter, tötet.
Am 4. Januar gehen wir zur Fruchtwasseruntersuchung. Der Befund wird am 18. Jänner bestätigt. Unser Kind hat „13q Deletionssyndrom“. Wir wollen das Geschlecht wissen, damit wir ihm/ihr einen Namen geben können. Zufällig fallen meine Blicke im Befund auf die Worte: „Weiblicher Chromosomensatz“. Auf Nachfrage, ob wir eine Tochter bekommen, heißt es nur knapp „ja“.
Da sagt keiner, dass es sich um einen Menschen mit Herz und Seele handelt, keiner sagt „Ich darf euch gratulieren, dass ihr ein Mädchen bekommt.“ Als ob die Ärzte selbst nicht glauben, dass das ein Mensch ist.
Der Arzt gibt uns seinen Rat deutlich zu spüren: ,,Ihr könnt selbst entscheiden, aber 90 Prozent aller Paare in eurer Situation würden die Schwangerschaft jetzt beenden.“ Schon wieder diese Rhetorik.
Ich werde direkt und gehe in die Offensive: „Welchen vernünftigen Grund können Sie mir nennen, dass ich mein eigenes Kind umbringen lassen soll?“ Da entgegnet mir der Arzt: „Wenn deine Frau jetzt eine Tablette nimmt, ist die Sache vorbei und ihr könnt euch auf die nächste Schwangerschaft konzentrieren. Außerdem macht das für die Frau einen Unterschied, ob ihr das jetzt erledigt, oder Sie später eine Totgeburt durchmachen muss.“
Unter Tränen gebe ich ihm zu verstehen: „Wenn das Kind später auf die Welt kommt, dann kann ich es in meine Arme nehmen, ich kann es taufen lassen. Vielleicht muss ich es beerdigen, aber dann habe ich wenigstens einen Platz, den ich zum Trauern aufsuchen kann.“
Daraufhin ignoriert mich der Arzt. Er lässt mich spüren, dass ihn das kaum interessiert und wendet sich Doris zu: „Ja, entscheiden musst es trotzdem du.“ Er sagt uns noch, dass wir uns mit unserer Entscheidung ja Zeit lassen können, weil es hier „eh keine Fristen“ gibt. Ganz ehrlich, ich schäme mich in so einer Gesellschaft zu leben. Der Arzt wünscht uns noch alles Gute und schickt uns nach Hause.
Am nächsten Tag während der Arbeit mache ich mir so meine Gedanken. Was, wenn Doris unser Kind einfach nicht mehr haben will…!? Ich wäre ausgeliefert. Hilflos. Ich könnte nicht mitreden, nichts mitentscheiden. Das wäre das Schlimmste für mich. Doch Doris beweist ihre Mutterliebe zu unserem Kind jeden Tag aufs Neue. Ihre Liebe zu unserem Kind ist gleichzeitig ein Liebesbeweis an mich!
Heute ist Doris im vierten Monat. Die Geschichte wird noch weitergehen. Ich bin jedenfalls auf alles gefasst. Wir haben schon einen Namen für unsere geliebte Tochter. Ob sie lebend zur Welt kommt, wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass wir dieses Geschenk Gottes dankbar annehmen und unser kleines Zwergerl so lange leben soll, wie es schafft zu leben…!
Bei Fertigstellung dieser Ausgabe lebte das Kid noch in der 26. Schwangerschaftswoche.
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