Am 1. Jänner 2021 sandte P. Ubald Rugirangoga (Portrait 2/08) eine Botschaft aus dem Spital in den USA, in dem er seit zwei Monaten wegen einer schweren Covid-19 Erkrankung lag: Er dankte für die vielen Gebete und versprach, auch für uns alle zu beten. Und dann sagte er: „Liebet einander und bleibt verbunden, Gott segne euch – und: A Happy New Year!“ Damals hofften wir, dass es mit ihm bergauf gehen würde. Doch dann starb er unerwartet am 7. Jänner. Eigentlich hatte P. Ubald nach einem Aufenthalt in den USA, wo er seit 2009 zweimal jährlich Heilungsgottesdienste, Predigten und Einkehrtage vor tausenden Menschen hielt, in seine Heimat Ruanda fliegen wollen. Aufgrund der Covid-Maßnahmen wurde ihm dies jedoch verwehrt. Im Laufe dieses verlängerten Aufenthaltes steckte er sich dann in den USA mit Covid-19 an. Die Chance in Ruanda, wo es auf 12 Millionen Einwohner nur 200 Covid-Tote gab, nicht an Covid zu erkranken, wäre sicher groß gewesen.
Was für ein wunderbarer Priester ist da zu Gott abberufen worden! Ich bin unendlich dankbar, dass ich ihn kennenlernen durfte und erinnere mich, noch wie meine Freunde Traude Schröttner (Portrait 2/01) und Jakob Weitlaner (Portrait 5/02) mir vor Jahren voll Begeisterung von ihm erzählt hatten: Jaky meinte: „Für P. Ubald lebt und wirkt Jesus heute genauso wie vor 2000 Jahren. Jeder kann mit Gott sprechen und Ihn um etwas bitten. Wir wissen das mit dem Kopf, aber P. Ubald hat es im Herzen.“
Traude, die ihn jedes Jahr entweder in Graz oder in Ruanda traf – sie half dem Pater dort Kapellen, Kirchen, Witwenhäuser und andere Projekte zu bauen –, habe ich gefragt, wie sie ihn erlebt hat: „Kennengelernt habe ich Ubald 1988 bei einer Priesterweihe in Ruanda: Er war ein junger, freundlicher, herzlicher Priester, der auf mich zugegangen ist. Ich durfte ihn als lustigen, liebevollen Mann, der für alle Zeit gehabt hat, kennenlernen. Besonders auffallend seine Herzlichkeit: Jeder, der ihn kennenlernte, hatte den Eindruck ihn schon ewig zu kennen, weil er eine so starke Herzlichkeit ausgestrahlt hat.“ Ja, das kann ich voll und ganz bestätigen. Es war nicht schwer P. Ubald, selbst nach den wenigen Treffen, die ich mit ihm hatte, ins Herz zu schließen und ihn einen wahren Freund nennen zu dürfen.
2008 nützte ich einen seiner Österreichbesuche, um ihn zu interviewen. Da ich durch eine Rückgratverletzung behindert war, brachte Traude ihn zu mir nach Hause. Den Tee, den ich ihm anbot, ließ er fast unberührt, da er ganz im Erzählen seiner Geschichte aufging:
P. Ubald kommt aus jenem Land in Zentralafrika, das durch den Genozid, der 1994 stattfand, traurige Berühmtheit erlangt hat: Innerhalb von 100 Tagen wurden damals etwa eine Million Menschen, jeder achte Einwohner, ermordet. Dort ist Ubald als ältestes von vier Kindern 1955 zur Welt gekommen. Seine katholischen Eltern sind beide Tutsis. Der Vater, Volksschullehrer betet täglich die Abendgebete vor. Gemeinsam besucht man sonntags die Messe. 1963 – Ubald ist sieben – werden eines Abends alle Tutsi-Männer des Dorfes von Hutu-Männern (die Hutus sind seit 1959 an der Macht im Land) zu einer Versammlung geholt. Es heißt, sie müssten wegen eines beginnenden Krieges Wache halten und die Nacht draußen verbringen. Tatsächlich kommt keiner von ihnen wieder: Alle Tutsi-Männer des Ortes werden in dieser Nacht von bewaffneten Hutus erstochen.
„Man weiß kaum, dass es schreckliche Übergriffe der Hutus schon vor 1994 gab,“ erklärte mir mein Gegenüber. „Allerdings wurden damals Frauen und Kinder noch verschont.“ Die Mutter – sie ist erst 24 – bleibt also mit vier kleinen Kindern, drei Buben und einem drei Monate alten Mädchen, allein zurück. Als Analphabetin kann sie ihre Kinder nur durch Feldarbeit über Wasser halten.
Mit 12 kommt Ubald ins kleine Seminar, wird Ministrant, singt im Chor und möchte einmal so wie der Priester werden, der die Kinder betreut und sichtlich ins Herz geschlossen hat. Solange nur eines ihrer Kinder im Seminar ist, hat die Mutter gerade noch genug Geld für dessen Ausbildung. Als auch der zweite Sohn dort aufgenommen werden soll , wird es schwierig, für beide Kinder das Geld für Hefte, Kleidung, Essen, Schuldgeld aufzubringen. Die Mutter breitet das verfügbare Geld auf dem Teppich aus: „Nehmt, was ihr braucht,“ sagt sie den Buben. Sie nehmen nur das Nötigste, aber dann bleibt fast nichts für die anderen. Ubald sieht: die Mutter weint – eine bleibende Wunde in seinem Herzen.
Kurz darauf wird die Lage noch schlimmer: Alle Tutsi-Kinder werden von den Schulen verjagt. Ubald und sein Bruder müssen nach Burundi ins kleine Seminar fliehen. Der Rausschmiss ist wohl mit ein Grund für seine Glaubenskrise: Nun haben Fußball und Raufen Vorrang. Er erinnerte sich noch genau: „Ich hatte den Glauben verloren, war zwar nicht undiszipliniert, wollte aber im Seminar nur studieren. In die Messe ging ich nur, weil es Vorschrift war, Früh- und Abendgebet machte ich, weil es befohlen war, aber das Herz war nicht dabei. Alle anderen freiwilligen religiösen Angebote lehnte ich ab. So ging das zwei Jahre.“
Es ist ein Schulkollege, der mit anderen Buben, freiwillig jeden Tag Rosenkranz betet, der seine Sicht aufs Beten verändert. „Keiner der Priester hat die ca. 30 Buben dazu getrieben. Sie kamen freiwillig beten. Das hat mich beeindruckt.“ So beginnt auch er Rosenkranz zu beten: die Geheimnisse hatte er vergessen. Also nimmt er sein eigenes Leben her: Im ersten Geheimnis meditiert er die Kindheit mit dem Vater, im zweiten dessen Tod. Das dritte: Wie Hutus kamen und ihre Bananen stahlen, wie verzweifelt, ohnmächtig die Mutter war. Das vierte: der Eintritt ins Seminar, wie glücklich er damals war. Das fünfte: Wie die Mutter weinte, als sie alles Geld brauchten.
„Ich begann mich zu fragen: Wie hatte die Mutter das Geld verdient? Wie viel musste sie dafür arbeiten! Das Schulgeld in Burundi war teurer als das zu Hause. Freunde des Vaters, die nach Burundi geflohen waren, steuerten etwas Geld bei. Doch der größte Teil blieb an der Mutter hängen.“
Tief im Herzen wird ihm bewusst: „Herr, Du hast die ganze Zeit für mich gesorgt, obwohl ich weit von Dir entfernt war. Ich habe es Dir nie gedankt. Ab heute werde auch ich beten. Was kann ich Dir dafür geben? Ich gebe Dir mein Leben, ganz.“ An diesem Tag beschließt Ubald, Priester zu werden – allerdings in seiner Heimat, um „dort die Liebe zu verkünden, damit sich die Menschen meiner Heimat wieder lieben lernen,“ wie er erklärte.
Welch heldenhafter Entschluss für einen 18-Jährigen, der so viel Böses erlebt hatte und mit weiterem Übel rechnen musste! Die Kosten des Studiums im großen Seminar von Ruanda übernimmt der Pfarrer von Graz-Karlau.
1984 wird Ubald zum Priester geweiht. Es folgen zwei Jahre als Kaplan, dann wird er Pfarrer in zwei Gemeinden, in denen er 10 Jahre wirkt, bevor der Völkermord beginnt. Als im April 1994 der Präsident, ein Hutu, Opfer eines Attentats wird, bricht die Hölle los: „Ich sah, wie die Menschen auf offener Straße ihre Nachbarn umbrachten, wie sie alles, was sie vom Evangelium je gehört hatten, vergaßen – einfach unfassbar!“
Wie konnte es dazu kommen? P. Ubald versuchte, es zu erklären: „Der Genozid war gewissermaßen eine Frucht des Kolonialismus. Vorher gab es keine Konflikte zwischen Hutus und Tutsis. Ob man Hutu oder Tutsi war, war eine Frage des Wohlstands, eine soziale Stellung sozusagen. Nach dem 1. Weltkrieg übernahmen die Belgier Ruanda als Kolonie. Sie brauchten die Reicheren, die Tutsis, jene, die zehn oder mehr Kühe besaßen, zum Regieren und räumten ihnen Vorrechte ein. Ob man Tutsi oder Hutu war, wurde von den Belgiern durch Personalausweise festgelegt. Tutsis durften z.B. studieren. Die Ärmeren wurden zu Hutus gestempelt.
Als nun die gebildeten Tutsi-Elite Ruandas Unabhängigkeit forderte, begannen die Belgier die Hutus, mit denen sie keine Schwierigkeiten hatten, zu fördern. So kam die Spaltung ins Land und die Hutus an die Macht. Und diese Spaltung führte schließlich zur Explosion der Gewalt durch die Hutus, als 1994 deren Präsident ermordet wurde.
Und P. Ubald erlebt das Morden mit: Die Tutsis flüchten vor den Mördern in die Pfarre. Der Pater tritt den Angreifern entgegen. Als sie – es waren ja alle Christen – ihn jetzt erkennen, zögern sie: 10 Jahre hatten sie mit ihm gelebt. Ihn nun öffentlich umbringen, schaffen sie nicht. Aber loswerden wollen sie ihn doch, um freie Hand zu haben. So schieben sie ihm den Mord an zwei Hutus in die Schuhe. Nur wenn der Pfarrer den Ort verlässt, würden die Angreifer die Tutsis der Pfarre verschonen, heißt es.
P. Ubald glaubt nicht an diesen Deal und will bei den Seinen bleiben. Der herbeigeeilte Bischof, ein Hutu, aber nimmt ihn gleich im Auto mit. Ubald erfährt, dass einige Hutus seinen Kopf als Trophäe auf einem Stock aufgespießt sehen möchten. Was er tun solle, fragt er in dieser Nacht den Herrn im Gebet und vernimmt in seinem Inneren: „Wenn man dich aus einem Ort verjagt, geh in einen anderen.“ Darauf der verzweifelte Priester: „Ich kann doch nicht weggehen, Herr.“ Worauf er hört: „Erinnere dich, dass die Verfolgung der ersten Christen die Verbreitung des Evangeliums nach sich zog. Dafür brauche ich dich.“
„So habe ich damals den Auftrag verstanden: zu überleben, um das Evangelium zu predigen,“ erzählte er im Rückblick. Allein aus seinen Pfarren werden 45.000 Menschen den Völkermord nicht überleben. Schaurig, wie er erzählte: „Wir haben das später anhand der Köpfe gezählt, die in der Erde herumlagen.“ In seiner Familie beklagt er den Tod seiner Mutter, eines Bruders und dessen Familie, eines Schwagers und dessen Tochter – insgesamt 84 Verwandte. Seine Schwester wird, unter Leichen liegend, lebend geborgen.
Er selbst gelangt in den Kongo, kommt dann nach Burundi, wird nach Frankreich geholt und schließlich von dem Pfarrer, der ihn unterstützt hatte, nach Graz eingeladen. Traude erinnert sich: „Er war ein gebrochener Mann. Ich kann das Vaterunser nicht mehr beten, kann den Mördern meiner Familie nicht vergeben, hat er gesagt.“ Der Pfarrer rät ihm nach Lourdes zu fahren und die Muttergottes um Hilfe zu bitten. Und P. Ubald erlebt dort ein Wunder: „Bis dahin beweinte ich all das Schreckliche in den Nächten, musste dauernd daran denken, wie ich jahrelang über die Liebe gepredigt hatte – und dennoch hatten die Menschen der Pfarre einander grausam umgebracht. So viele Tote in meiner Familie. Das zu vergeben, war einfach zu schwer. Wozu bin ich Priester geworden? Ist mein Leben nicht vergeudet?“, fragt er sich.
In Lourdes betet er mit anderen gemeinsam den Kreuzweg. Bei der zweiten Station fällt der Satz: Jesus, obwohl unschuldig und ohne Sünde, ist verurteilt worden und hat Sein Kreuz angenommen. „Da höre ich in meinem Inneren: Ubald, nimm dein Kreuz an. Und es durchzuckt mich: Das ist es: Ich will mein Kreuz nicht annehmen. Ein tiefes Erkennen war plötzlich da. Während ich den Kreuzweg weiterbetete, begann meine innere Heilung. Ich wollte jetzt mein Kreuz auf mich nehmen und bekam dadurch die Gnade, wirklich vergeben zu können. Ich hatte schon über Vergebung gesprochen, mein Kreuz aber nicht angenommen. Daher konnte ich bis dahin nicht wirklich verzeihen.“
Als er später ins heilende Wasser von Lourdes steigt, weiß er: Sein Platz ist in Ruanda, um dort die Vergebung und die Versöhnung zu verkünden. „Die Liebe muss siegen,“ ist er überzeugt. Ein Wunder der Barmherzigkeit war geschehen.
Nach sechs Monaten in Europa kehrt P. Ubald nach Ruanda zurück. Die Lage hat sich noch nicht überall beruhigt. Doch nun weiß er: Wenn er sterben muss, so will er in seinem Land sterben – predigend über den Frieden. Sein Weg führt ihn zuerst in die Hauptstadt Kigali. „Ich wollte den Kopf neuevangelisieren. Wenn der Kopf, die Stadt, sich bekehrt, zieht der Rest leichter mit.“ P. Ubald predigt, evangelisiert also in der Stadt, bis ihn der Bischof in seine frühere Diözese zurückholt.
„Die Menschen voller innerer Wunden wollten nicht mehr in die Kirche gehen. Warum hat Jesus nicht geholfen?, haben sie gefragt.“ In der Kirche konzentriert nun P. Ubald sein Wirken auf die Heilung, unablässig betet er darum. Die Leute kommen wieder vermehrt, fangen an, von ihren inneren Verletzungen und auch körperlich geheilt zu werden. Er erinnerte sich zurück: „Ich habe über das Verzeihen gepredigt: Das macht frei. Du kannst nicht geheilt werden, ohne zu verzeihen. Wenn Du an der Unversöhnlichkeit festhältst, hast du eine schwere Last zu tragen. Sie kann krank machen. Wenn wir verzeihen, werden wir frei und Jesus erhört unser Gebet. Ein Leben ohne Verzeihung kann nicht sein. Familien ohne Verzeihung können nicht bestehen, werden kaputt. Oft verzeihen wir mit dem Mund, aber nicht mit dem Herzen. Du musst aber mit dem Herzen – aufrichtig – verzeihen.“
Genau das tut P. Ubald, als er dem Mörder seiner Mutter begegnet und zwar in einer der Strafanstalten, in denen die Mörder eingesperrt waren. Auch dort spricht er über Reue, Vergebung und Versöhnung. „So kam es, dass der Mörder meiner Mutter mir bei einer Predigt im Gefängnis zugehört hatte. Nachher kam er zu mir, fragte mich, ob ich den Mörder seiner Familie kennen würde. Ich habe verneint. Und da hat er sich vor mich hingekniet und gestanden, er sei es gewesen. Er bat mich um Vergebung und um den Segen Gottes. Natürlich habe ich geweint, dann aber habe ich ihn umarmt: "Im Namen Jesu vergebe ich dir, habe ich gesagt.“
„Wenn ich ihm wirklich verziehen habe, muss das auch sichtbare Konsequenzen haben,“ überlegt P. Ubald. Und dann erfährt er, dass die Frau dieses Mannes – während dessen Gefängniszeit – verstorben war. Sie hatte zwei kleine unversorgte Kinder, die bei einer mittellosen Tante lebten, hinterlassen. Um zu beweisen, wie ernst es ihm mit dem Verzeihen war, vertritt er ab da bei den Beiden Vaterstelle, bezahlt ihre Ausbildung, nimmt sie in den Ferien zu sich und kommt auch für ihr Studium auf: Der Sohn wurde Architekt, die Tochter Ärztin. „Nicht alle Menschen können das verstehen, aber für mich war es befreiend,“ erklärte er froh.
Übrigens: Nachdem der Mörder 15 Jahre abgesessen hatte, begleitete er P. Ubalds auf seinen Predigt-Reisen: Während der Priester von Vergebung sprach, legte der Mann öffentlich Zeugnis von seinen Verbrechen ab, sprach vom Bereuen, davon, wie wichtig das Bitten um Vergebung ist und bezeugte auch, dass man Vergebung annehmen müsse.
Weil P. Ubald gelebt hat, was er predigte, bekam er das Charisma, Versöhnung zu stiften, denn verzeihen zu können, ist eine Gnade Gottes. Vielen konnte er auf diese Weise helfen. Er predigte nicht nur in Kirchen und in den Gefängnissen des Landes, sondern fuhr auch in kriegführende afrikanische Staaten, um von Vergebung, Versöhnung und gelebter Liebe Zeugnis zu geben. Tausende kamen, um mitzubekommen, dass das Evangelium lebbar ist. So sagte er etwa im Kongo vor 40.000 Zuhörern: „Jeder Mensch ist nach dem Abbild Gottes gemacht. Schaut einander in die Augen! Ihr werdet sehen: Euer Nächster ist schön, weil nach Gottes Abbild geschaffen. Trau dich deinem Nachbarn zu sagen: Du bist schön, du bist nach Gottes Abbild gemacht. Gebt einander die Hand und sagt dem anderen, dass er von nun an euer Bruder, eure Schwester ist.“ Mit Klatschen, Freude und Lachen dankten ihm die Zuhörer.
Die Pfarre, die P. Ubald nach seiner Rückkehr nach Ruanda übernahm und neu aufgebaut hat, begann zu blühen, weil er dort mit den Menschen die ersten Vergebungsschritte gemacht hat. Als die Menschen, nach guter Vorbereitung verstanden hatten, was Gott – um ihres eigenen Friedens willen – von ihnen wollte, brachte der Priester die Pfarrangehörigen mit den Mörder ihrer Verwandten zusammen. Bei der Hl. Messe, die mit dem Bischof gefeiert wurde, lud man die Mörder ein, sich hinzuknien, und die Verwandten des Opfers sich hinter sie zu stellen. Bat nun der Mörder um Verzeihung, fragte der Bischof die Person hinter dem Mörder, ob sie vergeben könne. „Bist du bereit?“ lautete die Frage. „Ich bin bereit, vergebe ihm,“ war die Antwort. Damit wurde der Mann offiziell wieder in die Kirche aufgenommen und durfte die Hl. Kommunion empfangen.
Traude – sie war nach dem Tod der Mutter seine österreichische „Mama“ – hat mir erzählt: „Als es erstmals zu den Vergebungsbitten kam, hat mich Ubald angerufen und gesagt: "Traude, der Heilige Geist hat unsere Pfarre ergriffen, du kannst dir nicht vorstellen, was das für ein Fest war. Der Himmel war offen!“
Auch Ruandas Präsidentin war damals anwesend und sagte: „Was P. Ubald macht, müsste in allen Pfarren geschehen, dann wird Frieden. Wir müssen erkennen, dass wir Sünder sind und dass Gott verzeiht.“ (So eine Präsidentin wünscht man sich, meine ich). Viele Menschen kamen daraufhin in die Pfarre auf der Suche nach seelischer Heilung. In der Barmherzigkeitskapelle des Ortes wird Tag und Nacht Anbetung gehalten. Und es geschehen dort viele Wunder.
P.Ubald kam nun nicht mehr dazu, sein größtes Projekt, das im Bau begriffen ist, zu vollenden: ein Zentrum des Friedens mit einem Evangelisationszentrum und Häusern für alte Priester, Schwestern, traumatisierte Menschen und Pilger. In den drei dort vorgesehenen Kirchen sollten die Menschen aus Ruanda und anderen afrikanischen Staaten zum Verzeihen, zur Liebe und schließlich zum Frieden geführt werden, um als Versöhnte wieder zurück in ihre Welt zu gehen. Schon jetzt ereignen sich dort große Wunder.
P.Ubald hatte nicht nur die Gabe der Versöhnung sondern auch das Charisma der Heilung. Davon, wie er dieses Charisma entdeckte, erzählte er einmal Folgendes: „Es ist Jesus, der heilt. 1991 bei einer Heiligen Messe, als ich die Augen schloss, sah ich, wie ein Fuß auf mich zukam. Ich fragte mich: Wo kommt dieser Fuß her? Da hörte ich eine Stimme: ,Dieser Fuß ist ein linker Fuß, die Person kann damit kaum mehr laufen. Dann sah ich einen Kopf und hörte eine Stimme: ,Einer hier leidet unter starkem Schwindel.’ Das war alles ganz neu für mich. Ich fragte dann die Leute: Gibt es hier eine Person, die mit dem linken Fuß kaum laufen kann? Da meldete sich eine Frau, sie war geheilt, ebenso wie die Person mit starkem Schwindel, die es nur mühsam in die Kirche geschafft hatte.
Auch unser Freund Jaky wurde 1990 bei einer Messe mit P. Ubald von einer Angina Pectoris-Erkrankung, die starke Schmerzen in der Brust verursachte, geheilt. P.Ubald war damals in Graz und feierte die Abendmesse. Nach der Kommunion sagte er: „Ein Mann mit Schmerzen hier – er zeigt auf seine Brust – wird geheilt.“ Von diesem Moment an hatte Jaky nie wieder Schmerzen in der Brust. Den Nitroglycerin Spray, seinen bis dahin ständigen Begleiter, brauchte er nicht mehr.
Wieder einmal reicht der Platz nicht: Es gäbe doch noch so vieles über diesen Priester mit den vielen Charismen zu erzählen. Für meine Familie und für mich wird er immer das Vorbild eines tiefgläubigen, fröhlichen und ungemein herzlichen Mannes und Priesters bleiben, ein echter Missionar der Liebe, der sein Kreuz angenommen hat, um Verzeihen und Versöhnung in die Welt zu tragen.