Unglaublich, was dieser Mann in den 84 Jahren seines Lebens alles erlebt und bewirkt hat! Die Rede ist von dem 1979 verstorbenen Erzbischof Fulton Sheen, dessen Seligsprechungsverfahren im Gange ist. Einige Schlaglichter auf sein Wirken: Ab 1930 spricht er an den Sonntagabenden im Radio im Rahmen der „Katholischen Stunde“. Zunächst wird die Sendung in 17 US-Sendern ausgestrahlt. 1950 sind es bereits 118 mit geschätzten vier Millionen Hörern allein in den USA. Über Kurzwelle hört man ihm weltweit zu. Täglich erhält er bis zu 6.000 Hörerbriefe.
1951 beginnt Bischof Sheen mit der Fernsehserie „Live Is Worth Living“ (Das Leben ist lebenswert). Sie wird ein Medienhit. Schätzungen zufolge erreicht er wöchentlich zuletzt 30 Millionen Seher und Hörer. Dazu schreibt er eine regelmäßige Kolumne „God Loves You“ für die Katholische US-Presse und eine andere „Bishop Sheen Writes“ für mehrere weltliche Medien. 40 Jahre hält er Glaubensunterricht für Konversionswillige. Er schreibt Bücher, hält Vorträge und Exerzitien…
Außerdem leitet er 16 Jahre lang „Das Päpstliche Werk der Glaubensverbreitung“ und besucht zahlreiche Länder im Rahmen dieser Missionstätigkeit. In dieser Zeit bringen die USA zwei Drittel des weltweit gespendeten Betrags für Missionszwecke auf. Sheen trägt nicht unwesentlich zu diesem Spendenaufkommen bei, stellt er doch alle Honorare, die er für Vorträge und Auftritte (bis zu 26.000 Dollar) erhält, der Mission zur Verfügung.
Welch eindrucksvolle Persönlichkeit hinter all dem steht, wird dem Leser seiner Autobiographie Unerschütterlich im Glauben (Treasure in Clay, lautet der englische Titel) bald klar. Es ist die spannende Beschreibung des Lebens eines außergewöhnlich begabten Mannes, eines Priesters, der sich als Werkzeug Gottes versteht. Dementsprechend auch die Vorbereitung auf seine Auftritte: „Alle meine Predigten werden vor dem Allerheiligsten vorbereitet,“ schreibt er.
Andererseits steht dieser Bischof im Rampenlicht und ist den Versuchungen des weltlichen Erfolges ausgesetzt: der Popularität, der Lobeshymnen, der vielen Auszeichnungen… „Ich genoss das Prestige, Universitätsprofessor zu sein und im Radio und Fernsehen aufzutreten,“ gesteht er und: „Ich war beliebt und wurde umworben. Nach Vorträgen erhielt ich begeisterten Applaus…“
Dennoch durchzieht das Werk ein Geist der Demut. Der Bischof bemüht sich fortgesetzt, all diese „Erfolge“ als das darzustellen, was sie sind: Werke Gottes. Er vermeidet jede Form von Kritik an seinen Gegnern, die es natürlich in seinem Leben auch gab. Diese Haltung verdankt der Bischof vor allem dem eisernen Festhalten an „der Heiligen Stunde“, die er immer auch seinen Zuhörern ans Herz legt. „Manchmal schien es schwer zu sein,“ sie einzuhalten: „Womöglich musste man auf eine gesellschaftliche Verpflichtung verzichten oder eine Stunde früher aufstehen, doch alles in allem ist es nie eine Last gewesen, sondern nur eine Freude.“
Bischof Sheen war nicht nur ein brillanter Redner, ein gebildeter Professor, sondern vor allem ein Mann, dessen Herz für den Herrn brannte. Er schildert eine Gotteserfahrung, die ihm beim Zuhören eines Vortrags im Priesterseminar zuteil wurde: Zunächst folgte er aufmerksam dem Vortrag – „und plötzlich hörte ich nichts mehr. Mein Geist schien mit Licht überflutet zu werden. (…) Während dieser Erfahrung – ich weiß nicht, wie lange sie gedauert hat – erlebte ich eine Erleuchtung meiner Seele, ein Licht, das (…) die überwältigende Überzeugung einer absoluten Glaubensgewissheit mit sich brachte. (…) Diese Erfahrung führte dazu, dass ich nie in meinem Leben am Glauben auch nur im Geringsten gezweifelt habe.“
Nett zu lesen sind die heiteren Erfahrungen, die er im Zuge seiner vielen Begegnungen gemacht hat, und sehr aufbauend die Erzählung von den vielen Bekehrungen, deren Zeuge er werden durfte. Ergreifend ist dann der Rückblick auf sein Leben im letzten Kapitel des Buches, das er in „Drei Lebensabschnitten“ sieht, wobei der letzte von der Erfahrung des Leids geprägt ist. Denn das Buch entstand gegen Ende seines Lebens, in einer Phase, in der Sheen sich mehreren schweren Operationen unterziehen und schlimme körperliche Leiden ertragen musste.
In dieser Zeit erfährt der Erzbischof, „dass es in einigen Winkeln meiner Seele noch Reste von nicht ausgefegtem Atheismus gab. (…) Die Zählliste vergangenen Unrechts, das einem zugefügt wurde, das Wiederkäuen von Groll und Verbitterung, das Lecken der Wunden und die Erinnerung daran, wie sie uns zugefügt wurden, das Abspielen der Tonbänder von realer oder eingebildeter Ungerechtigkeit waren Beweise in Hülle und Fülle, dass ich mir nicht wirklich angeeignet hatte, was mein Glaube mich lehrte und meine Lippen bekannten: dass alle Prüfungen aus der Hand des liebenden Gottes stammen.“
Unerschütterlich im Glauben. Die Autobiografie von Erzbischof Fulton J. Sheen. media maria, 414 Seiten, 22,70€