Ich war 17 oder 18 Jahre alt. Als Jugendlicher braucht man immer Geld, und wen zapft man als erstes an? Seine Eltern. Mein Taschengeld reichte mir nicht, doch mehr konnte ich meinen Eltern nicht auf „legale Weise“ abluchsen. So schwindelte ich meiner Mutter vor, ich bräuchte Nachhilfe und dafür Geld. Das nahm sie mir ab und gab bereitwillig monatlich einen Betrag, den ich natürlich für andere Dinge ausgab, fast ein ganzes Jahr lang.
Nach dem Abi kam ich nach Deutschland zur OJC (Offensive Junger Christen). Mein Leben wandelte sich komplett und ich fand neu zum Glauben.
Beim nächsten Besuch bei meinen Eltern in Südafrika fiel mir wieder ein, was ich getan hatte. Mein Gewissen drückte mich schwer. Ich wusste, ich muss es meiner Mutter sagen! Doch ich fürchtete die Konsequenzen.
Was würde sie tun? Das Geld zurückfordern (wäre nur gerecht), alle weiteren Zuwendungen kappen (wäre gerechtfertigt), ausrasten, verletzt reagieren, für längere Zeit nicht mehr mit mir reden? – Ich wusste es nicht, doch ich fasste mir ein Herz und bat um ein Gespräch.
Meine Mutter hörte sich alles ruhig an, kam an meine Seite, umarmte mich und sagte, dass sie mir verzeihe. Sie wollte nicht wissen, wie viel, wie lange und warum. Ich musste mich nicht rechtfertigen. Nur die Zusage: Ich verzeihe dir! Und zum Schluss sagte sie fröhlich: Ist doch gut, dass das jetzt raus ist - oder?
Mir ist in diesem Gespräch Barmherzigkeit widerfahren. Und diese Barmherzigkeit war viel nachhaltiger, als jede Bestrafung oder pädagogische Maßnahme es hätte sein können. War das gerecht? Nein und Ja. Es war nicht gerecht im Sinne eines Strafkataloges und meiner schuldbewussten Erwartungen, sondern in einem viel umfassenderen Sinne: Meine Mutter ist ihrer Liebe zu mir gerecht geworden. Das ist Barmherzigkeit.
Aus: Salzkorn – Anstiftung zum gemeinsamen Christenleben 01/21. Der Autor ist Prior der Offensive Junger Christen, einer ökumenischen Gemeinschaft.