Alojzije Stepinac erhielt den Doktortitel der Philosophie und der Theologie an der Gregoriana-Universität in Rom und wurde am 26. Oktober 1930 zum Priester geweiht. Nach Kroatien zurückgekehrt, fand er sein Land von Serbien zerschlagen und ausgebeutet. Er wollte Landpfarrer werden, doch der Erzbischof von Zagreb, Antun Bauer, behielt ihn zunächst als Zeremoniar, später als Notar des erzbischöflichen Amtes bei sich. Er willigte ein und bemerkte dazu: „Ich weiß nicht, ob ich hier bleiben werde oder nicht. Das kümmert mich wenig; alle Wege im Dienste Gottes führen in den Himmel.“ Er wurde mit wichtigen Missionen betraut, rief karitative Werke in den Armenvierteln Zagrebs ins Leben und organisierte Armenspeisungen.
1934 erkrankte der Erzbischof schwer, bat um einen Koadjutor und schlug Alois Stepinac vor; dieser versuchte, auf Grund seines Alters (36 Jahre) und seiner geringen Erfahrung als Priester vergeblich, dem Amt zu entgehen: Am 29. Mai wurde er zum Koadjutor ernannt und begab sich zu Fuß in das Marienheiligtum Marija Bistrica, 36 km von Zagreb, um sein schweres Amt Maria ans Herz zu legen. Denn die kroatischen Bischöfe mussten ständig für die Anerkennung der Rechte der katholischen Kirche kämpfen (Schul- und Vereinigungsfreiheit, staatliche Anerkennung der katholischen Ehe usw.).
Im Dezember 1937 starb Mgr. Bauer und Alois Stepinac folgte ihm als Erzbischof von Zagreb nach. Seinen Priestern empfahl er, ihr Bestes dem Innenleben zu widmen. Weiters schrieb er einen offenen Brief an alle Ärzte, in dem er die „weiße Pest“ anprangerte: die Entwicklung der Empfängnisverhütung und der Abtreibung. Weiters gründete er eine katholische Tageszeitung, um den Einfluss der religionsfeindlichen Presse zu bekämpfen.
Der Erzbischof schätzte das Ordensleben und hielt seine Weiterentwicklung für unerlässlich. Die Klöster sollten „Festungen Christi“ werden und die Diözese durch die geistlichen Waffen des Gebets, der Entsagung und des Opfers beschützen.
Erzbischof Stepinac hatte den Zweiten Weltkrieg mit folgenden Worten angekündigt: „Die verheirateten Paare respektieren die Werte der Ehe nicht mehr; man begeht Ehebruch, kümmert sich nicht um die Kinder; mit einem Wort, man tut alles, um den Namen Gottes auf der Erde auszulöschen. Alle sittlichen Werte werden zerstört. Da nimmt es nicht wunder, dass Gott sich nun in der einzigen Sprache an die Massen wendet, die sie verstehen – und das ist das Chaos auf der Erde, der Schrecken des Krieges... Die erste Regel, wenn wir bessere Tage sehen möchten, besteht darin, Gott demütig die Achtung zu erweisen, die ihm gebührt; das ist der einzige Weg zum Frieden!“ Eine nach wie vor aktuelle Lehre!
Am 10. April 1941, nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Jugoslawien, proklamierten die kroatischen Nationalisten (die „Ustascha“) einen unabhängigen Staat in Zagreb. Neben positiven Neuerungen (u.a. Freiheit für die katholische Kirche) brachte sich das neue Regime durch die Diskriminierung orthodoxer Bürger, von Juden und Zigeunern in Verruf. Ohne den durch den Heiligen Stuhl „de facto“ anerkannten kroatischen Staat zu verurteilen, zeigte sich Erzbischof Stepinac überaus zurückhaltend. Er machte sich zum Fürsprecher der Unterdrückten und Verfolgten, prangerte die Übergriffe der Ustascha an und verurteilte die Rassentheorien ebenso wie die Verfolgung der jüdischen und serbischen Minderheit. Während des ganzen Krieges ließ der Erzbischof von Zagreb Unglücklichen gleich welcher Art verschwenderisch Wohltaten zukommen. Er verteilte Wagenladungen von Nahrungsmitteln an Flüchtlinge, kümmerte sich persönlich um Waisen, deren Eltern interniert oder in den Untergrund geflüchtet waren und rettete 6.000 Kinder, meist von orthodoxen Eltern, vor Hungersnot und Tod.
Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in den USA, Louis Breier, sagte 1946 über ihn: „Diese große Persönlichkeit der Kirche wurde der Kollaboration mit den Nazis bezichtigt. Wir Juden verneinen das. Er war immer ein echter Freund der Juden, die in diesen Jahren unter der Verfolgung Hitlers und dessen Anhängern zu leiden hatten. Alois Stepinac ist einer jener wenigen Männer in Europa, die sich gegen die Nazityrannei erhoben haben, und zwar in dem Augenblick, als das am gefährlichsten war... Nach seiner Heiligkeit, Papst Pius XII., war der Erzbischof Stepinac der größte Verteidiger der verfolgten Juden in Europa.“
Beim Rückzug der deutschen Truppen am Ende des Krieges gelang es dem Erzbischof, die völlige Zerstörung Zagrebs zu verhindern, sah aber mit Bedauern, wie die kommunistischen Partisanen Josip Titos die Macht ergriffen, eine blutige „Säuberungskampagne“ begannen und antireligiöse Gesetze erließen. Von den Gerüchten, er würde den Kriegsverbrechern zugerechnet, wenig beeindruckt, war der selige Stepinac fest entschlossen, inmitten seines Volkes zu bleiben.
Am 17. Mai 1945 wurde der Erzbischof überraschend verhaftet. Die kroatischen Bischöfe verlangten seine Freilassung als Vorbedingung für jede Verhandlung. Alle Glocken verstummten in Zagreb, und die Fronleichnamsprozession wurde abgesagt. Angesichts dieses Widerstands machte Tito einen Rückzieher und ließ den Prälaten frei. Dieser erinnerte dann in einem Rundschreiben alle Priester an die heilige Pflicht der Eltern, in den Schulen den Religionsunterricht zu fordern. Er ermahnte die Gläubigen, in diesen schweren Zeiten mehr zu beten, insbesondere den Rosenkranz.
Doch die Diktatur setzte sich immer mehr durch. In einem Hirtenbrief vom 20. September 1945 hielten die katholischen Bischöfe Jugoslawiens fest, seit dem Ende des Krieges seien 243 Priester getötet und 258 interniert worden oder verschwunden. Auch verurteilten sie „den materialistischen und gottlosen Geist, der sich in unserem Lande ausbreitet“.
Im Oktober 1945 wurde der Wagen von Erzbischof Stepinac bei einer Pastoralvisite von Kommunisten angegriffen und die Fenster mit Steinen zertrümmert. Am Vorabend des Attentats hatte die Miliz dem Prälat Repressalien angedroht, wenn er die Visite durchführen würde. „Jedenfalls stirbt man nur einmal,“ bemerkte dieser. „Sie sollen tun, was sie wollen, doch ich werde nie aufhören, die Wahrheit zu predigen… Meine Pflicht bleibt stets die gleiche: Seelen zu retten.“
Bereits im November 1945 traf Erzbischof Stepinac alle Vorkehrungen, damit die Kirchenverwaltung im Falle seiner Verhaftung weiterarbeiten könne. Am 17. Dezember rechtfertigte er sich in einer Botschaft an seinen Klerus im Blick auf alle Anschuldigungen, die gegen ihn vorgebracht worden waren: „Mein Gewissen ist rein und in Frieden vor Gott…“ Er fügte später hinzu: „Ich bin jederzeit bereit zu sterben.“ Am 18. September 1946 drang die Miliz um 5 Uhr morgens in den Amtssitz des Erzbischofs ein und verhaftete ihn in der Kapelle, wo dieser betete. Und am 30. September begann sein Prozess. Gestärkt durch ein reines Gewissen zeigte der Erzbischof vor seinen Richtern keine Schwäche. In vollkommener Ruhe und gewiss des Schutzes seitens der „Anwältin Kroatiens, der Treuesten der Mütter, der Allerseligsten Jungfrau Maria“, vernahm er am 11. Oktober das ungerechte Urteil: 16 Jahre Haft und Zwangsarbeit „für Verbrechen gegen das Volk und den Staat“.
„Grund für die Verfolgung und den Schauprozess gegen ihn war seine Weigerung gegenüber dem Drängen des Regimes, er solle sich vom Papst und vom Apostolischen Stuhl lossagen und die Spitze einer ,kroatischen Nationalkirche’ übernehmen,“ sagte Papst Johannes Paul II. 1998. „Er blieb jedoch lieber dem Nachfolger Petri treu. Aus diesem Grunde wurde er verleumdet und verurteilt.“
Der Erzbischof wurde in Lepoglava inhaftiert und teilte das erbärmliche Los hunderttausender politischer Gefangenen. Viele Wärter demütigten ihn. Die Essenspakete, die er bekam, wurden tagelang der Hitze ausgesetzt oder zerstört, um sie ungenießbar zu machen. Der Erzbischof schwieg dazu. Er machte seine Gefängniszelle zur Mönchszelle des Gebets, der Arbeit und der Buße. Er hatte allerdings das Glück, auf einem Notaltar die Messe feiern zu können. Auf die letzte Seite seines Kalenders von 1946 schrieb er: „Alles für den größeren Ruhm Gottes; auch meine Gefangenschaft.“
Am 5. Dezember 1951 gab die jugoslawische Regierung dem internationalen Druck nach und entließ den Erzbischof in überwachte Freiheit nach Krasic, seinem Geburtsdorf. Er versah dort die Aufgaben eines Vikars und verbachte einen großen Teil seiner Zeit in der Kirche, hörte stundenlang Beichte. Wenn man ihn dazu bewegen wollte, seine nachlassenden Kräfte zu schonen, antwortete er, es sei für ihn Erholung, die Beichte zu hören. Während der ersten Tage in Krasic wurde er von einem ausländischen Journalisten gefragt: „Wie fühlen Sie sich? – Ich erfülle hier wie in Lepoglava meine Pflicht. – Was ist Ihre Pflicht? – Leiden und für die Kirche arbeiten.“
Besuchern, die von den Missetaten des Kommunismus entmutigt waren, antwortete Stepinac: „Man darf nicht verzweifeln, denn selbst wenn der Kommunismus in unserem Volke Spuren hinterlässt, wenn uns durch diese perfide Ideologie die Hände gebunden sind und wenn einige irregehen, so sind wir dennoch besser als die Völker des Westens, die zwar mit materiellen Gütern übersättigt sind, aber in Immoralität und praktischem Atheismus ersticken. Dank sei Gott! Mein Volk ist Gott und der der Seligsten Jungfrau gebührenden Achtung treu geblieben!“
In jener Zeit versuchte die jugoslawische Regierung um jeden Preis, einen Bruch zwischen den kroatischen Katholiken und Rom herbeizuführen und eine Nationalkirche zu gründen mit der Perspektive, die Kroaten dann der serbisch-orthodoxen Kirche einzuverleiben. Zu diesem Zweck wurde eine „Vereinigung der Heiligen Cyrill und Methodius“ gegründet, die regimetreue „patriotische Priester“ zusammenführte. Der zurückgezogen lebende Erzbischof machte Priestern und Gläubigen mit vielen Briefen Mut, ermahnte die Unentschlossenen und holte verlorene Schafe zurück. Mehr als ein Priester gab zu: „Wäre er nicht dagewesen, wer weiß, was aus uns geworden wäre?“ Einer Titos Mitarbeitern, Milovan Djilas, bekannte später: „Wenn Stepinac nachgegeben und eine von Rom unabhängige kroatische Kirche proklamiert hätte, hätten wir ihn mit Ehren überschüttet!“
Am 12. Januar 1953 verlieh Papst Pius XII. Stepinac die Kardinalswürde. Der Erzbischof konnte sich nicht nach Rom begeben aus Angst, die Regierung würde ihn an der Rückkehr in die Heimat hindern. In einem Gespräch mit einem ausländischen Journalisten prophezeite er: „In dem Kampf, der (in Jugoslawien) zwischen Kirche und Staat stattfindet, wird der Geist siegen, nicht die Materie. Nie hat sich der Materialismus in der Geschichte der Menschheit endgültig durchsetzen können.“
Die Freigebigkeit des Kardinals für die Armen kannte keine Grenzen: „Er hat nur das Notwendigste an Kleidung,“ bemerkte der Pfarrer von Krasic. „Er verschenkt alles. Er hat gerade noch zwei Paar Schuhe an die Armen gegeben.“
Ende 1952 musste er am Bein operiert werden. Im Jahr darauf zeichnete sich eine schwere Blutkrankheit bei ihm ab. Dennoch wurden die Methoden des Regimes nicht sanfter. Im November 1952 befahl Tito, alle Besuche nach Krasic zu unterbinden. Die Bewacher des Kardinals (deren gab es 1954 nicht weniger als 30) beschimpften ihn und machten sich in jeder Weise über ihn lustig. Die lange Untersuchung im Zuge der Seligsprechung kam 1994 zu dem Ergebnis, sein Tod sei die Folge der 14 Jahre Isolierung, der ständigen physischen und moralischen Pressionen und Leiden gewesen.
Während all der Jahre erzwungener Einsamkeit nahm Kardinal Stepinac die von unserem Herrn Jesus Christus gebotene geistliche Haltung an: Liebet eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen. Man hörte, wie er für seine Verfolger betete und sagte: „Wir dürfen nicht hassen; auch sie sind Geschöpfe Gottes.“ In seinem geistlichen Testament schrieb er: „Ich bitte aufrichtig jede Person, der ich auf welche Weise auch immer Unrecht getan habe, mir zu vergeben, und ich vergebe aus ganzem Herzen allen, die mir Unrecht getan haben...“ Am 10. Februar 1960starb er in Krasic mit den Worten: Fiat voluntas tua! (Dein Wille geschehe!).
Am 7. Oktober 1998 stellte Papst Johannes-Paul II. fest: „Wir erkennen in der Seligsprechung Kardinal Stepinacs den Sieg des Evangeliums Christi über die totalitären Ideologien; den Sieg der Rechte Gottes und des Gewissens über Gewalt und Schikanen; den Sieg der Vergebung und der Versöhnung über Hass und Rachsucht.“