Gerade in diesen Corona-Zeiten fühlen sich viele Menschen bedrängt. Die Psychotherapeuten haben Hochkonjunktur. Aber nur wenige verirren sich zu einem Priester, um ihre Lasten abzuladen. Die Beichtpraxis nimmt seit langem ab. Und dabei: Wie befreiend wirkt eine gute Beichte! Im Folgenden ein Interview mit einem renommierten Beichtvater.
Warum gibt es die Beichte eigentlich?
P. Bernhard Vošicky OCist: Es gibt, von Gott gegeben, die Zehn Gebote, die wir schon in der Schule lernen. Und der Menschen sondert sich immer wieder von diesen Geboten ab. Von dieser Absonderung kommt das Wort Sünde. Sünde ist das Sich-Absondern von dem, was Gott will und von uns verlangt. Die Zehn Gebote, die Mose im Alten Testament am Sinai gegeben wurden, sind die Minimalforderung Gottes, damit wir unser Leben richtig gestalten können. Wenn diese minimalen Forderungen nicht eingehalten werden, spricht man von Sünde. Und diese Sünde muss bekannt, also zugegeben werden: Ich muss eingestehen, dass ich mich von Gott abgesondert habe. Und dann ist eine Versöhnung, eine Wiederverbindung mit Gott möglich.
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Darf der Priester meine Beichte weitererzählen?
P. Vošicky: Das strengste Geheimnis, das es auf Erden gibt, ist das sogenannte „sigillum“, Beichtsiegel oder Beichtgeheimnis. Das muss auf alle Fälle gewahrt werden. Das darf niemand brechen. Es gab in der letzten Zeit viel Diskussion darüber, ob man nicht bei Missbrauch etwas sagen müsste, wenn gebeichtet wird. Aber: Dieses Beichtsiegel darf selbstverständlich nicht verletzt werden.
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Muss mich der Priester von meinen Sünden lossprechen?
P. Vošicky: Die Lossprechung kann verweigert werden, denn das steht in der Heiligen Schrift. Jesus Christus hat ja dieses Sakrament eingesetzt – und zwar interessanterweise nach der Auferstehung: Der auferstandene Herr Jesus Christus kommt, haucht die Apostel an und sagt: „Empfanget den Heiligen Geist. Wem ihr die Sünden nachlasst, dem sind sie nachgelassen. Und wem ihr die Sünden behaltet, dem sind sie behalten.“ Sie können also beurteilen, ob losgesprochen werden kann oder nicht. Es gibt Momente, wenn ich deutlich merke, dass kein echter Wille zur Umkehr, zum Neuwerden, zum Sich-Bekehren, wenn keine echte Liebesreue da ist – entscheidend bei der Beichte ist ja das demütige, reumütige, zerknirschte Herz –, dann kann ich keine Lossprechung erteilen. Oder wenn der Beichtende hartnäckig in der Sünde verharrt.
Wann war eine Beichte gut?
P. Vošicky: Wenn das Gewissen entlastet – im wahrsten Sinne des Wortes: ent-lastet – ist, geht der Pönitent ohne Last weg. Entlastet bedeutet, dass er sich innerlich entspannt, befreit erlebt. Bei vielen Beichten ist das deutlich spürbar, wenn Leute sagen: Jetzt bin ich 100 Kilo leichter, um Jahre jünger. Ich sage immer, die Beichte sei der Schönheitssalon der römisch-katholischen Kirche. Eine Frau die gut gebeichtet hat, ist nachher jünger und schöner – eben erleichtert. Das ist im Lachen, in der Mimik spürbar. Die Reuetränen, der Reueschmerz sind vorüber – und wenn diese Traumatisierung weg ist, ist das wirklich eine Erleichterung. Man könnte auch humorvoll sagen: Wenn Sondermüll, Sperr- und Restmüll entsorgt und deponiert sind, dann ist der Mensch eben erleichtert und glücklich.
Und wenn man danach keine Erleichterung verspürt?
P. Vošicky: Dann ist es sehr notwendig, dass man auch Heilungsgebete spricht. Das ist ein Kapitel, das in letzter Zeit neu geschrieben wurde – auch in vielen wissenschaftlichen Publikationen. Interessanterweise haben das Zweite Vatikanische Konzil und der Katechismus der Katholischen Kirche von der Beichte und der Krankensalbung von den Sakramenten der Heilung gesprochen. Da erkennt man den Akzent, der auf dem Sakrament liegt: Es soll, was verwundet ist, geheilt werden. „Durch Seine Wunden sind wir geheilt.“ Wir dürfen auch unsere Verwundungen und Verletzungen in die Wunden des Herrn legen. Dort heilen und vernarben sie. Ja, dort wird alles sogar verklärt. Christus nimmt es hinauf zum Vater, wo alles verklärt und verwandelt wird,
Wie oft sollte man beichten?
P. Vošicky: Das ist unterschiedlich. Es gibt Menschen, die eine hohe Verantwortung haben. Von manchen sagt man, sie hätten täglich gebeichtet, z.B. Päpste. Wenn ich Verantwortung für die Weltkirche, für mehr als eine Milliarde Katholiken habe und Entscheidungen treffen muss, dann bin ich viel mehr gefordert in meinem Gewissen als ein Durchschnittschrist. Und dann gibt es die normale Bevölkerung. Da gehen viele am Herz-Jesu-Freitag, dem ersten Freitag im Monat, beichten – und wenn es da nicht geht, um diese Zeit herum, also monatliche Beichte. Es gibt auch Leute, die die Quartalsbeichte schätzen: Weihnachten, Ostern, Maria Himmelfahrt und dann noch einmal zwischendurch. Die Kirche sagt: Wenigstens einmal im Jahr – und da am besten in der österlichen Zeit, von Aschermittwoch bis Ostern. Das ist das Minimum, das gefordert wird.
Haben Sie nicht schon alles gehört?
P. Vošicky: Ich komme immer wieder drauf, dass ich noch nicht alles gehört habe. Oft denke ich mir: Was es alles gibt! Und leider Gottes gibt es auch Erschütterndes. P. Karl rät oft: Gehen Sie zu P. Bernhard, dem graust vor nichts. Ja, es darf einem vor nichts grausen. Aber das Schöne ist ja, dass wir nicht nur das Grauen und das Schreckliche der Sünde erfahren, sondern ganz unmittelbar auch die Herrlichkeit der Gnade, der Barmherzigkeit Gottes. Gerade dann, wenn die Sünde übergroß ist, ist die Barmherzigkeit noch größer. Daher ist es immer etwas Großes, weil die Herrlichkeit Gottes umso mehr aufstrahlt.
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Was hat es mit der Buße auf sich?
P. Vošicky: Das Wort Buße könnte man mit Wiedergutmachung übersetzen, auf Lateinisch „reparatio“, Reparatur. Man kann es auch mit Sühne übersetzen, also etwas für einen anderen wieder gut machen. Ich kann meine Fehler bereuen, beichten, bekennen und dann wieder gut zu machen versuchen. Dieser Versuch, es wieder gutzumachen, ist die Buße. Eigentlich müsste man sagen: Sie haben diesen Menschen schwer verletzt, versuchen Sie, es wieder gutzumachen, indem sie für ihn öfter beten, etwa für ihre Kinder, ihre Frau… Vielleicht auch: Opfern Sie eine Heilige Messe für die betroffenen Personen und versuchen Sie, es durch Werke der Liebe wieder gut zu machen. Manchmal gebe ich in der Fastenzeit ein „Zungenfasten“ auf: Also weniger sprechen – und wenn, dann nur das Gute. Das wirkt sehr. Was durch viel Reden zerstört wurde, kann durch liebendes Schweigen gutgemacht werden. Am schönsten ist es, wenn es einen Streit gab, dass der Pönitent seine Hand ausstreckt und sich versöhnt.
Wie bereite ich mich gut auf eine Beichte vor?
P. Vošicky: Die beste Gewissenserforschung ist der 1. Korintherbrief 13: Die Liebe bläht sich nicht auf, sie handelt nicht unschicklich, sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie erträgt alles, erduldet alles, hält allem stand… Wenn ich dann statt dem Wort Liebe meinen Namen einsetze, komme ich darauf, ob ich noch in dieser Liebe bin oder nicht. Da komme ich immer drauf: Wo stehe ich? Jesus sagt ja: Bleibt in meiner Liebe… Dieses Bleiben kann man da gut abfragen. Das nenne ich Gewissenserforschung. Ich kann natürlich auch die Zehn Gebote hernehmen. Im Gotteslob gibt es auch mehrere Gewissensspiegel. (…)
Haben Sie schon jemanden an einen Therapeuten verwiesen?
P. Vošicky: Immer wieder, wenn ich spüre, da könnte eine psychische Krankheit vorliegen, frage ich: Sind Sie in Behandlung? Dann höre: Ja, ich bin in Behandlung und habe diese Diagnose… Der Arzt behandelt dann die Krankheit. Wir Priester schauen aber, dass die Seele von der Sünde befreit wird – und auch vom Bösen. Und da sind wir bei einem eigenen Kapitel: Vom bösen Feind zu befreien. Wir dürfen nicht vergessen, dass es den Teufel und die Dämonen gibt, die daran interessiert sind, dass die Seele des Menschen immer mehr von Gott abgesondert wird. Die Mächte und Gewalten der Finsternis beeinflussen die Seele des Menschen. Und wenn eine Seele schwach ist, etwa durch eine psychische Erkrankung, die von Therapeuten behandelt wird, dann ist die Gefahr, dass diese Seele auch durch dämonische Kräfte beeinflusst wird, sehr groß. Dann ist sowohl durch den Priester als auch durch den Therapeuten Behandlung erforderlich. Der Priester kann die Mächte und Gewalten der Finsternis abdrängen durch den Exorzismus, ein Gebet der Kirche zur Befreiung von und zum Schutz vor dem Bösen.
Machen Ihnen Begegnung mit dem Bösen auch Angst?
P. Vošicky: Es ist das Wesen des Teufels, dass er uns Angst macht. Der Böse macht sich bemerkbar, damit er uns einschüchtert und Angst macht. Deswegen steht 365 Mal in der Heiligen Schrift: Fürchte dich nicht, glaube nur! Der Glaube und das Vertrauen auf Gott müssen dann größer sein als die Angst. Aber dass man einen oder mehrere Schreckmomente hat, ist verständlich. Wenn dann lautstark gebrüllt wird oder Hartes gesagt wird, wenn jemand bedrängt oder gar besessen ist, dann kommt es vor, dass übernatürliche Kräfte da sind, dass gepoltert wird und Gegenstände geworfen werden. Dass man dann aufschreckt, ist logisch.
Was möchten Sie abschließend sagen?
P. Vošicky: Dass ich jeden ermutigen möchte, zur Beichte zu gehen. Und jetzt noch etwas Wichtiges: Derjenige, der Ihnen die Beichte abnimmt und vor Ihnen sitzt, ist selbst Sünder. Wäre dieser Mensch kein Sünder, dann hätte er kein Verständnis. Aber weil er selbst sündigt, weil er selbst weiß, dass der Geist willig, das Fleisch aber schwach ist, hat er Verständnis für den Sünder und kann sich gut hineinfühlen.
Das ganze Interview ist zu sehen:
https://www.youtube.com/watch?v=gFJTVczU_M4&t=21s