VISION 20003/2021
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Was soll ich denn beichten?

Artikel drucken Anregungen für eine gute Gewissenserforschung (P. Justin Minkowitsch OCist)

Viele tun sich mit dem Beichten schwer: Der Alltag nimmt stark in Anspruch, man versucht, so gut es geht, seine Pflicht zu erfüllen, begeht selbstverständlich all die Verbrechen nicht, von denen man aus den Medien erfährt – und fragt sich: Was soll ich eigentlich beichten? Ein sehr empfehlenswertes Buch (siehe S. 24) über die Beichte geht unter anderem dieser Frage nach. Im Folgenden Auszüge daraus:

Vielfach ist heutzutage – auch unter Katholiken – eine Haltung anzutreffen, dass man nicht weiß, was man beichten soll; man habe niemanden umgebracht und nichts gestohlen… Im 1. Johannesbrief heißt es aber im Gegensatz dazu: „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Er treu und gerecht; Er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht. Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben, machen wir Ihn zum Lügner, und Sein Wort ist nicht in uns“ (1 Joh 1, 8-10).
P. Slavko Barbaric stellte hinsichtlich Gewissenserforschung (zur Beichte) fest: „Es genügt nicht, mich zu fragen: Habe ich mein oder ein anderes Leben zerstört? Die wesentliche Frage ist: Was habe ich getan oder verabsäumt zu tun, sodass mein und das Leben anderer nicht richtig wachsen konnte?“
Im Hinblick auf die Aussage mancher Menschen – „dass sie eigentlich nichts zu beichten hätten“ – gibt P. Slavko den Ratschlag, den er von Hans Urs von Balthasar für solche Fälle erhielt, wieder: „Wenn Menschen sagen, dass sie nichts zu beichten hatten, danken sie gemeinsam mit ihnen Gott, dass sie keine Sünden haben! Dann stellen Sie diese Frage: ,Haben Sie in jeder Situation Gott über alles geliebt und Ihren Nächsten mehr als (bzw. wie) sich selbst?’ Fragen Sie und hören Sie auf die Antwort! Denn wer kann sagen, dass er Gott vollkommen geliebt hätte?! Und solange er das nicht sagen kann, hat er immer noch etwas zu bekennen und für etwas um Verzeihung zu bitten.“
P. Franz Schmidberger weist bezüglich „Routineanklagen“ in ähnlicher Weise auf das Verkennen der Berufung zu einer zutiefst herzlich gelebten Gottesbeziehung hin: „Bisweilen kommen Menschen in den Beichtstuhl, die sich anklagen, sie hätten das eine Mal unandächtig gebetet, ein anderes Mal sich einer Notlüge schuldig gemacht und dann eine kleine Sünde gegen die Nächstenliebe begangen. Natürlich handelt es sich dabei um ein moralisches Versagen, dessen man sich anzuklagen hat; aber als Beichtvater sieht man sich hier eher einer Routineanklage gegenüber, die am Wesentlichen vorbeigeht: Wie steht es im Tiefsten meiner Seele, meines Herzens, meines Lebens mit meinem Verhältnis zu Gott? Ist er wirklich das höchste Gut meines ganzen Daseins, lebe ich auf Ihn hin und aus Seiner Vorsehung heraus, oder murre ich gegen diese und lehne mich gegen mein Kreuz auf? Mit einem Wort: Nehme ich meine Taufversprechen ernst und erneuere ich sie von Zeit zu Zeit?“
Je näher wir der „Sonne des Heils“, dem Herrn der Herrlichkeit, kommen, desto deutlicher werden wir auch jene Stellen in unserem Leben erkennen, die noch wenig angestrahlt, erwärmt bzw. umgewandelt in fruchtbares Erdreich (gewesen) sind: die Sünden oder sündhaften Haltungen von Klein- oder Unglaube in einer zu wenig (effektiv) gelebten persönlichen Gottesbeziehung (in gering geachtetem bzw. vernachlässigtem oder zerstreut bzw. schlecht verrichtetem Gebet; Unterlassen der Weiterbildung im religiösen Bereich), Herzenshärte bzw. -kälte, Unversöhnlichkeiten oder gar Verbitterungen, Egoismus, Verzagtheit, andere beurteilen, über sie richten oder sie als gering(er) achten, über sie lieblos sprechen oder (ständig) kritisieren, sie „schneiden“ bzw. an ihnen bewusst „vorbei leben“…
„Christlicher Glaube ist immer der Blick des Nachtvogels in das überhelle Licht.“
Es ist bedeutsam, hier noch explizit auf die Unterscheidung zwischen Versuchung und Sünde hinzuweisen. Es gibt Versuchungen – in Gedanken, Gefühls- und Sinnesregungen – die, ohne unsere freiwillige Zustimmung, noch nicht Sünden sind; es sei denn, dass hier eventuell Unterlassungssünden ins Spiel kommen: Dass wir unseren Geist von heiligen Gedanken entblößt haben, und z.B. tags­über rein weltlich dahingelebt und somit selbst einen Nährboden für Versuchungen oder „Erdenschwere“ bereitet haben.

Pater Justins Buch „Zur Theologie der Hl. Beichte. Das zu Unrecht vergessene Sakrament“ (ISBN: 978-3-200-07051-6, 476 Seiten) ist für 17,77 Euro zzgl. Versandkosten beziehbar über den Autor: Pater Justin Minkowitsch OCist, Annarotte 9, A-3222 Annaberg, bzw. per Mail: p.justin@ready2web.net.


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