Jedes Jahr, zur Zeit der Priesterweihen, kann eine gewisse mit Angst gemischte Wehmut die Herzen der Gläubigen und der Priester befallen: Und tatsächlich, zu wenige junge Männer beschreiten den Weg zum Priestertum.
Manche Diözesen haben seit mehreren Jahren keine Neupriester. Man könnte aber auch Dank sagen: dafür, dass in den schwierigen Zeiten, in denen wir leben, es noch Priesterweihen gibt, Herzen, die sich dem Anruf Christi öffnen, und dass Leben vom dringenden Anruf des Evangeliums berührt werden.
Die Seminaristen und die jungen Priester heute sind anders als jene von gestern und vorgestern. Nicht alle Menschen verstehen diese Tatsache, viele sind nicht bereit, sie zu akzeptieren. Da und dort, sogar in Rom, so scheint es, wirft man ihnen vor, zu „traditionalistisch“ zu sein. Nur – wer fürchtet sich vor der Tradition? Sollen die unfruchtbaren Debatten wiederbelebt werden, die die Kirche in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zermürbt haben? Im Gegensatz dazu hat Benedikt XVI. den Mut und die Weisheit besessen, hier den Weg zur Versöhnung freizumachen.
Meine jungen Mitbrüder leben auf ganz natürliche Weise diesen innerkatholischen Ökumenismus. Sie bringen sich dort ein, wo es Engagement und Leben gibt, überschreiten arglos Grenzen, ignorieren Empfindlichkeiten, den Kampf um Riten oder pastorale Ansätze.
Man wirft ihnen manchmal vor, zu bestimmt aufzutreten, zu sehr zu kontrollieren, sich zu sicher zu sein. Das ist nun einmal ihre Art – vielleicht ungeschickt und manchmal noch unreif – ihre Hirtenaufgabe wahrzunehmen; der Hirte sammelt, leitet, nährt; ein junger Priester will nicht Zuschauer oder Schiedsrichter eines Matches sein, das andere spielen. Er will mit der Mannschaft auf dem Spielfeld sein. Nebenbei sei bemerkt, dass dem Priester oft Klerikalismus vorgeworfen wird von Laien, die seit Jahren das Heft in die Hand genommen hatten und keine Lust haben, es loszulassen!
Ein Wort noch zum Thema Zahl der Priester. Man vergisst die mathematische Gleichung, welche die „Krise der Berufungen“ relativiert: Es gibt zehnmal weniger Weihen, das stimmt. Aber es gibt auch zehnmal weniger Getaufte, die Christus anhängen, die von den Sakramenten leben (weniger als 2% der Bevölkerung). Wir haben also eher eine Glaubenskrise, eine Krise der Katechese, des Gebets-, des Gemeinschaftslebens und des Engagements.
Die Berufungen entstammen jedoch dem Netzwerk, in dem diese echte „Tradition“ gelebt wird. Sie ist ja das wahre Leben der Kirche, in ihr verwurzelt und ausstrahlend. Das vermittelt diesen „neuen Priestern“, trotz aller Vielfalt, gemeinsame Züge: In einer Welt, in der die Gegenwart Gottes ausradiert ist, zeigen sie Flagge. Sie tragen den römischen Kragen, manche sogar die Soutane. Sie zelebrieren eine Liturgie, welche die Ehre Gottes widerspiegeln soll. Sie leben einen brüderlichen, nicht mehr einsamen Zölibat. Und wenn „die Kirche existiert, um zu evangelisieren“ (Paul VI.), so müssen sie Wege finden, um den Schatz, für den sie geweiht wurden, an die „Peripherie“ zu tragen.
Famille Chrétienne v. 3.-9.7.21