Nachdem Jesus erneut erklärt hat, was mit Ihm in Jerusalem geschehen muss, schaut Er den Zwölf ins Gesicht, Er starrt ihnen in die Augen, als wolle Er sagen: „Ist das klar?“ Dann setzt Er den Weg an der Spitze der Gruppe fort. Und zwei trennen sich von der Gruppe, Jakobus und Johannes. Sie treten an Jesus heran und sagen ihm ihren Wunsch: „Lass in deiner Herrlichkeit einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen!“ Dies ist ein anderer Weg. Das ist nicht der Weg Jesu, es ist ein anderer. Es ist der Weg derer, die, vielleicht ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein, den Herrn „benutzten“, um sich selbst zu fördern; derer, die – wie der heilige Paulus sagt – „ihren Vorteil“ suchen und „nicht, was Jesu Christi ist“ (Phil 2,21). Dazu gibt es vom heiligen Augustinus jene wunderbare Predigt über die Hirten (Sermo 46), und es tut uns immer wieder gut, sie in der Lesehore stets neu zu lesen.
Nachdem Jesus Jakobus und Johannes angehört hat, regt Er sich nicht auf, ärgert sich nicht. Seine Geduld ist wirklich unendlich. Und Er antwortet: „Ihr wisst nicht, um was ihr bittet.“ Er entschuldigt sie in gewisser Weise, aber gleichzeitig beschuldigt Er sie: „Ihr merkt gar nicht, dass ihr abseits des Weges geht.“ Tatsächlich sind es unmittelbar danach die anderen zehn Apostel, die mit ihrer empörten Reaktion auf die Söhne des Zebedäus zeigen, wie sehr alle der Versuchung unterliegen, abseits des Weges zu gehen.
Liebe Brüder, wir alle lieben Jesus, wir alle wollen Ihm nachfolgen, aber wir müssen immer wachsam sein, um auf seinem Weg zu bleiben. Denn mit unseren Füßen, physisch können wir bei Ihm sein, während unsere Herzen weit weg sein und uns abseits des Weges führen können. So kann z.B. das Purpurrot des Kardinalsgewandes, das für die Farbe des Blutes steht, für den weltlichen Geist zu einer eminenten Auszeichnung werden. (...)
In dieser Erzählung des Evangeliums fällt immer wieder der scharfe Kontrast zwischen Jesus und den Jüngern auf. Jesus weiß um ihn, er kennt und erträgt ihn. Aber der Kontrast bleibt: Er auf dem Weg, sie abseits des Weges. Zwei unvereinbare Wege. Tatsächlich kann nur der Herr seine Freunde retten, die orientierungslos sind und Gefahr laufen, verloren zu gehen, nur Sein Kreuz und Seine Auferstehung. Für sie, wie auch für alle, geht Er nach Jerusalem hinauf. Für sie und für alle wird Er Seinen Leib brechen und Sein Blut vergießen. Für sie und für alle wird Er von den Toten auferstehen, und durch die Gabe des Geistes wird Er ihnen vergeben und sie verwandeln. Er wird sie endlich auf Seinen Weg führen.
Der heilige Markus – wie auch Matthäus und Lukas – hat diese Erzählung in sein Evangelium aufgenommen, weil sie ein heilbringendes Wort ist, das die Kirche zu allen Zeiten braucht. Auch wenn darin die Zwölf eine schlechte Figur machen, ist dieser Text in den Schriftkanon eingegangen, weil er die Wahrheit über Jesus und über uns erkennen lässt. Es ist auch für uns heute ein heilbringendes Wort. Auch wir – Papst und Kardinäle – müssen uns immer in diesem Wort der Wahrheit widerspiegeln. Es ist ein scharfes Schwert, es schneidet uns, es ist schmerzlich, aber gleichzeitig heilt, befreit, bekehrt es uns. Bekehrung ist genau das: von abseits des Weges zurück auf den Weg Gottes zu gehen.
Aus der Predigt beim öffentlichen Konsistorium anlässlich der Kreierung von 13 neuen Kardinälen am 28.11.20