Erstaunlich, was alles in ein Leben passt – das waren meine Gedanken, als ich das Buch Meine Odyssee zum inneren Quell von Hans Kern fertig gelesen hatte. Da ist zunächst die Schilderung seiner Kinder- und Jugendzeit: Geboren in der Nachkriegszeit auf einem Bauernhof in der Südsteiermark, entführt Kern den Leser in eine Welt, die untergegangen ist. Da ich diese Gegend gut kenne, weiß ich, wie sehr sich das Leben dort verändert hat. Der Autor versucht, seine Jugendzeit nicht nostalgisch zu verklären. Er führt dem Leser einen Lebensstil vor Augen, der stark vom Glauben, von harter Arbeit, aber wenig Hetze, von großer Naturverbundenheit und –abhängigkeit, von viel Gemeinschaftsleben, aber auch strenger Erziehung – heute undenkbares Verhalten des Lehrers – geprägt war.
Im jungen Hans erwacht dann die Sehnsucht, die große Welt kennenzulernen – und er begibt sich auf Wanderschaft, im wahrsten Sinn des Wortes. Per Anhalter und zu Fuß macht er sich auf den Weg nach England (ohne entsprechende Sprachkenntnisse), dann bricht er nach Asien auf, verbringt einige Zeit in einem Kibbuz und gelangt auf abenteuerliche Weise über Persien, Afghanistan, Nepal nach Indien – und dort landet er bei einer Sekte.
Spannend sind seine Tagebuch-Aufzeichnungen – auf ihnen beruht das Buch – über seine Zeit bei der Sekte: die erfolgreiche Gehirnwäsche, der er unterzogen wird, die neue, überlegene Weltsicht, die ihn und seine Kommilitonen beflügelt, ihre missionarische Begeisterung… Bemühungen der alarmierten Eltern, ihn aus den Fängen der Sekte zu befreien, scheitern. Es bedarf einer massiven Deprogrammierung, um den begeisterten Jünger wieder in ein normales Leben auf dem heimatlichen Bauernhof zurückzuführen.
Lange wird er an den Folgen der zwar überwundenen Gehirnwäsche leiden. Sein Glaubensleben intensiviert sich, die Wanderlust bleibt ihm erhalten: nach Italien, Russland, Skandinavien… In Medjugorje empfängt Kern neue Glaubensimpulse.
Prägend wird für ihn ein Gruppen-Ausflug auf den Hochschwab, der nach einem Schlechtwetter-Einbruch in einer Katastrophe endet: Fünf von sechs seiner Begleiter kommen ums Leben. Ergreifend die Schilderung dieser Tragödie.
Das Buch endet mit einem Brief, den Kern an seine Kinder schreibt. Ihnen legt er ans Herz: „Bleibt stark im Glauben, dann werdet ihr auch schlechte Zeiten gut überstehen. Im Glauben fühlt man sich getragen, das haben mich schon meine Eltern gelehrt. Sie haben zwei Weltkriege erleben müssen und sind nicht verzweifelt. Gebt den materiellen Dingen einen nicht zu großen Stellenwert, sie sind vergänglich. Der Mensch ist auf Gott hin geschaffen, und deshalb wird er auch nur in Ihm den Frieden finden…“
Das Buch ist flott geschrieben, liest sich leicht – und regt doch immer wieder dazu an, sein eigenes Leben zu reflektieren.
Meine Odyssee zum inneren Quell. Von Hans Kern. Weishaupt-Verlag. 166 Seiten. 19,95€