Weil unser Land nach zwei Jahren Pandemie eine schwere Krise – der Angst vor Krankheit, des gegenseitigen Misstrauens, des Vertrauensverlusts, der zwischenmenschlichen Beziehungen… – erlebt, soll es der Gottesmutter anvertraut werden. So der Aufruf für ein „Gebet für Österreich“, das mittlerweile in 250 Orten des Landes Menschen am Mittwoch um 18 Uhr zum Rosenkranzgebet in der Öffentlichkeit einlädt. Das Anliegen: „Den Rosenkranz für Zusammenhalt und Versöhnung in unserer Gesellschaft und für Frieden und Freiheit in unserem Land zu beten. Auch die Regierenden und Verantwortungsträger unseres Landes sollen in diese Gebete mit eingeschlossen werden.“
Im Folgenden ein Gespräch mit dem Initiator der Gebetsbewegung über deren Entstehung und rasante weltweite Verbreitung.
Herr Laroche, erzählen Sie, wie Sie dazugekommen sind, als Geschäftsmann eine Gebetsbewegung zu initiieren.
Louis-Pierre Laroche: Zu Beginn der Pandemie hatte ich gleich den Eindruck, es muss etwas geschehen. Mir ging es um die Rechte der Kirche. Ich habe die Materie studiert, für die Freiheit der Religionsausübung gekämpft und mehrere Briefe an die Regierung geschrieben – mit ganz konkreten Hinweisen und Vorschlägen. Und tatsächlich habe ich dann manches davon in der ersten Öffnungsverordnung nach dem großen Lockdown 2020 gefunden. Mein Argument war die Religionsfreiheit. Vor allem durch das Konkordat von 1934 wird für die Katholische Kirche eine absolute Freiheit der Religionsausübung festgehalten: Der Staat hat sogar dafür zu sorgen, dass diese Freiheit ausgeübt werden kann. Er ist quasi der Garant dieser Freiheit. Religiöse Veranstaltungen sind daher von der staatlichen Regulierung ausgeschlossen. Und diese Freiheit habe ich immer wieder eingemahnt – nicht im Auftrag der Kirche, sondern als Bürger. An den Reaktionen auf meine Briefe habe ich gemerkt: Da sind oft Leute am Werk, die keine Ahnung von der Verfassung haben oder sich nicht um sie kümmern.
Dennoch gab es Ende 2020 wieder Einschränkungen…
Laroche: Die Bischöfe sind natürlich frei, eigene Richtlinien zu erlassen. Ich habe jedenfalls meine Informationen an Priester und Ordensleute geschickt, von denen ich annahm, dass sie an ihnen interessiert sein könnten. In Tirol waren nämlich Priester bestraft worden, weil sie 2020 mit Gläubigen die Messe gefeiert hatten. Dass dies hilfreich war, habe ich dann an einer Begebenheit in der Steiermark erfahren. Da haben Nachbarn die Polizei gerufen, weil Leute nach der Messe noch vor der Kirche beisammen standen – ohne Abstand und Mundschutz. Die Polizei hat den Priester zitiert und ihm Vorhaltungen gemacht. Dieser erklärte, religiöse Veranstaltungen seien von den Bestimmungen ausgenommen. Aber es gäbe die Anweisungen der Bischöfe, wurde ihm entgegenhalten. Darauf erwiderte er, es sei nicht Sache der Polizei, bischöfliche Anordnungen durchzusetzen. Am nächsten Tag rief mich der Priester an, die Polizei habe sich nach Rückfrage für ihr Einschreiten entschuldigt. Das war eine Bestätigung: Man muss für seine Rechte kämpfen.
Nun aber zur Bewegung, in der Öffentlichkeit Rosenkranz zu beten…
Laroche: Sie steht in Beziehung zu dem eben Gesagten: Wir haben ein Recht, unsere Religion auszuüben – auch in der Öffentlichkeit. Und das gilt es zu bewahren. Denn ein Recht, das nicht ausgeübt wird, geht verloren. In den drei Monaten, in denen wir nun öffentlich Rosenkranz beten, haben wir es geschafft, dieses Recht wieder bewusst zu machen: Unsere Pozessionen finden ohne Anmeldungen statt. Man kann sie ankündigen. Sie anzumelden, wäre falsch. Anmeldung wäre erforderlich, nur wenn der Verkehr gestört würde. Daher finden unsere Treffen im Fußgängerbereich statt.
Wie kam es nun, dass Sie zum öffentlichen Rosenkranzgebet aufgerufen haben?
Laroche: Für mich hat die Gebetsbewegung so angefangen: Am 25. November hat mich ein Priester angerufen und gesagt, er wolle ein regelmäßiges öffentliches Rosenkranzgebet anfangen. Ob das eine gute Idee sei? Und: Wie geht man das am besten an? Was ich dazu sage? Ich fand, das sei eine gute Idee. Denn aufgrund meiner Kontakte – auch in meinem beruflichen Umfeld – hatte ich den Eindruck, die Leute seien zum Gebet bereit.
Sie haben also diese Idee aufgegriffen und selbst angefangen. Hier im Ort?
Laroche: Ich habe eine „Telegramm-Gruppe“ aus meinem Bekanntenkreis gegründet – ungefähr 70 Leute – und dann, auf einem A4-formatigen Zettel, ein Konzept erarbeitet,: Wer, wie, wo, was, warum… Es sollte einfach, für jeden verständlich sein. Diesen Zettel habe ich gepostet und dazu geschrieben: In Dreistetten beten wir am Mittwoch um 18 Uhr. Und dann ist es losgegangen…
Wie ist das zu verstehen?
Laroche: Schon am Abend hatten wir 200 Leute in der Gruppe. Am nächsten Tag erhalte ich eine Nachricht von P. Florian aus Heiligenkreuz: „Wenn Sie Hilfe brauchen – ich kenne mich mit diesen Sachen aus.“ Ich war glücklich, denn ich kenne mich mit all dem nicht aus. Und so hatte ich gleich einen Administrator für die Gruppe. Es entstand ziemlich schnell eine Gruppe von Mitarbeitern, die dafür gesorgt hat, dass das Anliegen in geordneten Bahnen voranschritt.
Wurde an dem angepeilten Mittwoch nur in Dreistetten gebetet?
Laroche: Nein. Am ersten Mittwoch wurde schon an 35 Orten in Österreich gebetet. An diesem 1. Dezember nahmen bereits 500 Leute an den Gebeten teil. Und bald darauf ist der Funke über die Grenzen gesprungen.
Wie schnell ist das gegangen?
Laroche: Schon in derselben Woche nach dem 1. Dezember gab es Anfragen aus Deutschland und der Schweiz. Dort fanden die ersten Gebetstage am 8. Dezember statt. Dann ist es nach Italien gegangen, in die Slowakei, nach Tschechien, Kroatien… Alles im Dezember. In Österreich sind es mehr und mehr Orte geworden. Wir haben dann ein Interview mit mir über das Anliegen ins Internet gestellt. Es wurde mehr als 20.000 Mal aufgerufen. All das war nur möglich, weil eine ganze Mannschaft entstanden ist, die das Anliegen getragen hat.
Erzählen Sie Näheres darüber. Wird da nicht deutlich, dass die Hand Gottes im Spiel ist, weil Er für Sein Projekt die richtigen Leute zusammenführt?
Laroche: Ich selbst war komplett überrascht. Als sich das so rasch ausgeweitet hat, bot sich Herr Felbinger zu helfen an – er hat übrigens das erwähnte Interview gemacht – und auch sein Bruder, der Informatiker ist. Er hat die Homepage gemacht. Dann kam eine Graphikerin dazu. Um den 10. Dezember waren wir eine Mannschaft von sechs, sieben Personen, Fachleute in unterschiedlichen Bereichen, die begeistert waren und helfen wollten. In einem Unternehmen bekommt man das nicht in so kurzer Zeit zusammen, wenn überhaupt. So schnell ein Team zu rekrutieren, ist normal nicht möglich.
Was waren Ihre Erwartungen, als Sie zum Gebet eingeladen haben?
Laroche: Ich dachte: Wenn wir in den nächsten Wochen 20 Gruppen gewinnen, wäre das sehr gut. Als Geschäftsmann weiß ich, dass man in Werbung investieren muss, um etwas voranzubringen. Ich habe aber keinen Cent in die Sache investiert… Das alles war von oben gelenkt. Wir müssen nur schauen, dass die Möglichkeiten, die sich eröffnen, gut genutzt werden. Unsere Aufgabe ist es, die Leute aufzumuntern, sie zum Gebet zu ermutigen, ihnen neue geistliche Impulse zu geben und das Geschehen, so gut wir können, zu begleiten. Aber letztlich wird das Geschehen nicht von uns getragen.
Wie groß ist die Beteiligung am Mittwoch-Gebet mittlerweile?
Laroche: Aktuell gibt es in Österreich 260 Gruppen. Derzeit steigen die Zahlen zwischen drei bis fünf pro Woche. Wir schätzen, dass etwa 4.700 Beter mitmachen. Und was besonders schön ist: Es nehmen immer mehr Priester und Ordensleute teil. Von Priestern habe ich viele Rückmeldungen, in denen es heißt: Sie haben uns aus der Passivität befreit. Niemand hatte gewagt, in die Öffentlichkeit zu treten.
Und wie sieht es in Frankreich aus, das Land aus dem sie nach Österreich gekommen sind?
Laroche: Meine Freunde in Frankreich, denen ich schon früh im Dezember von den Erfolgen in Österreich, der Schweiz und in Deutschland erzählte, haben nicht reagiert. Dann hatte ich am 10. Jänner einen Freund – ebenfalls Franzose – hier zu Gast. Dem erzählte ich von dem französischen Desinteresse. Da meinte er, wir sollten ein Video aufnehmen. Ich hatte keine Lust. Ich lebe in Österreich und fühlte mich nicht für Frankreich zuständig. Schließlich habe ich mich überreden lassen. In dem Video habe ich meine Verwandten und Bekannten aufgerufen: Bewegt euch, steht vom Sofa auf! Und dieses Video hat sich dann im Internet an den verschiedensten Orten verbreitet. Und es hat gewirkt: Derzeit gibt es in Frankreich über 2.500 Gruppen, die beten!
Einfach unglaublich, dass es solche Kreise gezogen hat…
Laroche: Ja, und über Frankreich ist es in die ganze Welt gegangen: Belgien, Luxemburg, Portugal, Spanien, USA (dort war es schon vorher), nach Kanada, besonders Quebec…
Haben Sie Rückmeldungen, was dieses gemeinsame Beten für die Leute bedeutet?
Laroche: In Österreich kann man merken, dass die Leute, die da zum Rosenkranzbeten zusammenkommen, wieder zuversichtlicher sind. Die Angst, die noch im November spürbar war, ist nicht mehr da. Man merkt eine Veränderung bei den Personen, die beten. Gestern hat mich eine Frau angerufen, die mir sagte: „Ich bin so glücklich, dass die Katholiken endlich in dieser Krise die Initiative ergreifen.“ Der Umstand, dass wir in der Öffentlichkeit beten, stärkt auch den Mut, sich zum Glauben zu bekennen. Und noch etwas: Die Gläubigen merken, dass sie nicht allein sind. „Wir sind viele,“ denken die Leute. Und das ermutigt. Und tatsächlich beten derzeit am Mittwoch über 50.000 Menschen auf der ganzen Welt.
Ich stelle mir vor, dass dieses Gebet auch das Gemeinschaftsgefühl stärkt…
Laroche: Ja. Die Leute kommen zusammen und treffen auf andere Leute. Auch da hat mich jemand angerufen und gesagt: „Es ist unglaublich, wie viele Leute ich in diesen paar Wochen kennengelernt habe.“ Es entwickelt sich ein neues Apostolatsfeld. Priester haben mir gesagt: „Wir haben jetzt neue Leute in der Kirche.“ Denn es machen zunehmend Menschen mit, die sonst nie beten, jedenfalls nicht den Rosenkranz. Auch Protestanten haben sich angeschlossen. Daraus sehe ich, wie wichtig es war, auf den Rosenkranz zu setzen. Nun ist die Gottesmutter am Werk.
Erstaunlich, dass die Initiative von einem Laien ausgeht…
Laroche: Was wir hier machen, entspricht dem Grundauftrag des Laienapostolats. Als katholische Laien dürfen wir uns nicht verstecken. Wir müssen in der Welt Zeugnis für unseren Glauben geben. Und das geschieht bei diesem Gebet.
Inwiefern spielt die Katastrophe in der Ukraine in die Gebetsbewegung hinein?
Laroche: Ein Krieg ist immer schlimm. Er ist ein Zeichen für ein Scheitern der Politik. Alle Politiker sollten sich schämen, dass es jetzt Krieg gibt. Im Grunde genommen ist die Gebetsaktion die christliche Reaktion auf die Schrecken dieses Krieges: Wir beten jetzt schon für den Frieden in der Gesellschaft. Und damit ist nicht nur der Frieden hier im Land, sondern in der ganzen Gesellschaft gemeint. Wenn wir um den Frieden beten, dann geht es um die Ruhe, die von der Ordnung ausgeht, die Jesus Christus uns vermittelt hat. Gerade zu Beginn der Fastenzeit sollten wir uns darum bemühen, diese Ordnung in uns selbst herzustellen, in unserer Familie, in unserer Arbeit, in unserer Gemeinde, in der Kirchengemeinde… Denn so wächst auch der Friede in der Welt.
Das Gespräch hat Christof Gaspari geführt.