VISION 20002/2022
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Der heilige Karl Borromäus

Artikel drucken Botschaft an uns (Von Dom Antoine-Marie OSB)

Karl Borromäus wurde am 2. Oktober 1538 auf Burg Arona in der nord-italienischen Provinz Lombardei geboren. Sein Vater, Graf Gilberto Borromeo war Gouverneur der Region Lago Maggiore, seine Mutter Margherita di Medici, die ältere Schwester des künftigen Papstes Pius IV.. Karl war das zweite von sechs Kindern. Seine Mutter starb 1547, als er gerade 9 Jahre alt war; sein Vater heiratete wieder. Dank einträglicher Bank- und Handelsunternehmen war die Familie reich. Da Karl als Zweitgeborener für den geistlichen Stand bestimmt war, empfing er mit 12 Jahren die Tonsur und wurde nach Mailand geschickt, wo er Latein lernen sollte. Ab 1552 studierte er in Padua beim künftigen Kardinal Francesco Alciato weiter. Sein Vater gewährte ihm nur eine bescheidene monatliche Zuwendung, so dass er Mühe hatte, über die Runden zu kommen. Karl litt unter seiner demütigenden finanziellen Situation, doch in seinen Briefen klagte er nie darüber.
1558 begab sich Karl nach Mailand zu seinem Onkel, Kardinal di Medici, musste jedoch einige Wochen später zur Beerdigung seines Vaters nach Arona zurückkehren. Er war nun 19 Jahre alt. Obwohl er nicht der älteste Sohn war, baten ihn seine Angehörigen, die Handelsgeschäfte der Familie zu übernehmen.
Trotz vieler Unterbrechungen gelang es ihm daneben, dank seines Eifers und seiner Zielstrebigkeit 1559 sein Studium als Doktor sowohl des Zivilrechts als auch des kanonischen Rechts abzuschließen. Im Sommer desselben Jahres starb Papst Paul IV.. Das danach eröffnete Konklave wählte im Dezember 1559 Karls Onkel, Kardinal Giovanni Angelo di Medici, zum Papst, der den Namen Pius IV. annahm.
Am 3. Januar 1560 rief Pius IV. Karl zu sich nach Rom, betraute ihn mit der Verwaltung der päpstlichen Besitztümer und ernannte ihn zum Kardinal. Karl bat, man möge zur Feier seiner Ernennung kein öffentliches Freudenfest in Mailand veranstalten, sondern zehn Messen zu Ehren des Heiligen Geistes in Arona zelebrieren. Bald wurde er zum apostolischen Administrator im Erzbistum Mailand bestellt. Da er noch keine Weihen empfangen hatte, musste er die Verwaltung seiner Diözese vorerst einem Weihbischof seiner Wahl anvertrauen.
Im Folgenden wurde Kardinal Borromäus auch zum päpstlichen Legaten in verschiedenen Regionen Italiens sowie zum Protektor mehrerer Länder und Orden beim Heiligen Stuhl ernannt. Zudem versah er als „Kardinalsneffe“ das Amt des päpstlichen Privat­sekretärs. Die unverhohlene Vetternwirtschaft Pius’ IV. trug in diesem Fall segensreiche Früchte: Der 22 Jahre junge Karl Borromäus setzte sich vehement und unermüdlich im Dienste der Kirche ein.
Daneben führte Karl nach wie vor die Geschäfte der Familie Bor­romäus und studierte weiter. In seiner Freizeit spielte er Laute sowie Violoncello, widmete sich regelmäßig einem damals in Italien beliebten Ballspiel und gründete eine literarische Akademie. 1561 errichtete er weitgehend aus eigenen Mitteln ein Kolleg in Padua, die erste Einrichtung, die den Empfehlungen des Konzils von Trient zu den Priesterseminaren entsprach.
Dieses 1545 in Trient eröffnete Konzil war mehrfach aus politischen Gründen unterbrochen worden. Papst Paul III. hatte sich eine umfassende Kirchenreform vorgenommen, namentlich im Kontext der protestantischen Reformation, die an den Grundlagen des Glaubens rüttelte und Missstände im Leben der Kirche anprangerte. Die katastrophale Situation der katholischen Welt verlangte nach einer Fortsetzung des Konzils, doch es gab viele Hindernisse, insbesondere vonseiten der damaligen Herrscher.
Kardinal Borromäus versuchte, die Hindernisse zu beseitigen. Sein Einsatz, seine Beharrlichkeit und geduldige Diplomatie führten schließlich dazu, dass die Sitzungen am 18. Januar 1562 wieder aufgenommen wurden. Er selbst blieb in Rom, unterhielt jedoch eine umfangreiche Korrespondenz mit den Gesandten des Papstes beim Konzil und lenkte die Debatten gewissermaßen aus der Ferne. Trotz großer Schwierigkeiten konnte das Konzil 1563 abgeschlossen werden – 18 Jahre nach seiner Eröffnung…
Zur großen Erleichterung der gesamten Christenheit bestätigte Pius IV. die Dekrete der Konzilsversammlung. Der Pontifex berief eine Kommission von drei Kardinälen ein, die unter der Leitung von Karl Borromäus die Umsetzung der Konzilsdekrete überwachen sollte. Dass das Konzil einen guten Abschluss gefunden hatte, war nach Ansicht des Papstes seinem Neffen zu verdanken.
In der Zwischenzeit war Karls Bruder im Alter von nur 27 Jahren verstorben. Karl wurde somit Familienoberhaupt. Er hätte also auf die Kardinalswürde verzichten, in die Welt zurückkehren, heiraten und ein herrschaftliches Leben führen können. Zum Wohl der Familie und des Herzogtums Mailand wurde er von mehreren Seiten dazu gedrängt. Selbst sein Onkel, der Papst, schien diese Möglichkeit für die Zeit nach seinem eigenen, wie er meinte, baldigen Tod ins Auge zu fassen.
Doch Karl entschied sich für den Herrn sowie die Kirche und bereitete sich auf den Empfang der heiligen Weihen vor. Am 17. Juli 1563 in der Basilika Santa Maria Maggiore zum Priester geweiht, tröstete er den etwas verärgerten Heiligen Vater mit den Worten: „Seien Sie nicht betrübt, ich habe mich für die Braut entschieden, die ich schon seit Langem wollte.“ Am 7. Dezember wurde er in der Sixtinischen Kapelle zum Bischof geweiht.
Aufgrund seiner Ämter fühlte sich Karl verpflichtet, in der Nähe des Papstes zu bleiben; er verlor darüber seine Mailänder Diözese jedoch nicht aus den Augen, sondern ließ sie nach eigenen Vorgaben von anderen Bischöfen leiten. 1565 reiste er nach Mailand und berief ein Provinzialkonzil ein, das er persönlich leitete (die Provinz umfasste damals 16 Diözesen).
Im selben Jahr starb Pius IV. und das Konklave wählte Kardinal Michele Ghislieri zum neuen Papst, der auf Karls Rat hin den Namen Pius V. annahm. Der Pontifex äußerte den Wunsch, dass Karl bei ihm bleiben möge; doch nachdem dieser in der Kurie alle notwendigen Maßnahmen zur Wahrung der Kontinuität ergriffen hatte, bekam er schließlich die Erlaubnis, in seine Diözese zurückzukehren, um sie persönlich zu leiten.
Am 5. April 1566 traf Karl in Mailand ein, wo er sich gleich an die Reform seiner großen Diözese machte. Er begann bei sich selbst und seinem Bischofspalast: Einen großen Teil seiner persönlichen Besitztümer verschenkte er an die Armen und führte fortan ein bescheidenes Leben. Karl war großgewachsen und ziemlich korpulent und deshalb unterzog er sich schweren Kasteiungen. Er fastete, d.h. er verzichtete auf jede Nahrung abgesehen von einer einzigen Mahlzeit, die er, wie in der alten Kirche üblich, am späten Nachmittag nach der Vesper zu sich nahm; wie vom hl. Augustinus und dem hl. Ambrosius empfohlen, spendete er das an seiner Tafel gesparte Essen den Armen. Er engagierte sich auch in der Gefängnisseelsorge.
Kardinal Borromäus suchte die Priester für die verschiedenen Ämter seiner Diözese sorgfältig aus. Sein Generalvikar war ein in Rechtsfragen besonders kenntnisreicher Mann und führte ein vorbildliches Leben. Die für die Rechtsprechung zuständigen Richter wurden gut bezahlt, um jeder Versuchung der Käuflichkeit zuvorzukommen. Karl reformierte das Domkapitel und sorgte dafür, dass die Domherren, von denen er unermüdlichen Einsatz im Beichtdienst erwartete, dogmatisch gut geschult waren. 1577 forderte er sie auf, das Gemeinschaftsleben und das gemeinsame Stundengebet wieder aufzunehmen. Das Diözesanseminar gestaltete er getreu den Dekreten des Konzils von Trient. Dank seines diplomatischen Geschicks und seiner Güte wurden die Reformen gut aufgenommen.
Karl visitierte fünfmal seine gesamte Diözese. Die schwer zugänglichen Bergdörfer suchte er mitunter zu Fuß auf. Im Oktober 1567 machte er sich zur Visitation dreier abgelegener Täler im Veltlin auf, einem unter schweizerischer Herrschaft stehenden Kreis, wo alles im Argen lag. Der Klerus führte ein mondänes, anstößiges Leben und vernachlässigte seine seelsorgerlichen Aufgaben. Die Sitten des Volkes hatten sich dem schlechten Vorbild angepasst. Der Besuch des Bischofs trug sowohl beim Klerus als auch bei den Gläubigen bald reiche Früchte.
An einem anderen Ort wurde Bischof Borromäus Ziel eines bewaffneten Überfalls seitens eines Domkapitels, das sich seiner Rechtshoheit nicht unterwerfen wollte und daher seine Pastoralvisite ablehnte: Das Kreuz, das er vor sich hertragen ließ, wurde von Kugeln durchlöchert, er selbst blieb allerdings unverletzt.
Während seines Episkopats hielt Karl mehrere Diözesan- und Provinzialsynoden ab, wobei er jeden Arbeitstag mit einer Ansprache eröffnete und beschloss. Ab 1567 sollte er im Auftrag des Papstes für die Wiederherstellung der Disziplin innerhalb des Ordens der „Humiliaten“ sorgen. Manche Brüder akzeptierten die von ihm ergriffenen Maßnahmen, andere leisteten Widerstand und bereiteten sogar ein Attentat gegen ihn vor: Im Oktober 1567 gab ein Bruder während einer Messe einen Pistolenschuss auf ihn ab. Obwohl er sich getroffen wähnte, signalisierte Karl, dass man den Gottesdienst fortsetzen solle. Nach Beendigung der Messe stellte man fest, dass die Kugel von seiner Haut auf wundersame Weise aufgehalten wurde. Trotz Karls Intervention beim Gouverneur von Mailand wurden vier Verschwörer verhaftet, verurteilt und hingerichtet.
Die Ernte des Jahres 1570 fiel katastrophal aus; im Winter kam es zu einer landesweiten Hu­n­gers­not. Karl engagierte sich bis zur Erschöpfung, um die Armen zu ernähren und konnte an manchen Tagen 3.000 Personen versorgen. Im selben Jahr nutzte Karl den vom hl. Pius V. ausgerufenen „Gebetskreuzzug“ gegen die Türkengefahr, um die Gläubigen zur Umkehr und zur Buße zu ermahnen; er appellierte dabei auch an sich selbst und seine Priester: „Die Stunde ist schon da für euch, um aufzustehen vom Schlaf (Röm 13,11). Die Mahnung des Apostels richtet sich auch an uns, Priester Jesu Christi, die wir gehalten sind, über die anderen zu wachen. Wir sind die Wachsoldaten, die Gott zum Schutz seines Volkes aufgestellt hat; wehe uns, wenn wir einschlafen!“ Der schließlich von den Christen errungene Sieg über die ottomanische Flotte bei Lepanto, den man der Fürsprache der Gottesmutter zuschrieb, wurde in Mailand mit einem aufwändigen Dank- und Volksfest gefeiert.
Obwohl Kardinal Borromäus seit dem Sommer 1571 anhaltend unter Fieber und Husten litt, reis­te er nach dem Tod des hl. Pius V. im folgenden Jahr zum Konklave nach Rom. Der neue Papst nahm den Namen Gregor XIII. an. Karl nutzte die Gelegenheit, um die Ämter niederzulegen, die er in der römischen Kurie noch innehatte.
Zum Jubiläum 1575 reiste der Mailänder Erzbischof nach Rom. Im folgenden Jahr wurde das Jubiläum dann in der Diözese Mailand begangen, und Karl berief die vierte Provinzialsynode ein. Doch gleichzeitig brach die Pest aus. Der Erzbischof arbeitete bis zur Erschöpfung, besuchte Pestkranke sowohl zu Hause als auch in den Hospitälern. Schon zu Beginn der Seuche hatte er die Möglichkeit seines Todes im Dienste der Kranken akzeptiert. Zu­nächst mit einer verständlichen Zurückhaltung, die aber bald überwunden war, folgte der Klerus Beispiel des Kardinals. Die Seuche klang in den Jahren 1577-1578 allmählich ab.
Im Herbst 1584 zwang eine Wundrose am Bein den Erzbischof zur Bettruhe. Des ungeachtet berief er eine Versammlung der Regionaldechanten ein, um Angelegenheiten der Diözese zu regeln, und betrieb daneben die Gründung eines Hospitals für arme Rekonvaleszente.
Die Vorahnung seines baldigen Todes veranlasste ihn, sich am 15. Oktober zur inneren Einkehr an den Wallfahrtsort Varallo zu begeben und eine Generalbeichte abzulegen. Obwohl er hohes Fieber hatte, las er weiterhin jeden Tag die Messe. Bei seiner Rückkehr nach Mailand hielten die Ärzte seinen Zustand für überaus besorgniserregend. Er empfing die Letzte Ölung sowie die heilige Kommunion als Wegzehrung. Um den Bischofssitz drängten sich so viele betende Gläubige, dass der damalige Gouverneur von Mailand sich den Weg zum Palast richtiggehend freikämpfen musste.
Am 3. November 1584 starb der Kardinal im Alter von 46 Jahren mit den Worten: Ecce venio! – Hier komme ich! (vgl. Offb 3,11). Der Ruf der Heiligkeit von Kardinal Karl Borromäus wuchs und verbreitete sich rasend schnell. Er wurde am 1. November 1610 von Papst Paul V. heiliggesprochen.



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