Karl-Heinz Fleckenstein kenne ich persönlich seit 2006, seit meiner ersten, tief prägenden Reise nach Israel. Der promovierte Theologe ist freier Schriftsteller und Journalist, lebt seit 1981 in Jerusalem und führt mit seiner palästinensischen Frau Louisa, lizenzierte Tour-Guide und Archäologin, Pilgergruppen auf die Spuren der Bibel. Diese Arbeit ist nun durch die Pandemie beträchtlichen Einschränkungen unterworfen. Umso mehr berührt mich sein neues Buch, in dem er Friedensperspektiven aus biblischer Sicht aufzeigt für „zwei verfeindete Brüdervölker“, die „seit Jahrzehnten um ein und denselben Boden streiten.“
Zwischen 2006 und 2012 war ich viermal unter der Reiseleitung der Fleckensteins bei Pilgerfahrten, die Konstantin Spiegelfeld, Pfarrer in Wien-Leopoldstadt, nach Israel-Palästina organisiert hatte. In dieser Zeit entstand ein Miriam-Gebetskreis, in dem wir monatlich im Namen der heiligen Miriam von Ibellin zusammenfanden, um für den Frieden im Heiligen Land zu beten. Bei diesen Reisen habe ich den Bau der Mauer und das Wachsen der Siedlungen miterlebt.
Dennoch ermutigten mich Besuche der „Rabbis for Human Rights“, der Palästinenserinnen Sumaya Farhat-Naser und Viola Raheb und besonders des Bischofs Elias Chacour in Wien. Seine Worte sind zeitlos gültig: „Was wir brauchen, ist ein Überdenken Ihres Verhaltens den Juden und Palästinensern gegenüber. Zu sagen: Juden sind schlecht, oder: Palästinenser sind Terroristen, ist ein Verbrechen. Machen Sie Schluss mit Pauschalurteilen. Wenn Sie jüdische Freunde haben – wunderbar. Aber bitte: Das heißt nicht automatisch Feindschaft mit den Palästinensern! Und wenn Sie für uns Partei ergreifen, weil sie die Flüchtlingslager gesehen haben, so sind wir dafür dankbar. Wenn Sie uns aber ermutigen wollten, uns gegen unsere jüdischen Brüder zu wenden, dann brauchen wir Ihre Freundschaft nicht. Wir brauchen Brückenbauer.“ Und doch verlosch nach zwölf Jahren der Miriam-Gebetskreis… 2019 waren wir nur mehr zu zweit.
Diesen Ermüdungen stellt Karl-Heinz Fleckenstein nun seine Friedenslösungen aus biblischer Sicht gegenüber „im Vertrauen, dass mit der ‚Hilfe von oben’ auch dieser ‚gordische Knoten’ des gegenseitigen Misstrauens zwischen Israelis und Palästinensern durchschlagen werden kann. So dunkel die Nacht auch noch sein mag, so wissen wir doch, dass mit der Morgenröte ein neuer Tag kommen wird.“ Das Buch beginnt mit dem Kapitel „Wasser für alle“, der Geschichte vom Migranten Abraham und Abimelech, dem König der Philister. Bei Beerscheba, dem Brunnen in der Wüste, schlossen sie ein Bündnis, nach dem beide friedlich im gleichen Land leben können. Karl-Heinz spannt den Bogen über den Namen „Allah/Eli“, dem gleichen Namen für den Gott der Juden, der Christen und der Muslim, dem Vater aller Menschenkinder. „Wie armselig wäre es auch, würde jeder sich seinen eigenen Gott zurechtmachen. Diese Erkenntnis führt zum Reden miteinander. Zum Verhandeln. Zum Nichtangriffspakt. Zum Bündnis.“ Die Vereinbarung zwischen Abraham und Lot lehrt, dass „es Wichtigeres und Wertvolleres gibt als den Gewinn. Deshalb ist Abraham bereit, um des Friedens willen nachzugeben. Abraham wird sowohl von Juden wie von Palästinensern als ihr Stammvater verehrt. Ein nachahmenswerter ‚Friedens-Macher’ für beide Völker“.
Und so bringt Karl-Heinz an den Friedensstiftern der Seligpreisung Shalom – Salam, am Umschmieden der Schwerter zu Pflugscharen – Panzer zu Traktoren – , am Verstehen der Sprachen (Apg 2,5-13) und am Erbitten des Friedens für Jerusalem (Ps 122,1-9) Beispiele für die Verwirklichung in unserer Zeit. Alle gehören zum Heiligen Land! (Jes 2,1-4). Am Beispiel des Gynäkologen Dr. Izzeldin Abuelaisch wird erzählt, wie der geplagte Vater, aufgewachsen in einem Flüchtlingslager im Gazastreifen, seine Frau und – in den Bodenoffensiven der israelischen Armee – drei seiner Töchter verlor und danach die Stiftung „Töchter für das Leben“ gründete. Er schrieb seine Geschichte: „Du sollst nicht hassen“. Dem Schlusssatz dieses Kapitels kann ich aus ganzem Herzen zustimmen: „Bist du, oh Jerusalem, befriedet, dann ist die ganze Welt befriedet.“ Jerusalem, Zentrum der drei monotheistischen Weltreligionen, ist der Schlüssel zum Shalom der Welt. Als Christ setze ich begeistert hinzu: hier ist Christus auferstanden, wahrhaft auferstanden!
Die weiteren Kapitel befassen sich mit „Garantie für Ruhe und Sicherheit“, „Geben ist seliger als Nehmen“ und „Pläne für die Zukunft“. Hier erzählt Karl-Heinz von der Friedensoase „Neve Shalom-Wahat-es-Salam“, in der Pater Bruno Hussar seine kühne Vision erfahrbar gemacht hat von einem Dorf, in dem Juden und Palästinenser gemeinsam leben.
Das letzte Kapitel „Keine Tränen mehr“ schließt mit der Zuversicht, dass in Jesus Christus der neue Himmel und die neue Erde auf drastische Weise sichtbar werden. Mitten in unserer Welt! „Du darfst jetzt schon aus dem Pulsschlag von meiner Ewigkeit leben, in ihm darfst du dich geborgen wissen. Dieser Puls schlägt stark genug, um auch deine Tränen und selbst deine stärksten Zweifel zu tragen und in Hoffnung zu verwandeln.“
Wer gehört zum Heiligen Land, Friedensperspektiven aus biblischer Sicht. Von Karl-Heinz Fleckenstein, Romeon-Verlag, 2021, 114 Seiten 17,95€