Momentan befinden wir uns gesellschaftlich, politisch und geistig in einer vielleicht nie dagewesenen, besonderen Lage. Viele resignieren, viele sehen schwarz, nicht wenige sind dem Verzweifeln nahe. Trotzdem oder gerade deswegen sage ich: Jetzt ist die Stunde der Christen, oder noch besser, jetzt ist die Stunde des Christseins gekommen!
Die äußeren Zeichen sind wirklich dramatisch. Die Gesellschaft ist gespalten, bis hinein in viele Familien. Es ist viel Unrecht geschehen, das oft nicht bekannt wird, eine Quelle weiteren Unheils. Viele Menschen hat es aus der Bahn geworfen, aus dem Arbeitsrhythmus, aus dem Lernrhythmus, das Vertrauen in Politik und Institutionen ist dramatisch geschwunden. Viele, die ein prophetisches Amt bekleiden, haben das Licht unter den Scheffel gestellt, den Einsatz geistlicher Mittel eher behindert und statt Hoffnung Angstmache gefördert.
Wir sehen mit freiem Auge, dass die Wirtschaft taumelt, dass Versorgungsengpässe, soziale Spannungen etc. unausweichlich scheinen. Früher haben Politiker überlegt, welche Initiativen sie im kommenden Jahr ergreifen werden, welche Akzente sie setzen werden. Jetzt überlegt man fast nur mehr, wo es Rückgänge, Einbußen etc. geben wird. Der Handlungsspielraum ist weg, und es kommt noch dicker, vieles wird uns weggenommen. Wie reagieren wir Menschen darauf, können wir gar nichts mehr tun?
Manche Menschen haben sich zurückgezogen, sie wollen nichts mehr wissen und nichts mehr hören. Andere reagieren aggressiv, genervt, deprimiert. Es gibt die Versuchung, alles zu verdrängen, sich auf Nebenschauplätzen zu engagieren oder einem Zweckoptimismus zu huldigen. Manche glauben noch, man könne diesem oder jenem entrinnen, wenn man es sich selbst richtet. Ein kleiner Rest huldigt noch dem Slogan: Wir schaffen das!
Und genau an diesem Punkt stellt sich die Frage: Welche Antwort haben wir Christen? Wir können etwas tun, ja, nicht nur irgendetwas, wir können sogar mehr tun als alle anderen: wir können sein, Christ sein!
Wenn ich jetzt von der Stunde der Christen oder der Katholiken rede, dann meine ich nicht Funktionäre, die in geschützten Büros sitzen, aufwendige, sinnlose und zeitraubende Diskussionsprozesse führen über Themen aus den Siebzigerjahren oder durch überzogene Coronavorschriften die Angstmache etc. fördern, nein, ich meine die Stunde der einfachen Christen, die ganz bewusst in der Gegenwart Gottes leben wollen und sich vor Gott verantwortlich wissen. Bevor ich jetzt davon schreibe, möchte ich noch zwei Punkte vorausschicken, die mir wichtig erscheinen, die uns entlasten, gelassen und realistisch machen können.
– Erstens: Als Christen wissen wir: Wir können die Welt nicht retten! Das klingt provokant! Alle „Retter der Welt“ sind letztlich bei Ideologien gelandet! Wir müssen die Welt nicht retten! Die Welt ist vergänglich, sie hat ein Ablaufdatum. Aber: Wir Christen können der Welt viel geben, viel mehr als das, was sie aus sich heraus hat. Sinn, Hoffnung, Mut, Beständigkeit etc. Damit tun wir sogar viel mehr für sie als manche, die sich als Retter gebärden. Jesus sagt: Habt Mut, ich habe die Welt besiegt.
– Zweitens: Wir müssen die Dinge tiefer betrachten, aus der Geschichte und von einer höheren Warte aus. Vieles kommt jetzt, weil es in den letzten Jahrzehnten, sei es unbewusst, verschuldet oder sogar durch das Verstoßen von Propheten – Fehlentwicklungen gegeben hat, deren Früchte jetzt reif geworden sind. Diese Folgen können wir nicht einfach ungeschehen machen und nur teilweise abfangen: z. B. die bewusst herbeigeführte demographische Krise durch Abtreibung und Verhütung oder die systematische Bekämpfung der Familie. Der Ersatz der fehlenden Kinder durch unkontrollierte Zuwanderung wird zum Bumerang werden, die Alters- und Krankenversorgung wird in eine schwere Krise kommen. Die riesigen Schuldenberge, die trotz Hochkonjunktur gemacht wurden, werden über uns fallen.
Die tiefste Wurzel der Krise ist jedoch der Glaubensverfall. Es ist ein geistiges Gesetz: Wenn der Glaube schwindet, dann hält die Moral nicht mehr lange, vielleicht eine oder zwei Generationen, wenn die Sitten verfallen, dann folgen Korruption und der Niedergang von Wirtschaft und Demokratie. Die geistlichen Schuldenberge sind noch viel größer geworden als die materiellen Schulden.
Wenn wir diese Dinge betrachten, dann können wir realistisch die Lage einschätzen.
7 Punkte für jetzt, in der Krise und danach
Ich möchte hier allen Christen, aber auch jenen, die fernstehen, wirklich Mut machen und sieben Punkte aufzählen, die einfach eine Hilfe sein können, manches abzuwenden, in kommenden Schwierigkeiten zu bestehen und zugleich ein Fundament für spätere Entwicklungen sein können.
Kehrt um zu Gott! Suchet zuerst das Reich Gottes!
Es klingt angesichts vieler Sorgen und Nöte vielleicht provokant, aber Jesus sagt zu diesem Satz dazu: Alles andere wird Euch dazugegeben. Gott suchen, Gott finden, das heißt, einen Sinn finden, der den Menschen trägt. Wenn wir Gott als Schöpfer erkennen, der die Welt trägt, dann sind wir Getragene, wenn wir uns mit Ihm verbinden, können wir zu Trägern werden, zu Menschen, die andere mittragen.
In den letzten Jahrzehnten geschah vielfach genau das Gegenteil. Man hat Gott auf die Seite gestellt und zuerst alles andere gesucht. Jetzt wird uns auch dieses weggenommen. Es geht also wirklich darum, jetzt umzukehren, sich ganz Gott zuzuwenden, zuerst Sein Reich zu suchen, sich wirklich vor Ihm verantwortlich zu wissen. Es beginnt damit, dem Gottesdienst nichts vorzuziehen, das Gespräch mit Gott (Gebet) zu pflegen, den Sonntag wieder konsequent einzuhalten, den geistlichen Schuldenberg abzubauen.
Widersagt dem Bösen, um in der wahren Freiheit zu leben!
Dem Bösen widersagen, um in der Freiheit der Kinder Gottes leben zu können, das heißt erstens, die Wirklichkeit des Bösen zu sehen, zu wissen, dass wir es auch mit Mächten zu tun haben, die nicht aus Fleisch und Blut sind. Die Freiheit der Kinder Gottes erreicht der Mensch in dem Maße, in dem er das Gute und Wahre erkennt und anstrebt, sagt schon der Heilige Thomas.
Wenn wir mit dem Bösen nicht rechnen, werden wir – bewusst oder unbewusst – zu Mitarbeitern oder Erfüllungsgehilfen von verderblichen Plänen werden, die derzeit im Stadium des Vollzuges sind. Wir haben wirksame, übernatürliche Mittel, diese Freiheit anzustreben, wie z. B. das Weihwasser, das Wort Gottes, einen riesigen Gebetsschatz, die Sakramente und die Gemeinschaft der Gläubigen.
Betet ohne Unterlass!
Manchmal sagen Leute: Jetzt kann man nur noch beten. Diese Aussage ist nicht ganz zutreffend, weil das Gebet mehr ist als nur ein Notnagel. Das Gebet sollte grundlegend sein, eben der Atem der Seele. Der Beter zieht das Wirken Gottes, den Segen herab. Die Heilige Hildegard sagt, wenn sich ein Mensch mit Gott verbindet, dann ist er an den Schaltstellen von Kosmos und Geschichte.
Wer sich mit Gott verbindet, übt tieferen Einfluss auf den Gang der Weltgeschichte aus als vielleicht ein hoch aktiver Mensch. Oder der Beter bewirkt, dass Aktive in rechter Weise zum Segen der Menschen agieren. Jedenfalls könnt ihr ganz sicher sein: Kein aufrichtig gesprochenes Gebet ist vergebens!
Jedes Gebet ist wertvoll und hat unsichtbar eine Wirkung! Dem öffentlichen Gebet kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu! Ich bin mir ganz sicher, dass z. B. die vielen Beter von „Österreich betet“ bereits vieles bewirkt haben.
Verzichtet!
In der Tradition der Kirche hat das Fasten, der freiwillige Verzicht, als geistliches Mittel immer eine Rolle gespielt. Wer verzichten kann, lernt Selbstbeherrschung. Wer sich selbst beherrschen kann, kann sich auch verschenken, d. h. eben lieben. Der Verzicht stärkt die Herrschaft des Geistes über das Fleisch und hilft, die Tugend der Geduld, Ausdauer und Beharrlichkeit zu erwerben.
Haltet stand! Nehmt euer Kreuz auf euch!
Es gibt viele Situationen, und es können auch viele kommen, wo man momentan nichts ändern kann, aber wo es gilt, standzuhalten. Treu bleiben, nicht das Handtuch werfen, weiter machen, einfach die Situation durchzutragen und in der Ohnmacht standhalten. Standhalten im Leiden, bei Konflikten, in Prüfungen kann viel, viel edler sein als große Taten zu vollbringen. Die Heilige Theresia von Avila sagt. Geduld bewirkt alles. Das Kreuz ist eigentlich das Logo von uns Christen. Alle Schwierigkeiten und Leiden, die wir bewusst Gott schenken, haben verwandelnde Kraft, für uns selber und zum Heil vieler Menschen. Jemand sagte einmal: Wer kann den überwinden, dessen Sieg die Niederlage zur Voraussetzung hat? Die Bereitschaft zum Kreuz überwindet alles und führt zur Teilhabe am Sieg Christi!
Sorgt vor!
Im Hinblick auf die gegenwärtig sich verschärfende Krise ist es wichtig vorzusorgen. Darüber nachzudenken, was man im Krisenfall alles benötigt und welche Fertigkeiten wichtig sind. Glaubt, als hinge alles von Gott ab und handelt, als hinge alles von euch ab, heißt es. Das kann man auch im Hinblick auf die Frage der Krisenvorsorge betrachten. In der Heiligen Schrift kennen wir die Stelle von der Vorsorge Josephs für die sieben mageren Jahre oder auch die Stelle von den törichten Jungfrauen, denen das Öl ausgeht. Neben der geistlichen Bedeutung dieses Gleichnisses, hat es auch durchaus einen ganz lebenspraktischen Inhalt. Denkt verschiedene Szenarien durch, überlegt, was ihr braucht, vernetzt euch und sorgt vor!
Liebt!!
Der Begriff Liebe wird heute inflationär gebraucht. Was wir in diesen Tagen brauchen, das ist die Liebe von der der Apostel Paulus spricht. Diese langmütige und gütige Liebe, die nicht ihren Vorteil sucht und nicht ungehörig handelt, die das Böse nicht nachträgt und sich nicht zum Zorn reizen lässt. Die echte Liebe freut sich nicht am Unrecht, sondern an der Wahrheit. Sie erträgt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf. Sie ist das Fundament des Reiches Gottes. Bitten wir, dass Er uns liebesfähig macht!
Diese sieben Punkte habe ich natürlich nicht erfunden. Es sind eigentlich Dinge, die für den Christen zum Grundbestand gehören, man muss sie nur gelegentlich in Erinnerung rufen. Es sind Dinge, die viele Christen durch die Jahrhunderte hindurch zu leben versuchten. Es sind Grundhaltungen, die letztlich maßgeblich zur Entstehung Europas beitrugen.
Diese zeitlos wichtigen Dinge helfen uns jetzt, sie helfen uns in der Krise, und sie sind die Grundlage für die Zeit danach!
Wir dürfen nicht schlafen, sondern sollen kämpfen, vor allem um die persönliche Heiligkeit. Wir Christen haben keinen Grund zur Resignation.
Die Freude am Herrn ist unsere Stärke!
Dr. Ignaz Steinwender ist Pfarrer von Zell am Ziller in Tirol.
Tiefe Freude müsste die Christen erfüllen
Einer Zeit, die wie unsere vom Pessimismus und von resignierendem Lebensüberdruss vergiftet ist, tut es not, von der tiefen und unvergänglichen Freude zu hören, die den Christen erfüllen darf und erfüllen muss. Denn nachdem in der Menschwerdung und im Kreuzestod Jesu Christi die Liebe Gottes zu uns „kenntlich“ geworden ist (1Joh 3,16), hat niemand von uns mehr das Recht, sich für ungeliebt zu halten. Wer sich aber geliebt weiß von Gott, wie kann der sein Leben anders als in dankbarer Freude vor Ihm verbringen?
J. I. Spital
Text zitiert im Wochentags-Schott-Messbuch Teil II, Donnerstag der 23. Woche im Jahreskreis.