VISION 20001/2023
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Beichten müssen nicht nur Mörder

Artikel drucken Die Kostbarkeit eines vernachlässigten Sakramentes entdecken (Anna Diouf)

Die wahre Erneuerung der Welt findet  nicht durch große gesellschaftliche Reformen statt. Sie ereignet sich überall dort, wo ein Mensch aufrichtig sein Leben betrachtet und sich bereit macht, durch Gottes Hilfe einen neuen Anfang zu setzen, wo er fehlgegangen ist.

     
 Häufiger Beichtende sind
 keine Frömmler
 

Sie und ich.“ Das ist Mutter Teresas berühmte Antwort auf die Frage, was sich an der Kirche ändern müsse. Der Ausspruch ist in katholischen Kreisen mittlerweile ein geflügeltes Wort. In diesem Satz liegt eine Quelle der Erneuerung, wenn wir ihn nicht bloß feststellen, sondern anwenden!
Wagen wir doch den unangenehmen Blick auf uns selbst, den Mutter Teresa einfordert. Denn die mangelnde Wirksamkeit der Kirche beginnt immer bei uns. Wie sollen Menschen die Kirche als glaubwürdig wahrnehmen, wenn wir es nicht sind?
An dieser Stelle sind wir oft „bescheiden“: Was können wir schon ausrichten oder anstellen? Wir können uns nicht recht vorstellen, dass unsere kleinen, alltäglichen Verfehlungen tatsächlich relevant sein sollen. Aber das sind sie: Die wenigsten von uns sind Mörder oder Betrüger im großen Stil.
Dennoch „töten“ wir ganz konkret durch unsere Handlungen das fruchtbare Wirken der Kirche: Wenn wir grundsätzlich allem und jedem mit Misstrauen begegnen, wenn wir Posten und Ämter an uns reißen, weil sie uns Prestige und Bedeutung verleihen; wenn uns im Gespräch wichtiger ist, Recht zu haben, als den anderen zu gewinnen, wenn wir unser Christsein auf den Sonntag beschränken, und es nur hervorholen, wenn wir andere belehren können.
Viele Menschen haben zwar keine Ahnung von Theologie, aber sie erkennen sehr schnell, ob das, was gepredigt, und das, was gelebt wird, übereinstimmt. Sind wir in unserem Christsein nicht authentisch, bleiben die Menschen weg, können Berufungen sich nicht entfalten, und das Evangelium wird unglaubwürdig.
Das alles ist nicht neu: Lesen wir die Briefe des Neuen Testaments, dann benennen sie genau das. Solche Mechanismen waren also schon immer ein Problem. Darum ruft die Schrift fortwährend zur Umkehr auf. Diese Umkehr wird zwar gern in Predigten erwähnt, zumeist aber in einem rein persönlichen Kontext und ganz auf den Menschen bezogen: Die Frage ist dann nicht so sehr, wie man mit Jesus im Reinen bleibt, sondern wie man sich – zum eigenen Wohlbefinden – mit sich selbst versöhnen kann.
Dies ist zwar nicht unwichtig, es ist aber nur Teil eines Prozesses, der auch unseren Nächsten und Gott einschließt. Die Heilige Schrift macht deutlich, dass es bei der Umkehr nicht um „Seelenwellness“ geht, und gibt uns Hinweise, wie wir Umkehr als Gemeinschaft leben können: Im Dienst aneinander, in Brüderlichkeit und Liebe.
Und die Kirche hilft uns mit ihren Gnadenmitteln. Am effektivsten, aber leider weithin unterschätzt, mit der Beichte. Diese ist nämlich dreifach wirksam: Sie heilt unsere Seelen, unsere Beziehung zu Gott und unsere Gemeinschaft.
Dieser letzte Aspekt wird auch von Menschen, die regelmäßig beichten, oft übersehen. Dadurch, dass die Beichte streng persönlich im geschützten Raum zwischen Beichtkind und Beichtvater stattfindet, ist sie ein wirklich intimes Ereignis, und man ist versucht, damit zufrieden zu sein, dass man wieder im Einklang mit Gott ist. Die Beichte strahlt aber in die Gemeinschaft der Kirche hinein. Biblisch-abstrakt ist das verständlich, schließlich sind wir der Leib Christi, und die Gesundung eines Körperteils ist für alle heilsam. So weit so gut. Aber wie zeigt sich diese Erfahrung konkret?
Wenn wir spüren, dass der liebevolle Blick Christi auch in unserem Versagen auf uns ruht, fällt es uns mit der Zeit leichter, unsere Liebe anderen nicht zu entziehen, weil jemand uns gegenüber versagt; denn Christus tut das ja auch nicht! Wenn wir uns in kleinen Aufgaben ständig scheitern sehen – wie oft habe ich mir schon vorgenommen, bei der nächsten Gelegenheit das zynische Wort, das mir auf den Lippen liegt, nicht zu sagen, und wie oft habe ich es dann doch getan? – stimmt uns das milde gegenüber dem Nächs­ten, der nicht besser und nicht schlechter als ich mit dem gewaltigen Anspruch der Bergpredigt zurechtkommt.
Je öfter wir freimütig den Blick auf unsere kleinen Unzulänglichkeiten werfen, desto weniger sind wir auch bemüht, unsere Fehler zu übertünchen. So sinkt die Gefahr von Heuchelei und Doppelleben.
Beichten wir häufig, können wir schon früh erkennen, wenn sich Ungutes bei uns einnisten will. Wir können Konflikte frühzeitig stoppen, oder zumindest, wenn wir dazu nicht die Kraft haben, immer wieder die Gnade Gottes mit hineintragen. Wir stärken das Vertrauen ineinander, weil wir voneinander wissen, dass jeder sich nach Kräften bemüht.  Hier, in der Beichte, liegt also eine ganz konkrete Umsetzung des Gebots der Nächstenliebe: Wir stärken die Liebe zu uns selbst, in dem wir uns von Gott angenommen wissen, und können diese Liebe auch unserem Nächsten schenken.
Zugegeben: Das klingt irgendwie furchtbar anstrengend, so, als müsse man tatsächlich rund um die Uhr Christ sein. Aber die Heilige Schrift lässt keinen Zweifel daran, dass Nachfolge auch immer wieder ein Kampf ist. Und wenn wir nicht rund um die Uhr als Christen leben wollen, können wir auch kaum anderen Menschen oder der Kirche Verfehlungen gegen Christus vorwerfen.
Natürlich ist es leichter, das Übel anderswo zu sehen, als in sich selbst. Und tatsächlich: Nur dadurch, dass Gottes Liebe unendlich viel größer ist, können wir uns das überhaupt zumuten, und gestärkt, nicht frustriert daraus hervorgehen.
Wir brauchen uns nicht als Frömmler fühlen, wenn wir diese Hilfe öfter als nur vor den Hochfesten in Anspruch nehmen, oder wenn wir „Kleinigkeiten“ beichten. Es ist wunderbar, dass die Kirche uns in dieser sensiblen Sache nichts aufzwingt und nur ein Minimum verlangt. Immer wieder fordert Gott in der Bibel aber auch: „Seid heilig, denn ich bin heilig.“
Es ist müßig, den Niedergang der Kirche zu beklagen, diesen entscheidenden Aufruf aber auf die leichte Schulter zu nehmen.

Die Autorin ist Redakteurin von EWTN-TV.

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