Sie sei eine sehr engagierte Ärztin, hatte man mir gesagt. Schon länger wirke sie im Lebenszentrum in Wien mit und zuletzt sei sie für Ärzte ohne Grenzen" im Kosovo gewesen. Also rufe ich die junge Frau an und bitte um ein Gespräch. Sie wundert sich, denn ihr Leben sei gar nicht spektakulär", versichert sie mir am Telephon
Als sie mir dann aber groß, schlank, dunkelhaarig im Lebenszentrum im ersten Wiener Gemeindebezirk gegenübersitzt, finde ich allein das, was sie mir von ihrer Geburt erzählt, spektakulär" genug: Die Eltern sind noch keine 20, als sie ihr zweitgeborenes Kind erwarten. Am Beginn des sechsten Monats der Schwangerschaft kommt die Mutter wegen Bauchschmerzen ins Spital. Das Bauchweh entpuppte sich als Wehen. Das Baby kommt viel zu früh zur Welt.
Michaela ist winzig und scheinbar leblos, also legt man sie weg. Nach einiger Zeit - wo eigentlich jede Sekunde lebensentscheidend sein kann - sieht ein Medizinstudent, wie das Baby den kleinen Finger bewegt. Daraufhin wird reanimiert, den Eltern jedoch erklärt, das Kind würde wohl immer zurückgeblieben sein. Michaela Moser erinnert sich: Das war für mich lange Zeit ein Trauma. Immer galt ich als dumm."
Tatsächlich, meint sie rückblickend, war sie die ersten zehn Jahre sicher in der Entwicklung zurück, lernt erst spät gehen und sprechen. Überhaupt sei sie ein phlegmatisches Kind gewesen - wohl auch, weil man erst bei der Sechsjährigen entdeckt, daß sie nur 30 Prozent Sehleistung besitzt. Die Augen werden operiert und ihre Situation verbessert sich schlagartig.
Schon damals wächst ihre Liebe für alle Schwächeren", spürt sie doch am eigenen Leib, was es heißt, wegen mangelnder Leistung sogar von den eigenen Geschwistern verspottet zu werden. Daß der Vater versucht, die Tochter zu sportlichen Leistungen zu zwingen, die ihre Kraft eindeutig übersteigen, verbessert die Lage keineswegs. Die Situation hat die Eltern wohl überfordert," versucht die junge Frau heute ihre Eltern zu verstehen.
In diese Zeit fällt Michaelas Erstkommunion. Die Mutter hat ihr ein schönes weißes Kleid genäht, und das kleine Mädchen erlebt sich an diesem Tag als etwas Besonderes. Als sie das Lied: Gott liebt die Kinder, er lädt sie alle ein", hört, ist sie tief berührt. Von der Religionslehrerin will sie wissen, ob Gott auch die dummen Kinder liebt. Und da diese ihr es in einer liebevollen Umarmung bestätigt, vertraut Michaela nun darauf, von Gott geliebt zu werden: Meine erste, wunderschöne Begegnung mit Gott".
In der Volksschule sind ihre Leistungen so schwach, daß man sich fragt, ob das Mädchen überhaupt reif für die Hauptschule ist. Ich kann das kaum glauben, wenn ich die temperamentvolle junge Frau vor mir betrachte. Sie erzählt: Erst mit zehn bin ich wie aus einem langen Schlaf erwacht. Von da an habe ich mich auf Bücher gestürzt. Mit 16 hatte ich unter anderen Nietzsche und Freud, aber auch viele Lebensbeschreibungen gelesen."
Michaela wird eine sehr gute Schülerin, ist nicht auf den Mund gefallen, wird Klassensprecherin im Realgymnasium und engagiert sich schon in dieser Funktion für die Schwächsten. Sich für Kleine und Schwache einzusetzen, ist so etwas wie ein roter Faden, der sich durch ihr Leben ziehen wird. Vom Glauben entfernt sie sich allerdings und meldet sich auch vom Religionsunterricht ab. Außerdem: Die Eltern hatten ihre liebe Not mit mir. Ich habe mich nicht sehr gut mit ihnen verstanden." Sie schwänzt oft die Schule, sitzt lieber diskutierend und Zeitung lesend im Kaffeehaus.
Als Michaela 18 ist, lassen sich ihre Eltern scheiden, und die Tochter entflieht - kaum daß sie mit der Schule fertig ist - dem Elternhaus. Trotz Verbot des Vaters studiert sie Medizin, zunächst in Innsbruck, später in Wien. Sie tritt der sozialistischen Studentenvertretung bei, wird Tutorin und verteidigt unter anderem das Recht junger Mütter auf ein Studium. Wegen ungebührlichen Benehmens wird sie jedoch beinahe von der Universität verwiesen. Nur ihre sehr guten Noten verhindern das.
Lächelnd erinnert sie sich: Ich habe die verrücktesten Dinge gedreht. Bin bei Vorlesungen aufgestanden und habe Professoren vorgehalten, sie würden nicht die Wahrheit sagen und ähnliches. Ich habe einfach alles hinterfragt." Nur ein älterer Professor erkennt, daß hinter dem Rotzlöffel" ein Mädchen steckt, das so angenommen werden will, wie sie ist. Er und seine Frau adoptieren sie sozusagen, und Michaela verbringt in den nächsten sechs Jahren sehr viel Zeit mit den beiden.
Der Professor - er bezeichnet sich als Atheist - besteht darauf, daß die Studentin seine sehr religiöse Frau sonntags in die Kirche begleitet. So bringt sich Gott wieder ein wenig in Michaelas Leben in Erinnerung. In dieser Zeit arbeitet sie auch einige Zeit in einer Hospizbewegung in England bei sterbenden Patienten. Eines Tages bittet eine Patientin die junge Betreuerin, für sie zu beten. Die Medizinstudentin, die ihren Kinderglauben verloren hat, muß ihr diese Bitte abschlagen. Sie könne das nicht, und schlägt vor, einen Priester zu holen. Doch die Patientin besteht darauf: Michaela solle für sie beten. Aber sie lehnt wieder ab....
Man merkt Frau Dr. Moser heute noch an, wie schrecklich leid ihr das immer noch tut: It's okay, honey", sagt die Frau. Als sie gestorben war, habe ich mir gedacht, was für ein arrogantes Biest ich doch bin." Sie wird dieses Erlebnis nie vergessen. Doch zunächst hat der Glaube weiterhin keine Bedeutung für sie.
Das sollte sich aber, nach einer Erfahrung am Dach des Allgemeinen Krankenhauses in Wien, ändern. Davor war einiges zusammengekommen. Zunächst ein Erlebnis in der Gerichtsmedizin-Vorlesung: ein vom Vater maltraitiertes Kind auf dem Seziertisch. Dann Begegnungen im Psychiatriepraktikum. Bilder aus der eigenen Kindheit steigen in ihr auf, Probleme mit dem eigenen Vater werden wieder wach. Zuletzt der Besuch bei einem sterbenden Freund.
All das geht ihr im Kopf herum, als sie auf das Dach des Allgemeinen Krankenhauses steigt. Die Frage drängt sich ihr auf: Ist es nicht besser zu sterben, als ein Studium zu beenden, mit dem ihr Vater nie einverstanden war?
Da spricht sie plötzlich - sie versteht es selbst nicht - mit Gott: Wenn es Dich gibt... Ich will da jetzt eigentlich nicht hinunterspringen... Wenn es Dich gibt, mußt Du mir zeigen, wie es weitergehen soll." Plötzlich fängt sie zu weinen an, und eine unfaßbare Ruhe erfüllt sie. Innerlich spürt sie, daß alles anders werden wird.
Meinen Freunden, mit denen ich in einer Wohngemeinschaft lebte, habe ich damals erzählt, daß es mir schlecht geht und ich es nun mit Gott versuchen möchte." Diese Kollegen, die eine Gebetsrunde bei den Kalasantinern hatten, versuchten nämlich seit längerem - bis dahin allerdings vergeblich - sie zu der Jüngergemeinschaft mitzunehmen. Liebevoll wird sie nun dort aufgenommen und Schritt für Schritt zu einem Glaubensleben geführt.
Lachend meint mein Gegenüber: Wenn du dann einmal bei Gott bist, wird das Leben natürlich schwierig. Denn du mußt es konsequenterweise ändern. Ich wollte ja nicht einerseits in die Kirche gehen und dort Liebkind sein, und andererseits meine kleinen Schattenseiten behalten." Schritt für Schritt beginnt sich somit auch ihr Leben zu ändern. Zwar verkündet sie nicht lautstark ihren Glauben auf der Straße, aber es bleiben genug Herausforderungen: Du mußt sowieso jeden Tag beinhart Zeugnis geben, gerade als Ärztin."
Nach Beendigung ihres Studiums geht sie in die USA, um dort wissenschaftlich zu arbeiten. Es gilt, impact"-Punkte durch medizinische Arbeiten zu sammeln, um später in Wien eine interessante Arbeit im AKH zu bekommen. In dieser, von der Wissenschaft geprägten, Welt tritt Gott zunächst wieder stark in den Hintergrund ihres Lebens. Er aber läßt sie nicht los: Am Ostersonntag beim Spaziergang hört sie Glocken läuten, bleibt vor der Kirche stehen und kommt dort mit einem Priester ins Gespräch. Ob sie katholisch sei. Ja", aber es fehle die Zeit, in die Kirche zu gehen. Schade", meint darauf der Priester. Stell dir vor, du stirbst, und Gott fragt dich: 'Hallo Michaela, was hast du denn gemacht?' Und du antwortest: 'impact-Punkte gesammelt.' Gott würde antworten: 'Ich könnte mit den Fingern schnippen und du hättest Millionen Punkte. Doch wieviel hast du dich um andere gekümmert und sie geliebt?'"
Michaela ist tief berührt. Die ganze folgende Nacht sitzt sie vor dem Kreuz, entschuldigt sich bei Gott und hofft auf Sein Erbarmen. Von da an verbringt sie ihre Freizeit in einem Obdachlosenheim und kümmert sich um Drogensüchtige: Das bringt viele gute Gespräche, tiefe Erlebnisse, aber nur wenige Impact-Punkte.
Trotzdem bekommt sie nach ihrer Rückkehr eine Stelle an der Pathologie im AKH. Neben dieser Tätigkeit arbeitet sie im ambulanten Betreuungshospiz mit und besucht Sterbende zu Hause. Ihnen erzählt sie von ihrem Glauben und fragt, ob sie auch für sie beten dürfe. Bei diesem Einsatz erlebt sie viel Freude und wird durch diese Begegnungen reich beschenkt. In besonders schwierigen Fällen hält sie sich an folgendes: Ich frage dann: Jesus was würdest Du jetzt machen, was würdest Du jetzt sagen? Das hilft immer, und es ändert auch mich selbst."
Nach einem Jahr AKH beginnt sie im Mistelbacher Spital mit dem Turnus. Dort läßt sie von Anfang an keinen Zweifel daran, daß sie sich bemüht, als Christin zu leben: Sie betet mit den Patienten, hat den Rosenkranz bei sich, eine Wandermuttergottes. Die Schwestern lädt sie zum Gebet bei gerade Verstorbenen ein. Mit all dem eckt sie natürlich auch an. Fragt man sie, warum sie Christin ist, so antwortet sie, sie habe alles probiert, aber das sei eben das Beste.
Nun will ich aber wissen, wie sie Mitarbeiterin im Lebenszentrum geworden sei? Lange Zeit wollte ich das Thema Abtreibung in der Öffentlichkeit nicht ansprechen. Aus verschiedenen, auch familiären Gründen, war das ein zu heikles Thema und außerdem ein heißes Eisen. Es war folgende Passage in einem Buch, das mir Magister Fischer, ein Mitbegründer des Zentrums gegeben hatte, die den Ausschlag gab, mich dort einzusetzen: Ein Politiker war eingesperrt worden, weil er sich für andere Menschen eingesetzt hatte. Auf die Bemerkung eines Freundes, der bei einem Besuch feststellt, es sei doch unverständlich, daß so etwas passieren konnte, gibt der Politiker zur Antwort: ,Viel unverständlicher ist, daß du nicht mit mir eingesperrt bist'."
Michaela erkennt: Auch sie darf der Abtreibungsfrage nicht ausweichen, sie muß sich mit dem Schicksal ungeborener Kinder auseinandersetzen. Das Lebenszentrum ist aus der Not heraus entstanden, daß man jungen Frauen nicht einfach sagen kann, sie sollten nicht abtreiben, weil das Kind ein Recht auf ein eigenes Leben hat, ohne ihnen dann auch weitere Hilfe anzubieten.
Michaela Moser wird hier für die nächsten zwei Jahre wesentlich mithelfen, mit den Müttern über ihre Probleme zu sprechen, um ihnen entsprechende Hilfen und Lösungen anzubieten.
Für diese Arbeit wird sie einige Phasen durchlaufen, die jeder, der hier mitarbeiten möchte, erfahren muß: Wer vor der Abtreibungsklinik für jeden erkennbar betet, erlebt Ängste und jede Art von Aggressionen: Er hat Angst, sich zu blamieren, Angst, ausgelacht und angespuckt zu werden, und er bekommt Aggressionen gegen Passanten, Mütter und deren Männer. Erst wenn der Beter klein und demütig geworden ist und weiß, daß er um nichts besser ist als die anderen Menschen hier, beginnt er wirklich zu beten. Dann wird sein Herz weich und seine Augen gut," erklärt mir Michaela liebevoll.
Ihre Entscheidung, Kinderärztin zu werden, wird maßgeblich von dieser Arbeit beeinflußt. Zu ihrem eigenen Erstaunen beginnt sie Kinder mit einer Zartheit zu lieben, die sie bei sich selbst niemals vermutet hätte. Mir fällt auf: Ihr Gesicht bekommt einen ganz liebevollen Ausdruck, wenn sie über die Kinder spricht.
Für Michaela Moser ist es mittlerweile eine Selbstverständlichkeit geworden, in den verschiedensten Kreisen (z.B. in Schulen) über den Schutz des Lebens zu sprechen, auch wenn ihr das im Berufsleben unangenehme Konfrontationen beschert. Durch ihren Einsatz hofft sie, dem vorzubeugen, was 50 Meter neben unserem Gesprächsort täglich geschieht: daß Mütter keinen anderen Ausweg sehen, als ihr Kind abtreiben zu lassen.
Mit spürbarer Freude erzählt sie mir, daß durch die Arbeit des Lebenszentrums bis jetzt schon 800 Kinder gerettet werden konnten. Niemals werde ich als Ärztin so viele Kinderleben retten können. Doch die Menschen, die hier auf der Straße stehen, um junge Mütter dazu zu bewegen, ihr Kind auszutragen, vollbringen wahre Wunder. Sie werden dafür manchmal verspottet, ausgelacht oder auch angespuckt." So etwas kann man nur aus Liebe tun, weiß die temperamentvolle Ärztin.
Aus Liebe zu den Menschen ist sie im vorigen Sommer auch mit der Organisation der Ärzte ohne Grenzen" in den Kosovo gefahren. In einem Flüchtlingslager in Mazedonien, in dem 44 000 Flüchtlinge untergebracht waren, hat sie acht Wochen lang Tag und Nacht Menschen versorgt und betreut.
Take care of my little ones - Paß auf meine Kleinen auf!". Das hat sie nach Einzelexerzitien in englischer Sprache als ihre Lebensaufgabe erkannt. Im Rückblick auf ihren Einsatz im Kosovo meint die mutige Ärztin: Das Schlimmste war die Einsicht, die ich dort gewonnen habe: Gott hält einem dort täglich einen Spiegel vor. Denn es sind nicht nur die Bösen böse. Was da geschieht, hättest auch du tun können. Richte nicht! Verurteile niemand! Sehr schnell kann einer, der für dich zu den ,Guten' gehört, plötzlich zur Bedrohung werden."
Sie selbst erlebt das hautnah in Mazedonien: Die Insassen des Lagers, in dem sie tätig ist, die Menschen, die sie betreut hat, drehen plötzlich durch und bewerfen ihre Helfer mit Steinen. Nur mit Not können diese sich retten.
Ein schreckliches Erlebnis, das in ihr die Frage wachruft: Geht es nur hier im Kosovo so furchtbar zu? Da erinnert sie sich an ein Wort von Mutter Teresa: Die Wurzel jedes Krieges ist die Abtreibung. Wer zu seinem Kind nicht ja sagen kann, in dem entsteht tiefer Unfriede. Diesen Unfrieden trägt man dann in die Familie, und so entsteht Haß - in Wien wie im Kosovo.
Daher setzt sie sich auch im Flüchtlingslager für die ungeborenen Kinder ein. Eines Tages kommt eine Frau zu ihr: Sie möchte abtreiben. Michaela weiß, jetzt muß sie sich für diese Frau Zeit nehmen. Weinend erzählt ihr diese, ihr Mann sei vor ihr und den Kindern gefoltert und getötet worden. Nun sei sie schwanger. Im Gespräch mit Michaela wird ihr aber bewußt, daß sie nicht weiß, ob das Kind von ihrem Mann ist - vielleicht das Letzte, was sie von ihm hat - oder vom Vergewaltiger. Jedenfalls, so erkennt sie, ist es zu 50 Prozent von ihr. Es töten so viele in Deinem Land, nun willst auch Du töten," sagt die Ärztin zur verzweifelten Frau und spricht von Frieden, Liebe, von Mutter Teresa, die auch für diese Frau ein Begriff ist.
Am nächsten Tag kommt die Frau wieder und stellt der Ärztin ihre Kinder vor. Sie werde nicht abtreiben, erklärt sie. Ich entscheide mich für das Kind, weil damit beginnt die Liebe in mir. Damit beginnt auch der Friede in mir, auch wenn das Kind nicht von meinem Mann ist." So wie jene Frau entscheidet sich im Lager noch so manche andere, weil sie die Botschaft der Ärztin verstanden hatte: Wer Frieden will, muß bei sich selbst damit beginnen.
Ich bin beeindruckt und stimme mit ihr vollkommen überein, als sie fortfährt: Als ich die Foltergeschichten im Kosovo gehört und gesehen habe, dachte ich daran, wie furchtbar und grausam wir Österreicher das finden. Aber niemand bedenkt, daß hier draußen vor dieser Tür, täglich bis vor kurzem 60 Kinder getötet wurden. Dazu sagt fast niemand etwas."
Die Rückkehr ins normale Leben fällt ihr äußerst schwer. Sie hat 15 Kilo abgenommen, fast nicht geschlafen - und zuviel erlebt.. Unten wäre ich fast an diesen tief menschenverletzenden Verbrechen zerbrochen. Ich bin zurückgekommen und hatte wieder Gott verloren. Ich konnte mit niemandem mehr reden, hatte noch keinen Platz für Schmerz nach diesen Wochen." Sie hatte so unfaßbar Schreckliches erlebt, daß sie nicht mehr an Gottes Liebe zu glauben vermochte.
So fährt sie nach Loretto zu dem Priester, bei dem sie jährlich Exerzitien macht. Langsam, ganz langsam fängt sie zu erzählen an. Und dann kommt der Wandel: Aus dem Gespräch ist dann irgendwann eine Beichte geworden und schließlich konnte ich wieder beten und mich bei Gott bedanken, daß Er dabei war, daß Er mich herausgeführt hat, daß Er für mich und all die anderen Menschen am Kreuz gestorben ist.
Es wäre einfach, meint die junge Ärztin, die so ehrlich über schwere Zeiten in ihrem Leben erzählt, sich als Held feiern zu lassen - Ärzte ohne Grenzen" haben ja den Friedensnobelpreis erhalten. Doch Michaela Moser ist es wichtig zu erzählen, wie leicht es auch sein kann, Gott in schwierigen Zeiten zu verlieren.
Mein Leben gestaltet sich derzeit so, daß ich viel mitleiden muß. Aber ich habe diesen Weg bewußt gewählt. Vielleicht soll das meine Berufung sein. Es ist ganz leicht von Gott die Nase voll zu haben, wenn man unermeßliches Leid sieht, das man eigentlich nicht verkraften kann und zu sagen nie wieder mit Dir". Aber dann zurückzugehen und zu sagen: ,Bitte Papa, nimm mich wieder an, danke, daß Du immer da warst, das ist schwieriger. Es ist aber auch eine große Gnade, vielleicht die größte. Ich weiß, sollte ich morgen wieder umfallen, so wird mich sicher wieder ein Freund oder ein Priester zu Gott zurückbringen"
Ob sie nun mit Flüchtlingen, mit Obdachlosen, Drogensüchtigen, Sterbenden oder Prostituierten arbeitet, leidet und lebt, all das vermag sie nur, weil sie Gott kennt. Und so wie sie als Baby um ihr eigenes Überleben gekämpft hat, so kämpft sie nun ums Überleben für ihre Mitmenschen - mit Liebe und ohne zu verurteilen.