Mission mit „vollen Netzen“ im 21. Jahrhundert? Ist diese Frage verwegen, verrückt oder realitätsfern? Fast niemand in deutschsprachigen Landen wagt daran zu denken, dass wir auch im 21. Jahrhundert, in gar nicht so ferner Zukunft, tausende, ja Millionen neuer Christen „fischen“ werden. Können wir zumindest darauf hoffen, dass die Zahl praktizierender Katholiken von derzeit 5 Prozent hierzulande wieder zunehmen wird?
Aus dem zentralafrikanischen Land Ruanda wird berichtet, dass die Zahl der Katholiken in einer Diözese in einem 10-Jahres-Zeitraum um 30 Prozent (!) zugenommen hat. Dort sind in den letzten 19 Jahren 20 Kirchen neu gebaut und eröffnet worden. Im Rahmen der katholischen Kirche in Ruanda, gefördert durch die Päpstlichen Missionswerke in Österreich, entstanden neue Pfarrhäuser, christliche Kindergärten und Ausbildungsstätten und über 700 Witwen- und Waisenhäuser. Die Freude am Glauben ist in Ruanda jeden Tag erfahrbar, wie die Österreicherin Traude Schröttner im Buch Die Bettlerin Gottes (B&B Verlag, 2022) aus eigenem Erleben schildert.
Von der Freude im Glauben, die aus der katholischen Christenheit in Afrika, die sich in den letzten 100 Jahren nicht verdoppelt, sondern verhundertfacht hat, ist in deutschen Landen wenig zu spüren. Statt sich am Wort Gottes und der Wahrheit des katholischen Glaubens, wie sie im Katechismus zu finden ist, auszurichten, versuchen die Verantwortlichen sich am Zeitgeist zu orientieren. Was sind die Folgen? Bekehrungen und Berufungen bleiben aus. Der Regens des Priesterseminars musste für die jüngste Statistik der Bistümer Deutschlands die Zahl „Null“ vermelden. Zwar bewarb sich im letzten Jahr ein Bewerber aus Hamburg, aber der Studienort (Hochschule Heiligenkreuz) war den Verantwortlichen nicht genehm, weswegen er abgelehnt wurde.
Genug der traurig machenden Nachrichten. Wenden wir uns ab von den vermeintlich unabänderlichen, so realistisch scheinenden materiellen Gegebenheiten der kirchlichen Gegenwart. An den biblischen Berichten über die Berufung der Menschenfischer können wir nämlich ablesen, wie Menschen eine Bekehrung und Berufung erleben können: Erst predigte und lehrte Jesus das Wort Gottes. Er vermittelte, dass Gott die Wahrheit und das Licht ist. Er erklärte den Menschen, wie sie den Willen Gottes erkennen können. Dann hörten und sahen die Zuhörer Jesu voll Freude, dass Kranke gesund, besessene Menschen von Dämonen befreit wurden und viele Menschen Jesus gläubig und leidensbereit nachfolgten.
Seine Apostel sollten wie Jesus das Evangelium verkünden, wie Jesus Dämonen austreiben und Kranke heilen. Papst Franziskus sagte am Sonntag des Wortes Gottes diesen Jahres, dass Menschenfischer solche Christen sind, die von Jesus ausgesandt sind und auf die Nöte der Menschen eine Antwort im Namen Gottes haben.
Mission und Evangelisation sind keine Geheimwissenschaft. Wir müssen auch kein Theologiestudium absolvieren oder Missionswissenschaft studieren, um als Menschenfischer zu wirken. Wir brauchen nur die Bereitschaft, von Jesus zu lernen, wie man neue Christen „fischt“. In den vier Evangelien ist alles beschrieben, was und wie wir lernen können, Menschenfischer zu werden und zu sein. Nirgendwo ist dort übrigens von besonderen natürlichen Fähigkeiten der 12 Apostel die Rede. Jesus scheint eher die Unzulänglichkeiten der Menschen zu lieben, wenn er Menschen beruft, wie man am Beispiel von Simon Petrus besonders sehen kann. Es reichte aus, dass sie sich rufen ließen, bei Jesus sein wollten, dass sie bereit waren, die Kraft aus der Höhe zu empfangen und leidensbereite Zeugen für Christus zu sein (Apg 1,8).
Mission Menschenfischer: Wie geht das heute?
Wie die Jünger und Apostel vor Pfingsten müssen wir auf die Knie gehen und um die Erfüllung mit dem Heiligen Geist beten. Ohne das flehende und ausdauernde Gebet als Vorbereitung einer Mission und Evangelisation geht nichts. Statt auf unsere menschlichen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten zu schauen, erheben wir Menschenfischer unsere Augen zum Himmel und glauben, wie Jesus versprochen hat, dass Er „alle Macht im Himmel und auf Erden“ hat. Deswegen und nur deswegen gehorchen wir den Worten Jesu, wenn er zu uns sagt:
„Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,19-20).
Wir dürfen dieser Mission, diesem Auftrag Christi kein einziges Wort hinzufügen oder gar das (drei Mal vorkommende) Wörtchen „alle/alles“ streichen. Ja, es sind „alle Menschen“ gemeint, auch die Juden, Muslime, Hindus, die Atheisten und Agnostiker! Alle sollen getauft und zu Jüngern Christi „gemacht“ werden.
Diese Mission Gottes dürfen wir nicht mit einer Mitgliederwerbung verwechseln, wie sie Parteien, Vereine oder andere Organisationen machen. Wir Missionare und Evangelisten sind keine Mitgliederwerber, sondern Menschenretter. Der von Gott ausgedachte und von Jesus vermittelte Sinn der christlichen Mission besteht darin, Menschen aus einer hoffnungslosen Existenz im „Meer der Sünde“ zu erretten. Wir Evangelisten und Katechisten bringen Menschen das Licht, die Liebe und die rettende Macht Christi. Genau deswegen gehen wir auf die Straße und auf Marktplätze, klingeln an Haustüren und nutzen auch die Möglichkeiten des Internets, von Radio und Fernsehen, um Menschen mit der Retter-Botschaft Christi zu erreichen. Wir sind gesandt, das Evangelium zu verkünden, damit Menschen Heil und Heilung durch Gott erfahren, sie getauft und gläubig werden und in den Himmel kommen.
Uns sind „volle Netze“ verheißen, nicht weil wir so begabt, so klug oder talentiert wären. Wir fischen neue Christen, weil Jesus uns Christen und Nachfolger Jesu „erwählt hat“ und „dazu bestimmt hat“, dass wir „uns aufmachen und Frucht, bleibende Frucht bringen.“ Wenn wir dieser Bestimmung folgen, dann wird uns der Vater (erstaunlicher Weise!) alles geben, um was wir ihn in Jesu Namen bitten (vgl. Joh 15,16).
Dr. Hinrich E. Bues ist Dozent für Missionarische Spiritualität und Evangelisation an der Phil.-Theol. Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz.