„Letzte Generation“ nennt sich die Bewegung, die derzeit mit ihren Aktionen für Schlagzeilen und Unmut sorgt. Ohne radikale Klimaschutzmaßnahmen sehen die überwiegend jungen Leute keine Zukunft für sich und die Welt. Und in diesem Umfeld lädt der Apostel Paulus die Christen ein, sich jederzeit zu freuen. Ist das nicht total weltfremd?
Anna Diouf |
Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!“, so schreibt Paulus an die Philipper. Eine geradezu unglaubliche Aufforderung: Wohin wir uns auch wenden, erblicken wir Krieg, Hass, Elend und Leid! Auch wir selbst sind gebeutelt von Nöten und Ängsten. Wie sollen wir solche Sätze verstehen angesichts des Unheils in der Welt?
Sollen wir das alles mit einem angestrengten Lächeln übertünchen, oder uns einreden, das sei alles nicht so schlimm? Ist das, was der Apostel Paulus hier so leichthin formuliert, nicht eine ungeheure Überforderung?
Nun, zumindest stellen diese Sätze eine echte Herausforderung dar! Es zeichnet das Christentum aus, dass es fest in der Realität verankert ist. Paulus wird daher wohl kaum von uns verlangen, sie auszublenden. Allerdings lädt er uns dazu ein, nicht bei unserer unvollkommenen Wahrnehmung des Daseins stehenzubleiben, sondern der Wirklichkeit auf den Grund zu gehen.
Denn die „ganze Wahrheit“ liegt in Gott, in Seiner Erlösungstat: Erst in Jesu Sterben und Auferstehen sehen wir das ganze Bild. In Seinem Kreuz sehen wir das Leid; an den Wunden seines verklärten Leibes erkennen wir, dass dieses Leid von Gottes Liebe umfangen ist und verwandelt wird: Er hält die Welt in der Hand.
Gott ist Herr über Gestern und Heute, über Zeit und Ewigkeit. Nur so ergeben die Zeilen des Philipperbriefes Sinn. Sind wir uns des lebendigen Gottes bewusst, der den Tod überwunden hat, der siegt und herrscht, dann besteht tatsächlich Grund zur Freude. Dann ist diese Freude nicht blauäugig oder ignorant gegenüber den Übeln dieser Welt, sondern schlicht Ausdruck des Wissens darum, dass wir gerettet und erlöst sind.
Diese Einsicht hilft uns nicht nur in unserem geistlichen Leben, sondern auch angesichts der „weltlichen“ Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen: Es ist heutzutage üblich, Pessimismus als „realistisch“ zu bezeichnen. Einen negativen Ausgang zu erwarten, das Schlechte wahrzunehmen, wird oft als einzig vernünftige Sichtweise betrachtet. Als Beispiel sei nur die Klimaschutzbewegung genannt: Radikale Vertreter dieser Bewegung denken ernsthaft, dass nur apokalyptisch anmutende Annahmen „der Wirklichkeit ins Auge blicken.“ Eine Verkürzung der Realität auf das, was die eigene Wahrnehmung leisten kann – das Resultat ist pure Verzweiflung.
In diese Verzweiflung müssen Christen niemals abgleiten, weil sie immer wissen, dass am Ende Gottes Herrschaft steht, nicht der Untergang. Sein Heilswille umfasst nicht nur eine geistliche Dimension, sondern die gesamte Schöpfung.
Das bedeutet jedoch nicht, dass wir auch immer froh aussehen müssen. Gerade in unserer von Sozialen Medien geprägten Zeit werden wir mit Bildern überflutet, die „Freude“ ausstrahlen, die keine ist: Eine äußerliche Fröhlichkeit wird propagiert, die meist bereits kurz hinter der Fassade eines künstlichen Lächelns endet.
Die Freude, von der Paulus spricht, ist dagegen nicht aufgesetzt, und sie leugnet auch nicht das Leid, das uns umgibt und durchdringt: Die Gewissheit, dass Gottes Liebe stärker ist als der Tod, seine Herrschaft mächtiger als das Böse, ist nicht immer mit einem „Gefühl“ der Freude verbunden: Sie darf, muss sich aber nicht in Überschwang und Fröhlichkeit äußern, sondern kann auch in einer inneren Gelassenheit bestehen: Eine innere Ruhe, die uns sagt, dass Gott, weil Er gut ist, alles zum Guten wenden wird; dass Er sogar, ehe wir es bemerkt haben, alles schon zum Guten gewendet hat.
Diese Freude im Herrn ist also verbunden mit einem Glaubensakt: Es ist die Hingabe an seinen Willen, die uns von den Sorgen dieser Welt befreit – nicht in dem Sinne, dass wir nicht mehr darunter leiden würden, sondern in dem Sinne, dass wir ihnen nicht die Herrschaft über unser Leben zusprechen. Es ist also wichtig, dass die Freude, von der Paulus spricht, mehr ist als nur ein Gefühl. Denn sonst könnten wir uns von dem Anspruch, immer gut gelaunt sein zu müssen, in psychische und geistliche Erschöpfung treiben lassen.
Und noch ein Punkt ist bedeutsam: In „Also sprach Zarathustra“ schreibt Friedrich Nietzsche Verse, die mittlerweile fast als geflügeltes Wort gelten können und gern in Predigten zitiert werden: „Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müssten mir seine Jünger aussehen!“, so heißt es dort über die Christen.
Einerseits ist an diesem Satz viel Wahres dran: Man wird uns die Frohe Botschaft nicht abnehmen, wenn wir sie nicht auch in Freude verkünden. Es liegt aber auch eine Gefahr in diesen Worten: Dass man in einer gewissen Oberflächlichkeit das bedient, was Menschen als „freudig“ verstehen; dass man Schwierigkeiten und Zweifel nicht mehr benennt, aus Angst, dann nicht mehr als glaubwürdiger Jünger Christi dazustehen.
Christus anzugehören, macht das Leben aber nicht schmerzfrei und problemlos; wir können nicht pausenlos enthusiastisch und munter durchs Leben gehen. Wenn Nietzsche eine solche Erwartung an uns richtet, sollten wir das weniger nutzen, um andere Christen emotional unter Druck zu setzen, sondern eher hinterfragen, ob seine Vorstellung von Erlöstheit überhaupt der christlichen Definition entspricht. Und ob er hier nicht etwas Unmögliches verlangt, um seinen Unglauben zu rechtfertigen: Er macht es sich leicht, indem er behauptet, die Botschaft könne nur vollkommen sein, wenn es auch die Boten sind.
Paulus ist hier eindeutig der bessere Ratgeber als Nietzsche! Denn er unterschlägt nicht, dass wir selbst „zerbrechliche Gefäße“ sind, in die die Botschaft Christi hineingelegt ist.
Dies ist zwar eine schmerzliche Erkenntnis, sie entlastet uns aber auch: Die Freude ist nicht unsere, sie ist ein Geschenk. Wir müssen uns nicht abstrampeln, um immer ein frohes Gesicht aufsetzen zu können. Wie um alle Gnaden und Gaben Gottes dürfen wir um die wahre Freude im Heiligen Geist bitten und sie uns schenken lassen, nach dem Maß, das Gott uns austeilt.
Die Autorin ist Redakteurin bei EWTN.TV.