VISION 20003/2023
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Ein inneres Glück: nicht zu rauben, unzerstörbar

Artikel drucken Auf der Suche nach Erfüllung (Weihbischof Andreas Laun)

Eigentlich ist es geradezu paradox mit unserer Glückssehnsucht. Unter Berufung auf Augustinus und Paulus schreibt Papst Benedikt XVI. (Spes salvi 11): „Genau besehen wissen wir gar nicht, wonach wir uns eigentlich sehnen, was wir eigentlich möchten. Wir kennen es gar nicht; selbst solche Augenblicke, in denen wir es zu berühren meinen, erreichen es nicht wirklich… Wir wissen nicht, was wir wirklich möchten; wir kennen dieses eigentliche Leben nicht; und dennoch wissen wir, daß es etwas geben muss, das wir nicht kennen und auf das hin es uns drängt.“

 
„Ich bin froh, seid ihr es auch!“: Botschaft des
todkranken Papstes Johannes Paul II.
 

Was ist Glück? Eine Definition gibt es nicht, Glück kann man nur kosten, nur erfahren, nur erleben und dann weiß man, was Glück ist und woher es kommt. Aber, so schön solche Glückserlebnisse sein mögen: Sie beginnen, schon während wir sie empfinden, zu vergehen und bleiben dann nur Erinnerung – und auch diese verblasst.
Die Psalmen sprechen unsere große Sehnsucht an (z.B. Ps 42): „Meine Seele sehnt sich nach Dir wie der Hirsch nach der Quelle!“ Auch wenn man nie einen durstigen Hirsch am Wasser gesehen hat, jeder versteht das Gemeinte! Es gibt eine elementare Sehnsucht nach Leben und Erfüllung, die allerdings kein Wasser, kein sonstiges Gut dieser Erde, nicht einmal die schönste Liebe, die es geben mag, erfüllen kann, sondern nur Gott! Das ist nicht nur eine Antwort des Glaubens, sondern auch der Vernunft und der Erfahrung!
Wahrscheinlich wäre es möglich, sich mit fast allen Menschen auf die folgende Beschreibung des Glücks im Leben einschließlich seiner Grenze zu einigen: „Glücklich bin ich, wenn ich gesund nach Hause komme, wenn ich in meinen Garten gehen kann und mich mein Hund begrüßt. Aber das Wichtigste ist, dass ich mich geliebt weiß von meinem Ehepartner, von meinen Kindern, meinen Freunden und meiner Umgebung. Aber ich weiß, dass das alles einmal endet, und ich spüre in meiner Seele noch immer eine Sehnsucht, die ich allerdings nicht recht verstehe“
Um die „Sehnsucht des Hirsches“ in uns zu verstehen, sollten wir nicht nur nach unseren Erfahrungen fragen, sondern auch Ausschau halten nach Menschen, die offenkundig wirklich glücklich sind! Ja, ich kenne sie: Ehepaare, die einander bis ins hohe Alter lieben, Menschen im Kloster und Chris­ten in der Welt, gescheite und minderbegabte Menschen, Frauen und Männer, Schwarze und Weiße… Gemeinsam ist ihnen der Glaube an Jesus Chris­tus! Keine Reklame mit ihren Glücksangeboten erreicht sie, ihr Glück, ihr Friede kommen aus einer anderen Welt. Ein Merkmal ist: Man kann ihr inneres Glück nicht zerstören, es ihnen nicht rauben!
Alles religiöse Romantik? Wahr ist, dass auch Christen manchmal traurig sind, vielleicht depressiv, herausgefallen aus der Geborgenheit ihres Glaubens. Und außerdem: Man denke an die grauenhaften Leiden, die Millionen von Menschen auch heute zu erdulden haben. Will jemand behaupten, verfolgte Christen seien glücklich? Natürlich nicht im vordergründigen Sinn des Wortes. Und noch ein wichtiger Hinweis: Niemand darf sich das Recht nehmen, das Unglück anderer Menschen schön- und wegzureden. Der Schrei zum Himmel angesichts soviel nicht verstehbaren Leides wird in der Geschichte der Menschen nie verstummen.
Wahr aber bleibt dennoch das Zeugnis der großen „Glücklichen im Unglück“, die die Kirche als Heilige verehrt: P. Maximilian Kolbe war ein glücklicher Mensch. Auch noch im Bunker, in dem man ihn verhungern ließ? Nicht, dass er nicht gelitten hätte wie alle anderen mit ihm! Aber als man ihn schon fast sterbend fand und dann tötete, hatte er ein Lächeln im Gesicht!
Der heiligen Bernadette von Lourdes sagte die Jungfrau Maria selbst: „Ich verspreche Ihnen nicht, Sie in dieser Welt glücklich zu machen, aber in der anderen!“ Wer würde sich getrauen zu behaupten, die heilige Bernadette sei ein „unglücklicher Mensch“ gewesen – mit dieser Verheißung im Herzen?
2005 schrieb der schwer kranke Papst Johannes Paul II. auf einen Zettel eine Botschaft: „Ich bin froh, seid ihr es auch!“
Einer der Lübecker Märtyrer schrieb nur Stunden vor seiner Hinrichtung in einem Brief an seine Eltern: „In drei Stunden sehe ich Jesus, ich bin glücklich, seid ihr es auch!“
Papst Benedikt zitiert in seinem Schreiben über die Hoffnung aus dem Brief des vietnamesischen Märtyrers Paul Le-Bao-Thin († 1857): „Dieser Kerker ist wirklich ein Bild der Hölle… Inmitten dieser Foltern bin ich dank Gottes Gnade voll Freude und Heiterkeit, denn ich bin nicht allein, sondern Chris­tus ist mit mir!“
Solche Belege des Glücks inmitten von „Höllen des Leidens“ ließen sich aus den Archiven der Kirche zahllos vervielfältigen. Wahr ist: Die geheimnisvolle Quelle des Glücks in Gott gibt es nicht nur für Märtyrer, sie ist jedem Christen erreichbar, auch den vielen, vielen anderen, denen solche Leiden wie die genannten Gott sei Dank erspart bleiben!
Jeder Mensch ist ein durstiger Hirsch im Sinn des Psalms, jedem ruft Jesus (Joh 7,37) zu: „Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt.“ Statt über das Glück zu reden und zu streiten, wäre es wohl besser, zu Jesus zu gehen und zu kosten.

Auszug aus seinem Beitrag in Vision 6/14


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