2021 erschien das Buch The Truth about Clergy Sexual Abuse: Clarifying the Facts and the Causes. Es untersucht den Missbrauch in der US-amerikanischen Kirche und seine Ursachen. Sein Autor, Bill Donohue, ein Soziologe, beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Themen, die die Kirche in der modernen Welt betreffen. Vieles, was Donohue für die USA erhoben hat, trifft wohl auch auf die Kirche in Westeuropa zu. Im Folgenden Auszüge aus einem Interview, das er der Zeitschrift The Catholic World Report gegeben hat.
Der Missbrauch durch Priester hat dem Ruf der Katholischen Kirche in der Öffentlichkeit enormen Schaden zugefügt |
Es steht außer Zweifel, dass die Medien die Öffentlichkeit überzeugt haben, (…) der Missbrauchskandal finde nach wie vor statt. Tatsächlich ist er jedoch zum Großteil beendet – und das seit mehr als einem halben Jahrhundert. Der ärgste Schaden, den Priester – die meisten von ihnen waren homosexuell – der katholischen Kirche zugefügt haben, entstand im Zeitraum zwischen der Mitte der sechziger und der achtziger Jahre. Da und dort gibt es allerdings immer noch Fälle. In den Medienberichten jedoch wird meist über alte Fälle berichtet. Aber die Leute lesen nur die Schlagzeilen und dann nicht weiter. Wer dies aber tut, wird sich in den Jahren 1963, 1971, 1985 wiederfinden. Auch machen sich die Medien nicht die Mühe, Ihnen mitzuteilen, dass fast alle missbrauchenden Priester entweder tot sind oder aus dem Dienst entfernt wurden. Die Vorstellung, dass Priester herumlaufen und nach Kindern suchen, ist einfach eine Lüge, eine bösartige Lüge. Das wollte ich klarstellen.
Und noch etwas: Wir haben enorme Fortschritte gemacht. Bei den rund 50.000 Geistlichen liegen wir derzeit bei der Zahl der begründeten Anschuldigungen im einstelligen Bereich. Keine andere Organisation in den USA, ob weltlich oder religiös, schneidet besser ab, wenn es um die Sicherheit der Minderjährigen geht, als die katholische Kirche.
Ja, wir waren in den 70er Jahren nicht wachsam genug. Das war ein schreckliches, schreckliches Jahrzehnt. Für das, was damals geschah, verdient die Kirche tatsächlich Kritik. Wenn wir aber fair sein wollen, müssen wir Anerkennung zollen, wo dies gebührt: Das betrifft die Reformen von Dallas und andere Reformen, die stattfanden. Wir haben enorme Fortschritte gemacht. Und darauf bin ich stolz. Im großen und ganzen hat die katholische Kirche die Wende geschafft.
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Es findet, (was das Thema Homosexualität betrifft), eine allgemeine Verleugnung statt, auch in der katholischen Kirche. Diese Verleugnung gibt es auch im Vatikan. Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: In meinem Buch komme ich auf den Missbrauch-Gipfel im Vatikan zu sprechen. Alle, angefangen beim Papst und den Kardinälen sprachen vom Klerikalismus als treibende Kraft des sexuellen Missbrauchs. Klerikalismus oder die Vorstellung, einer Elite anzugehören, mögen etwas damit zu tun haben, dass einige Bischöfe den Missbrauch begünstigt haben. Es hat aber gar nichts damit zu tun, wenn ein Priester einen Minderjährigen missbraucht. Überhaupt nichts. Niemand will über Homosexualität sprechen.
Fairerweise ist zu sagen, dass der Papst und viele Kardinäle über die Notwendigkeit gesprochen haben sicherzustellen, dass Männer mit tief sitzenden homosexuellen Neigungen nicht als katholische Priester zugelassen werden. Aber am Vatikan-Gipfel war das nicht das Thema. Tatsächlich gehören nämlich Homosexuelle heute in Amerika zur best geschützten Gruppe, und die Leute fürchten sich, die Wahrheit zu sagen. Wenn ich meinen protestantischen oder jüdischen Freunden von meinen Forschungsergebnissen erzähle, dass mehr als 80 Prozent des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger Homosexuellen zugerechnet werden muss, schauen sie mich an und sagen: „Klar, wir wissen das. Aber Studien kennen wir nicht. Wir lesen nichts davon. Aber jedermann weiß, dass es Homosexuelle sind.“
Pädophil sind etwa 3,5 Prozent. Wenn ein Mann Sex mit einem postpubertären Mann hat – einem Jugendlichen oder älterem – , ist das homosexuelles Tun. Damit sage ich nicht, dass alle Homosexuellen Missbrauchstäter sind. Das wäre Diskriminierung Homosexueller. Was ich damit sage: Homosexuelle sind – und das mehr als Heterosexuelle – eher versucht, Minderjährige zu missbrauchen. In der katholischen Kirche ist das eindeutig so.
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In den 60-er, 70-er und 80-er Jahren war die Kirche zweifellos zu wenig wachsam. Die Ideen der sexuellen Revolution wurden in den 60er Jahren entwickelt und in den 70er Jahren umgesetzt und innerhalb sowie außerhalb der katholischen Kirche ausgelebt. Papst Benedikt XVI. verdient hier höchste Anerkennung, weil er mutig und klug die Bedeutung der sexuellen Revolution angesprochen hat. Diesbezüglich verteidige ich ihn energisch, weil er mehr als jeder andere das Geschehen soziologisch durchschaut hat. Ehrlich gesagt: Wenn andere das nicht erkennen, wissen sie einfach nicht, wovon sie reden. Damit ist nicht gesagt, dass die sexuelle Revolution an allem schuld und die Kirche entlastet oder exkulpiert sei. Sie hat das Geschehen aber angetrieben.
Bill Donohue
Auszug aus The Cartholic World Report v. 26.5.22