Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: ich vergesse dich nicht“ (Jes 49,15). Diese Aufforderung zum Vertrauen in die nie vergehende Liebe Gottes steht neben der ebenso eindrucksvollen Stelle aus dem Matthäusevangelium, wo Jesus seine Jünger ermahnt, auf die Vorsehung des himmlischen Vaters zu vertrauen, der die Vögel des Himmels ernährt und die Lilien auf dem Feld kleidet und um alle unsere Bedürfnisse weiß (vgl. 6,24–34). (…)
Angesichts der Situation vieler Menschen in Nah und Fern, die im Elend leben, könnte diese Rede Jesu den Anschein erwecken, wenig realistisch, wenn nicht gar ausweichend zu sein. Tatsächlich aber will der Herr mit aller Deutlichkeit zu verstehen geben, dass man nicht zwei Herren dienen kann: Gott und dem Reichtum. Wer an Gott glaubt, den Vater, der voller Liebe zu seinen Kindern ist, räumt der Suche nach seinem Reich, nach seinem Willen, den ersten Platz ein.
Und das ist das genaue Gegenteil des Fatalismus oder eines naiven Irenismus. Der Glaube an die Vorsehung nämlich enthebt nicht des mühsamen Kampfes um ein würdiges Leben, sondern befreit von den Sorgen um die Dinge und von der Angst vor dem Morgen. (…)
In jedem Fall aber zeichnet sich der Christ durch das absolute Vertrauen in den himmlischen Vater aus, wie dies bei Jesus der Fall gewesen ist. Gerade die Beziehung zu Gott, dem Vater, verleiht dem ganzen Leben Christi Sinn: seinen Worten, seinen Taten des Heils bis hin zu seiner Passion, seinem Tod und seiner Auferstehung. Jesus hat uns gezeigt, was es bedeutet, mit den Füßen fest auf dem Boden zu stehen, gegenüber den konkreten Situationen des Nächsten aufmerksam zu sein und zugleich stets das Herz auf den Himmel auszurichten, eingetaucht in die Barmherzigkeit Gottes.
Papst Benedikt XVI.
Aus der Ansprache beim Angelus am 27.2.11