Sechs Wochen sind seit dem Weltjugendtag in Lissabon, der vom 1. bis 8. August stattfand, vergangen. Mehr als eine Million junge Leute waren der Einladung zu diesem Großereignis gefolgt. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass dieses Fest des Glaubens bleibend den Glauben vieler Jugendlicher erneuert und vertieft hat, wie der folgende Bericht zeigt.
Stille Ergriffenheit im Gebet |
Der beeindruckendste Moment des Weltjugendtages war für mich die Wandlung während der Eröffnungsmesse. Ich war zu Beginn unserer Live-Sendung zum Set gegangen, durch jubelnde Menschenmassen: Singende, tanzende, lachende Menschen überall; laute Musik. Eine Bombenstimmung, aber sie hatte nichts Sakrales an sich. Zwar war eine Freude zu spüren, die alles andere als oberflächlich war, und die man wirklich nur als Freude im Heiligen Geist bezeichnen kann, aber nichts hätte einen unbeteiligten Beobachter dazu gebracht, zu vermuten, dass hier gleich eine heilige Messe gefeiert werden würde – das Opfer Christi, Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens?!
Dann begann die Messe; und ohne, dass es irgendwie unorganisch oder aufgesetzt gewesen wäre, wich die unbändige Feierlaune der Feierlichkeit. Bis zu diesem Moment, als der Patriarch von Lissabon die Hostie und den Kelch erhob, und das gesamte Feld von solchem Schweigen durchdrungen war, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. In diesem Augenblick wusste ich, dass meine tendenzielle Skepsis gegenüber Großereignissen, dass auch meine konkreten Anfragen etwa an würdige Kommunionspendung, und was einen praktizierenden Katholiken sonst noch beunruhigen könnte, an dieser Stelle nicht relevant waren.
Dies heißt freilich nicht, dass man darüber nicht sprechen dürfte, solche Fragen nicht thematisieren oder nach besseren Lösungen suchen dürfte – aber sie entwerten das nicht, was hier durch Gottes Gnade geschenkt wurde: Hier war Glaube, tiefer Glaube. Hier war Christus das Zentrum, um ihn hatten sich diese Menschen versammelt. Sicher nicht alle. Da werden „Mitläufer“ dabei gewesen sein, zufällig anwesende Menschen, solche, die nicht wussten, was dort an Großem geschah. Aber alle wurden ohne Unterschied von der Mutter Kirche mit diesem Mantel des ehrfürchtigen Schweigens bedeckt.
Es war ein wirklicher Gänsehautmoment, der mir vor Augen führte, worin die wahre „Macht“ der Kirche besteht: Nicht in Reichtum oder politischem Einfluss, nicht einmal im Einfluss auf Seele und Geist des Menschen. Ihre Kraft besteht darin, Menschen zu Christus zu ziehen, Menschen auf den Weg des Heils zu führen – sanft leitend, unermüdlich schiebend oder ziehend.
Diese ungeheure Kraft, die der Kirche geschenkt ist, über alle Grenzen hinweg, über Sprachen, Nationen, ja, sogar über Religionen und Weltanschauungen hinweg auf Gott hinzuweisen, ihn erfahrbar zu machen und zu vermitteln, das war eine erhabene und erhebende Erfahrung.
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Je weiter der Weltjugendtag voranschritt, desto mehr drängte sich mir der Eindruck auf, dass er ganz durchwirkt war von der Gnade dieser ersten heiligen Messe. Wo man auch hinkam, man erlebte, dass Jubel, Tanz und tiefe Frömmigkeit einander nicht widersprechen, auch nicht parallel zueinander laufen, sondern im Herrn ganz nah beieinander liegen. Ganz besonders äußerte sich das im Frieden, der über Lissabon lag: Eine Stadt mit nicht einmal einer Million Einwohner sollte mindestens noch einmal so viele beherbergen.
Dementsprechend gefordert – jeder rational denkende Mensch hätte gesagt „überfordert“ – war die Infrastruktur: Stundenlang standen die jungen Menschen in langen Schlangen auf der Straße, weil sie nicht in die überfüllten U-Bahn-Stationen hineinkamen. „Wenn nun eine Massenpanik ausbräche“, hörte ich mehrfach Begleiter sagen. Aber nun: Es brach eben keine aus.
Es gab auch keine Aggression, wie sie bei Menschenaufläufen gewöhnlich kaum ausbleibt, zumal bei heißen Temperaturen und der damit einhergehenden Erschöpfung. Die Freundlichkeit und Achtsamkeit, mit der alle miteinander umgingen, zeigten, dass der Friede Christi, den wir in der Messe einander zusprechen, kein frommes Gerede ist, sondern dass es ihn gibt, und dass die Kirche ihn tatsächlich ausspendet. Wir begegnen so oft der Kritik an der Kirche, dass wir oft übersehen und als selbstverständlich betrachten, was die Kirche für das Zusammenleben der Menschen getan hat und tut.
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Und dies ist vielleicht eine der wichtigsten Früchte des Weltjugendtages – abgesehen von den Christusbegegnungen und Erweckungen, die der Einzelne hier womöglich erlebt hatte: Eine Gelegenheit geschaffen zu haben, in der Christen aus aller Welt einander kennenlernen können. Die Erfahrung, im Glauben nicht allein zu sein, die Erfahrung, dass die Kirche so viel mehr ist als „nur“ die eigene Pfarrei, das ist insbesondere für junge Menschen aus dem deutschen Sprachraum unheimlich kostbar.
Wie selbstverständlich berichten viele Medien verkürzt und sichtlich ohne Expertise über kirchliche Belange! Wie gängig ist es, den Glauben als Relikt vergangener Zeiten darzustellen, Gottesdienst als langweilig, die Kirche als patriarchalen Club alter weißer Männer in seltsamen Gewändern! Es kann wahnsinnig schwer für einen jungen Menschen sein, zu dieser Kirche zu stehen, die er vielleicht nie wirklich hat kennenlernen können. Einfach den Eltern oder Großeltern oder dem Pfarrer vertrauen, dass sie schon recht haben (wenn sie selbst denn überhaupt das Christsein glaubwürdig vorleben)?
Das kann schwierig werden, wenn man dazu angehalten wird, sich zu rechtfertigen für Verbrechen, für die man nichts kann, für angebliche Verfehlungen der Vergangenheit, über die man nichts weiß, für eine Glaubenslehre, die man nicht kennt. Hier konnte man sehen: Unzählige junge Menschen bekennen sich zu diesem Glauben. Und das keineswegs oberflächlich!
„Wir kommen nicht in den Himmel, weil wir gut sind, wir kommen in den Himmel wegen dem, was Christus am Kreuz für uns getan hat“, sagt eine junge Christin aus Palästina einer meiner Kolleginnen im Interview. Und ein junger Armenier sagt auf die Frage, was seine Hoffnung sei: Nur Jesus. Hier können Jugendliche voneinander lernen, was Glaubenszeugnis heißt; dass man dafür kein Gelehrter, kein Theologe, kein Priester und keine Nonne sein muss. Hier können sie lernen, dass Glaube nicht Politik oder Sozialwissenschaft „mit anderen Mitteln“ ist, sondern das Zentrum des Lebens, das auf alle anderen Bereiche ausstrahlt.
Man kann nur hoffen und dafür beten, dass die Jugendlichen das, was sie auf dem Weltjugendtag erfahren durften, mit nachhause nehmen, dass ihnen im manchmal allzu grauen und konturlosen Lebens- und Glaubensalltag immer wieder das bunte Fahnenmeer, das Weltjugendtagskreuz und die Ikone der Muttergottes in ihrer Mitte, das frohe und das ernste Miteinander in den Sinn kommen. Dass sie sich auch dann, wenn menschliche Schwäche, Sünde und Schuld, ob eigene oder fremde, das Antlitz der Kirche verdunkeln, daran erinnern, wie die Kirche wirklich ist.
Die Autorin ist Redakteurin von EWTN.TV.