Eine Mutter, engagiert im Lebensschutz, die in schon fortgeschrittenem Alter unerwartet schwanger geworden war, berichtet, wie sie die Kostbarkeit ihres behindert geborenen Kindes erst entdecken musste und wie sie gelernt hat, mit seiner Besonderheit umzugehen…
Ein Mensch mit Down-Syndrom ist besonders und kostbar – wie jeder andere auch |
Als ich vor 21 Jahren Eva unter meinem Herzen trug, ahnte ich bereits, dass dieses Kind etwas ganz Besonderes ist. Die Familienplanung (wir hatten schon 3 Töchter) war bereits abgeschlossen, daher war die Überraschung über den positiven Schwangerschaftstest doch sehr groß. Und ich muss gestehen, mit meinen 42 Jahren war ich auch etwas besorgt über diese späte Schwangerschaft.
Nach einigen Untersuchungen bestand der dringende Verdacht auf ein Down-Syndrom beim Kind, eine Fruchtwasseruntersuchung - zu der uns der behandelnde Facharzt dringend riet - lehnte ich jedoch ab, da weder für meinen Mann noch für mich eine Abtreibung (Kindstötung) in Frage gekommen wäre. Seit Jahren hatte ich mich offen gegen die Abtreibung geäußert, hatte Frauen beraten, die ihr Kind abtreiben wollten. Wie hätte ich je wieder einer Frau den Wert des Lebens erklären können, wenn ich nicht zu meinem Kind (mit oder ohne Beeinträchtigung) stehen würde? In dieser Zeit habe ich viel gebetet.
Als Eva nach einer schnellen Geburt in meinen Armen lag, erkannte ich sofort – noch bevor das Ergebnis des Chromosomentests vorlag –, dass sie das Down-Syndrom hat. Enttäuschung, Trauer, Schmerz, Zweifel an der Liebe Gottes (wo ich doch so viel gebetet hatte!) erfüllten mich. In den ersten Tagen nach der Geburt weinte ich viel, während ich Eva im Arm hielt, doch plötzlich erkannte ich: Mein Kind spürt, was ich empfinde. Soll es nur Trauer und Tränen sehen?
Als wäre ein Schalter umgelegt worden, konnte ich nun Dankbarkeit empfinden für dieses so besondere Kind. Ich schämte mich nicht für sie und freute mich über jeden noch so kleinen Fortschritt. „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“ – dieser Spruch wurde nun zu meinem Leitspruch. Eva lernte viel, nur eben langsamer als der Durchschnitt: mit 1 Jahr konnte sie sitzen, mit 2 Jahren konnte sie gehen.
Sie hat den Kindergarten und die Schule besucht, erhielt Frühförderung, Logopädie und Ergotherapie. Sie kann schwimmen, eislaufen, Ski fahren, Rad fahren, trainiert im Leichtathletikteam von Special Sport Tirol und nimmt regelmäßig an nationalen Wettkämpfen teil. Sie hat einen großen Freundeskreis und einen besonders lieben Freund Matthias. Sie fährt alleine mit dem Bus in die Arbeit, wo sie von ihren Arbeitskollegen geschätzt wird, weil sie pünktlich und verlässlich ist.
Freilich, bis sie alle diese Fertigkeiten erlernt hatte, war es ein langer Weg, der uns viel Zeit und Geduld abverlangt hat. Eva ist uns häufig ausgebüxt, die ganze Familie musste sie suchen. Sie führt auch heute noch gerne Selbstgespräche; sie hat viele bunte Raupen im Kopf, und wir lachen oft mit ihr. Ihren Geburtstag plant sie akribisch. Selten ist sie verärgert, aber stur und zornig, wenn etwas anders als geplant verläuft, aber ihr kindliches Gemüt hilft ihr, rasch wieder fröhlich zu werden.
Mit Stress wird sie schwer fertig, und ungeübte Situationen oder akute Änderungen überfordern sie. Sie braucht klare Grenzen und Vorgaben. Sie ist treu, liebt Musik und Tanz. Am Einschulungstag musizierten zwei Lehrer, Eva stand prompt auf, ging nach vorne und begann zu tanzen. Sie ist ein hervorragender Stimmungsbarometer und hat durch ihr offenes Wesen einen jahrelangen Familienzwist beendet.
Ich bin stolz auf „meine" Eva! Sie hat mir gezeigt, wie bunt das Leben ist. Viele Ängste, die ich hatte, als sie noch ein Kleinkind war, haben sich in Luft aufgelöst. Nicht umsonst werden Kinder mit Down-Syndrom als Sonnenscheinkinder bezeichnet. Eva ist mein Sonnenschein.
Ich wünsche allen Eltern, die ein Kind mit Down-Syndrom erwarten oder haben, viel Geduld. Es wird nie langweilig – Sie werden es nicht bereuen!
Aus der Zeitschrift der Lebensbewegung Südtirol Lebe 162/2023