Manchmal kommt es vor, dass Menschen, die sich in schwierigen, ja fast unmöglichen moralischen Situationen befinden, auf der Suche nach einer Lösung in ein Kloster gehen. Ich glaube, es gibt einen zutiefst katholischen Instinkt, der bis in die Zeit der Wüstenväter zurückreicht und der Seelen, die in einem inneren Sturm leben, dazu treibt, einen klösterlichen Zufluchtsort oder einen Mönch aufzusuchen, um ihm zu sagen: „Vater, gib mir ein Wort.“
Bild der Muttergottes auf der Tilma des seligen Juan Diego in Guadalupe |
Das Erste, was ich diesen Menschen sage, ist das, was unser Vater, der heilige Benedikt, am Ende von Kapitel IV der Heiligen Regel sagt: „Et de Dei Miseria numquam desperare“: „Und verzweifle niemals an der Barmherzigkeit Gottes.“ Ich lade diese Seelen ein, häufig Akte der Hoffnung zu setzen. Die Psalmen sind voll von diesen. Da fällt mir ein großartiger Offertoriums-Antiphon aus Psalm 30 ein:
In te spreavi, Domine: dixi: Tu es Deus meus, in manibus tuis tempora mea – Ich aber, Herr, ich vertraue dir, ich sage: Du bist mein Gott, in deine Hand lege ich mein Geschick (Ps 31,15f).
In manibus tuis tempora mea! Das bedeutet natürlich: „Jeder Moment meines Lebens, jede Situation, alle Umstände meiner Kämpfe, meine Wünsche, alle meine Schritte vorwärts und alle meine Rückschläge liegen in Deinen Händen.“ Nichts, was mir gehört, ist Dir unbekannt. Du weißt alles. Du siehst alles. Ich habe meine Hoffnung auf Dich gesetzt wie einen Anker im Meer. Oft in meinem Leben habe ich zu unserem lieben Herrn gesagt: „Tu es Deus meus, in manibus tuis tempora mea!“
Es gibt Menschen, die in manchen Momenten ihres Lebens nicht in der Lage sind, einen einzigen großen Schritt nach vorne zu machen. Ihnen sage ich: „Gestehe dir zu, den kleinst möglichen Schritt zu tun, indem du dich der göttlichen Gnade anvertraust.“ Das ist der kleinste Schritt, der von denen gemacht wird, die schwach sind, sich in Schwierigkeiten befinden und durch scheinbar unmögliche Umstände eingeschränkt sind. Und dieser Schritt erobert das Herz Gottes. Nach dem einen kleinen Schritt folgt ein weiterer, und dann noch einer und noch einer. Irgendwann kommt der Tag, an dem der Mensch im Rückblick erkennt, dass er durch die Treue zur Gnade in kleinen Dingen einen großen Weg zurückgelegt hat.
Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt? (Lk 9,23-25)
Es gibt keinen Christen, der nicht vor schmerzhaften und folgenschweren Entscheidungen gestanden ist. Manche Entscheidungen mögen zunächst entmutigend, sogar unmöglich erscheinen. Große, das Leben verändernde Entscheidungen beginnen jedoch mit einem ersten kleinen Schritt und mit ausgestreckten Händen zu demselben Jesus, der Petrus gerufen hat, auf dem Wasser auf Ihn zuzugehen. (…)
Im Gefolge der Fiducia Supplicans-Erklärung wird viel über schwierige pastorale Situationen geschrieben. Den Menschen muss geholfen werden, der Sünde zu entkommen, indem man einen kleinen Schritt nach dem anderen macht, immer im Vertrauen auf die Gnade unseres Herrn und dabei nie an Seiner Barmherzigkeit verzweifeln. Schwierige pastorale Situationen sind nichts Neues. Tatsächlich sind sie so alt wie die Mutter Kirche selbst. Es war noch nie einfach, unserem Herrn Jesus Christus zu folgen.
Für jene, die unterwegs fallen, gibt es das Sakrament der Buße. Und für jene, die einer objektiv sündigen Situation nicht sofort entkommen können und dennoch Christus nachfolgen möchten, wenn auch aus der Ferne (siehe Mt 26,58), gibt es eine andere Lösung. Diese andere Lösung hat sich immer wieder als Ausweg aus den schwierigsten pastoralen Situationen erwiesen und Dinge möglich gemacht, die fast jeder für unlösbar, wenn nicht ausweglos hielt. „Denn bei Gott ist nichts unmöglich“ (Lk 1,37). Diese andere Lösung habe ich vor fast 50 Jahren während einer Einkehr in Frankreich entdeckt: Sie hat mein Leben verändert. Ich nenne es „die marianische Lösung“.
Der Exerzitienprediger war ein älterer Priester, der für seine unerschütterliche Treue zur traditionellen Lehre der Kirche sowie für seine Weisheit, seine Frömmigkeit und seine langjährige Erfahrung in der Seelenführung bekannt war. Pater F. sprach über das schmerzliche Drama von Menschen, die Ehebruch oder andere Arten irregulärer Verbindungen führten oder in Laster verstrickt waren. Es waren Menschen, die trotz des aufrichtigen, ja oft schmerzlichen Wunsches, zu den Sakramenten zurückzukehren, es für unmöglich hielten, die Bande der sündigen Beziehung zu lösen oder bei der nächsten Versuchung zur Sünde Widerstand leisten zu können.
Ich erinnere mich noch an die Geschichte, die Pater F. erzählte: Sie handelte von einem katholischen Mann und einer katholischen Frau, die beide noch mit ihren jeweiligen Ehepartnern verheiratet waren und viele Jahre lang in einem objektiven Zustand der Sünde zusammengelebt hatten, während sie gleichzeitig auf der Suche nach einem Weg waren, zu den Sakramenten zurückzukehren. Pater F. sagte ihnen, dass sie die Sakramente nicht empfangen könnten, solange sie als Mann und Frau zusammenlebten.
Da Pater F. ihren Schmerz spürte und sie nicht ganz ohne Hoffnung weglassen wollte, schlug er eine andere Lösung vor. Er fragte die „Eheleute“, ob sie seinem Vorschlag folgen wollten. Die „Ehepartner“ waren von Natur aus aufrichtig und großzügig und versprachen, alles zu tun, was von ihnen verlangt würde.
Pater F. bat das Paar, an einem bestimmten Samstagmorgen in eine bestimmte Kirche zu kommen. Er würde sie dort am Altar der heiligen Jungfrau Maria treffen. Das Paar erschien zur festgesetzten Zeit; Pater F. sagte ihnen, dass er die Heilige Messe zu Ehren der Heiligen Jungfrau Maria zelebrieren würde und bat Maria, in diese schwierige Konstellation so einzugreifen, wie es ihr Unbeflecktes Herz für angemessen hielt. Das Paar beschränkte sich seinerseits auf den Besuch der Messe. Beide weinten während der Messe…
Am Ende der Messe bat Pater F. das Paar, ihm drei Dinge zu versprechen: 1) an jedem Sonntag und Feiertag treu an der Heiligen Messe teilzunehmen, natürlich ohne die Heilige Kommunion zu empfangen; 2) sich der heiligen Jungfrau Maria zu weihen und als Zeichen der Weihe die Wundertätige Medaille zu tragen; 3) Jeden Abend gemeinsam den Rosenkranz zu beten. Das Paar versprach, all das zu tun.
Innerhalb eines Jahres wurden alle Hindernisse, die ihrer Rückkehr zu den Sakramenten im Wege standen, auf eine Weise beseitigt, die für das Paar und alle, die sie kannten, wie ein Wunder wirkte. Sie konnten wieder neu von vorne beginnen. Die Heilige Jungfrau Maria, Mittlerin aller Gnaden, erwirkte für sie alle notwendigen Gnaden, um in Reue und in vollkommener Übereinstimmung mit den Lehren ihres Sohnes und den Gesetzen der Kirche voranzuschreiten.
(…) Bei all den Diskussionen über die Kontroverse, die durch die Erklärung Fiducia Supplicans ausgelöst wurde, fällt mir auf, wie wenig über die Gnade, die heilige Jungfrau Maria und das Gebet gesprochen wird. Für schwierige pastorale Situationen gibt es nur eine Lösung, und diese Lösung ist Gnade. Gnade wird durch Gebet erlangt, und das Gebet ist für jeden Menschen zugänglich. Es gibt Menschen, denen die Worte wegen ihres Schmerzes abhanden gekommen sind, aber ein Ave Maria murmeln können selbst sie. Mögen sie dies sehr oft tun. Maria, die Mittlerin aller Gnaden, wird die Gnade der Reue denen nicht verweigern, die unfähig sind, mehr zu tun, und einfach nur ihren Namen anrufen.
Der Text stammt aus der Feder eines der Redaktion bekannten Mönchs, der ungenannt bleiben wollte. Wir veröffentlichen ihn mit Genehmigung von La Nuova Bussola Quotidiana (Ausgabe v. 2.1.24).