Sylvester Krčméry |
Wir hatten uns im voraus auf eine mögliche Verhaftung vorbereitet. So hatten wir die Parole ausgegeben, dass jeder ein Evangelium auswendig lernen sollte. Mit diesem inneren Schatz ist es uns auch gelungen zu überleben. Wir haben die Texte später abgeschrieben – auf Klopapier etwa – und weitergegeben. Wir haben im Gefängnis sehr viel Apostolat gemacht. Dort haben wir viele Bekehrungen erlebt. Auch das war eine Frucht des Laienapostolats. Es war eine sehr fruchtbare Periode meines Lebens. Vielleicht sollte ich sogar sagen, dass die Zeit im Gefängnis die größte Gnade meines Lebens gewesen ist.
Die Christen hatten natürlich auch Angst. Aber man konnte sie nicht so isolieren. Wer gewohnt war zu beten, zu meditieren, anzubeten, konnte in der Zeit der Einzelhaft, wo die anderen durchgedreht haben, ein tiefes geistiges Leben führen. Wir nannten das die Erfahrung der „Schwerelosigkeit“. Schon im Gefängnis fand der Kern der Erneuerung statt. Viele Fernstehende und oberflächlich Gläubige konnten überzeugt und gewonnen werden. Es gab eine große Zahl von Konvertiten. Sie wurden unterrichtet. Es war eine sehr fruchtbare Zeit.
Texte des Neuen Testaments auswendig zu lernen, erwies sich als eine hervorragende Vorbereitung für schwierige Zeiten und Gefangenschaft. Die schönsten und wichtigsten Texte, die die Menschheit von Gott erhielt, bergen einen nicht in Geld aufzuwiegenden Schatz, „den Rost und Motte nicht zerstören und Diebe nicht stehlen können“.
Das Magnificat, Marias Loblied, „Meine Seele preist die Größe des Herrn“, das „wir“ oder ich voll Begeisterung nach der geistigen Kommunion sang(en) – manchmal laut, wenn man es mir erlaubte –, war für mich stets eine erstaunliche Kraftquelle während meiner Gefangenschaft. „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungrigen beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.“ Und: „Der Mächtige hat Großes an mir getan...“
Sie haben vielleicht die Macht, aber wir haben die Wahrheit. Jene, die Macht haben, meinen seit jeher, sie könnten die Wahrheit unterdrücken, vernichten oder kreuzigen. Doch die Wahrheit ist immer wieder vom Tod auferstanden. Manchmal sogar am dritten Tag.“ (Schlussworte seines Plädoyers bei seinem Strafprozess 1954)
Sylvester Krčméry †
Krcmery war ein Zeuge Christi, misshandelt in den Gefängnissen der kommunistischen CSSR (siehe Portrait Vision 3/90). Die Zitate sind Auszüge aus diversen Texten des 2013 verstorbenen slowakischen Arztes, einer zentralen Figur der Glaubenserneuerung in der slowakischen Kirche im Untergrund.