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Christen sollten Farbe bekennen

Artikel drucken Kardinal Cordes über Glaube und Kirche (Christian Dick)
 
   

Eine zentrale Ursache der heutigen Kirchenkrise und des Glaubensschwundes sei die von Papst Benedikt XVI. immer wieder betonte „Gott-Vergessenheit“. Das stellt Paul Josef Kardinal Cordes im aktuellen Gesprächsband „Mut zum Christsein“ fest. Ein ebenso großes Problem erkennt der Kardinal im Schwinden der Christus-Zentrierung, die früher den Kern des Glaubens ausmachte. Gleichzeitig warnt er die Kirche davor, Meinungsumfragen und dem Mainstream hinterherzulaufen. Dann würde sie sich letztlich nämlich dem Volkswillen unterwerfen und von ihrem Glaubensfundament lösen. Im vorliegenden Interview-Buch durchdringt Pfarrer Andrzej Kucinski in tiefgehender Weise die Wurzeln des persönlichen Glaubens des deutschen Kurienkardinals.
Auf dem Hintergrund der Erfahrungen, die er in seinem langen Glaubensleben gesammelt hat, zeigt der emeritierte Vizepräsident des Päpstlichen Rates für die Laien das auf, worauf aktuell der Fokus kirchlicher Pastoral liegen sollte in dieser Zeit, in der das Christsein nicht modern ist und in der sich das Schiff der katholischen Kirche in stürmischer See befindet. Unmiss­verständlich macht er deutlich, dass das Priesteramt nicht in Frage gestellt werden darf. In der Einleitung zu einem von ihm verfassten Buch über das Priestertum von dem Hintergrund der Theologie von Papst Benedikt XVI. schrieb Cordes „Denn Priester sind unersetzbar“. Er spricht sich in „Mut zum Christsein“ strikt dagegen aus, dass Gemeinden von Laien geleitet werden. Der Kardinal begründet dies mit dem Sakrament des Ordo, durch das der Priesteramtskandidat Christus gleichgestaltet und mit geistlicher Vollmacht ausgerüstet wird (S. 174).
Cordes hat die Hoffnung bis dato nicht aufgegeben, dass die Christus-Bezogenheit wieder in den Mittelpunkt des Glaubens kommt und dass Christus als wesentliche Hoffnungsquelle wieder eine zentrale Bedeutung einnehmen kann, damit alles christliche Handeln wieder Gott als Hauptantriebsmotor zurückgewinnt.
In seinen Aussagen zu einer Gesellschaft, in der der Glaube heute nur noch eine Option unter vielen zu sein scheint, stützt sich Cordes auf die umfangreichen Ausführungen des kanadischen Philosophen Charles Taylor. Für diesen sei Religion unverzichtbar bei der Selbstdeutung des Menschen, man könne sie keineswegs als „Nonsens“ vom Tisch wischen.
Dazu der Kardinal: „Mehr noch: Er kommt nach rein empirischer Untersuchung zu dem Schluss, dass der Verlust von Religion uns Menschen ein missliches Defizit einbrächte.“ Und weiter: „Der Impuls, den Religion uns gibt, übersteigt – nach dem Wissenschaftler – nun einmal das rationale Abwägen. Sie ist ja gekennzeichnet durch Gefühle, durch Handlungen und Erfahrungen, durch die jemand in Beziehung zum Göttlichen zu stehen glaubt. So bleibt sie unausweichlich der Zweideutigkeit des Nicht-Empirischen verhaftet. Sorgfältig wahrgenommen und klug bedacht, stellt sie Menschen deshalb notwendig – wie unser Autor es ausdrückt – ,auf die Schwelle’. Die Christen seien in einem Dilemma zwischen „Religions-Verbundenheit“ und „Skepsis“, legt Cordes dar. Auf dieser Schwelle aber seien sie wieder bereit, „im Zeugnis anderer einen Weg zu sehen“. Cordes schließt sich Charles Taylor an, der zu dem Ergebnis kommt, dass auch die säkularisierten Menschen sich „immer noch im Kraftfeld der Religion“ befänden. Die Zahl der Suchenden nehme zu, lautet die Schlussfolgerung des Kardinals. Das sei die Chance für eine „Religion aus zweiter Hand“. Durch „Beziehungsgemeinschaften“ wie etwa Gemeinden, Bibelgruppen und nicht zuletzt die Weltjugendtage könnten diese Suchenden zur Religion zurückgeführt werden.
Besonders interessant ist das Kapitel „Gott: Herzstück christlicher Botschaft“ (S. 69 ff.). Cordes schildert einerseits die Sendung „Stunde der Seelsorge“ im Fernsehsender K-TV, in der Pater Karl Wallner und Pfarrer Thomas Maria Rimmel auf die Trinität, die Vaterschaft Gottes, die Ewigkeit und Allwissenheit eingegangen sind. Und er stellt sie dem Synodalen Weg der Diözesen in Deutschland, der am 23.3.23 im bisherigen Format zu Ende gegangen ist, gegenüber. Diesen schien Gott als eigenes Thema in keinem seiner vier Foren zu interessieren.  
Das Buch „Mut zum Christsein“ zeigt deutlich, dass Kardinal Cordes, obwohl er ein Intellektueller ist, immer bodenständig geblieben ist. Sehr gut sind seine bildhaften Beschreibungen, die für den Laien gut nachvollziehbar sind. Sie machen das Buch lesenswert.

Mut zum Christsein – Ein Gespräch über Glaube und Kirche. Von Paul J. Kardinal Cordes und Pfr. Andrzej Kucinski. fe-medienverlag, 232 Seiten, 13,20 €.

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