VISION 20003/2024
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Eine „vatervolle“ Gesellschaft

Artikel drucken Die Zukunft der Familie hängt entscheidend von der Haltung der Männer ab (Robert Schmalzbauer)

Familien stehen heute oft unter massivem Druck. Besondere Sorge bereitet, die vielfach beobachtete Vaterlosigkeit: nach Scheidung, durch uneheliche Geburt, durch Aufgehen der Väter im Beruf… Die Stärkung der Väter ist ein Schlüssel zur Sanierung der Familien.

   
Väter müssen lernen, die Prioritäten richtig zu
setzen und sich Zeit für die Familie zu nehmen
 

Vor kurzem hat ein Freund angerufen, er ist Familienvater und hat den Tisch voller Kinder: „Wie schaffe ich es mit aufreibendem Beruf den richtigen Weg als Ehemann und Vater zu gehen, ausreichend Zeit zu haben?“
Er erzählt: „Eigentlich wollten wir heute einen Rosenkranz beten, und letztlich haben wir nur ein Gesätzchen schnell im Auto geschafft. Daheim angekommen, greift die Abendroutine um sich, jeder Handgriff sitzt, meine Frau und ich sind ein gut eingespieltes Team, um die Kinder abzufüttern und Richtung Bett zu manövrieren.
Zwischen all den Fragen meiner Kinder, taucht regelmäßig eine Frage in meinem Kopf auf: ‚Nehme ich sie ausreichend wahr? Bin ich in der Lage, mit meiner Aufmerksamkeit und meinem Herzen wirklich im Hier und Jetzt zu sein?‘ Eigentlich nein, da ist einerseits gefühlte Leere des Herzens, andererseits eine Überfülle an Betrieb in meinem Kopf.
Am Abend im Bett rotieren die Gedanken weiter, rollen mich in den Schlaf. Ich hatte mir vorgenommen eine Gewissenserforschung zu machen: wofür danke ich an diesem Tag, was war nicht gut, was will ich morgen besser machen. Als in der Nacht ein Kind im Kinderzimmer aufweint und ich den Schnuller nach kurzem Durchwühlen des Bettes gefunden und dankbar wieder im Mund der Kleinen platziert habe, bemerke ich, dass ich schon vor dem zweiten Punkt „was war nicht gut“ eingeschlafen war. Das könnte ich nun nachholen. Nach solchen nächtlichen Schlafunterbrechungen fällt es mir in letzter Zeit gar nicht so leicht wieder einzuschlafen. Die vielen Sorgen in meinem Kopf. Selbstzweifel, das latente Gefühl, es nicht zu schaffen, der berufliche Druck, auch ungelöste Probleme bei meinen Eltern quälen mich und rauben den Schlaf.
Der Wecker läutet viel zu früh und die ganze Welt bricht über mich herein. Der Kopf brummt – aber die Kinder schlafen noch, meine Frau neben mir atmet ganz ruhig. Gott sei Dank auch das Baby, das seit dem letzten Stillen – das kann nicht allzu lange her sein – bei der Mama eingeschlafen war. Ich schleiche mich auf Zehenspitzen wie einst Winnetou aus dem Zimmer und achte, dass kein noch so kleines Knacksen den labilen Frieden stört. Im Wohnzimmer angekommen, spüre ich statt des gesunden Appetits den Druck im Magen. Auch meine Verdauung leidet.
Heute wird ein schwerer Tag, es gibt heikle Gespräche, eine Präsentation, von der viel abhängt und ein Artikel ist zu verfassen. Schaffe ich das? Das treibt mich in die Arme von Jesus. Herr hilf, schreit es ganz tief drinnen. Leider ist es zu spät, sodass eine dringend notwendige Gebetszeit nicht mehr möglich ist. Also schnell in die Küche, Kaffee aufstellen für meine Frau, Butter und Marmelade aus dem Kühlschrank.
Mir genügt ein schneller Bissen Brot, ein Schluck Milch und eine Vitamin-C-Tablette. Der Geschirrspüler ist noch schnell auszuräumen, ich weiß, wie viel das meiner Frau bedeutet.

 
Robert Schmalzbauer  

Während ich die letzten Häferl wegräume, steht unsere jüngste Tochter in der Küche, die Haare zerzaust und hungrig. Also noch schnell ein Fläschchen mit Kakao richten. Während sie trinkt, bin ich im Bad, duschen, rasieren, anziehen – all das schaffe ich mittlerweile in 4 Minuten. Keine Zeit für Eitelkeit. Ich packe meine Sachen zusammen,  und da höre ich schon das Baby aus dem Schlafzimmer.
Also noch schnell rein, ein Abschiedskuss, ein Kreuz auf die Stirn, und ich überlasse meiner Frau eine kleine Wohnung mit vier Kindern und einem Baby, das bald sitzen kann. Heute muss ich früher weg als sonst, so muss es meine Frau alleine schaffen.
Auf dem Weg zur Arbeit ordne ich meine Gedanken. Immer wieder rufe ich den Heiligen Geist an, dass er mir hilft. Beim Warten auf die U-Bahn schaffe ich einen Blick auf das Tagesevangelium. Ein Wort trifft mich besonders: ‚Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt, ich will euch Ruhe verschaffen …!‘ (Mt 11, 28) Hat Jesus da auch uns junge Familien gemeint?“
Wie kann ich als gläubiger Mann also meine Vaterschaft gut leben? Zur Klärung dieser Frage möchte ich zuerst drei Grundprobleme herausgreifen.
Zunächst die Isolation. Eine Untersuchung hat gezeigt, dass wir Männer durchschnittlich 11 Stunden vor dem Bildschirm, sei es Computer, Handy oder Fernseher, verbringen. Das führt zu Beziehungsverlust: Ich bin nicht da.
Das Geschehen Bildschirm simuliert Beziehung, Kommunikation, Wichtigkeit, Anerkennung, Bedeutsamkeit, Auseinandersetzung. Aber ein Teil der Welt bleibt an der Bildschirmmattscheibe stehen, schafft es nicht, die Verbindung bis zu meinem Herzen herzustellen. Und ein anderer Teil dringt durch und lässt meinen Körper heftig reagieren.
Deswegen habe ich den Eindruck, es wäre echt. Doch im Gegenteil, reale Beziehungen werden flacher, mühsamer, weniger reizvoll, zu langsam. Sie sind anstrengender, weil sie viel mehr von mir verlangen, sie kosten Kraft, Zeit, Mühe, brauchen Vergebung. Ich muss mich riskieren, muss mich „zusammenreißen“. Das Zuviel in der virtuellen Welt stört gute Beziehungen und Kommunikation.
Dann die Zeit: Hektik. Der Chef verlangt immer mehr von mir. Die Zeit daheim wird knapp. Und doch sie ist Ausdruck von Liebe, Zuwendung, Gegenwart. Es geht um das Sein – nicht das Machen. „Ich mache Qualitätszeit“ ist Produktivitätsdenken. Das ersetzt jedoch nicht die Zeit des Da-Seins, Präsenz kann nicht durch Effizienz ersetzt werden.
Meine Ehe, meine Kinder brauchen Zeit, die echte Zeit. Und auch ich brauche Zeit für mein Leben. In den Notizen vom seligen Carlo Acutis lesen wir:  Jedes Jahr eine Hauptsünde weniger und stattdessen eine Tugend mehr. Es braucht nicht viele Jahre, bis wir heilig sind. Diese Aussage vermittelt einen anderen Zugang zur Zeit.
Und schließlich die Prioritätensetzung: Was ist wichtig? Wir bekommen heute einen falschen Eindruck vermittelt, von dem, was wirklich zählt. Wir leiden unter Realitätsverlust, sind fremdgesteuert. Mein „ich muss“ und mein „ich will“ kommen nicht aus meinem Inneren.
Eine schockierende Wahrnehmung: Immer mehr junge Eltern sind mit einem Kind völlig überfordert und können sich nicht vorstellen ein weiteres Kind zu bekommen. Das Ideal von Elternschaft und der notwendigen Hege und Pflege wird durch das permanente Informieren auf Socialmediaplattformen hochstilisiert und verzerrt. Es entsteht ein Zwang im Kopf, der das eine einzige Kind „vergöttert“. Aus dem Kind wird ein „Kuckuck“ – ein Vogel, der viel zu groß wird fürs Nest und somit anderen Kindern, „die Gott schenken will“, keinen Raum mehr lässt. Von welchen Idealen lassen wir uns prägen?
„Woher kommt mir Hilfe?“ (Ps 121, 1) In unseren Veranstaltungen wie dem Jungfamilientreffen (heuer erstmals in Kremsmünster vom 16. bis 20. Juli – siehe Infobox und Briefbeilage), den Familiennachmittagen oder anderen Angeboten der „Initiative Christliche Familie“ folgen wir einer marianischen Logik, die wir den Familien vermitteln wollen. Diese ist ganz einfach: Was sagt uns Maria? Betet! Mit dem Herzen. Das verlangt Zeit und Regelmäßigkeit, volle Zuwendung und vor allem einen freien Kopf, der sich nicht ständig um die Dinge dieser Welt kümmern muss. „Es gibt deshalb kein einziges, noch so schwerwiegendes Problem, das wir nicht durch das Rosenkranzgebet lösen könnten,” sagt uns Sr. Lucia dos Santos.
Vaterschaft erlernt man, wenn man am Herzen des Vaters zu ruht und auf Ihn hört. „Kommt alle zu mir …“ (Mt 11, 28) Die verheißene Ruhe kehrt ein, wenn wir zu Jesus kommen. Der Jesuitenpater und Widerstandskämpfer Alfred Delp schreibt: „Von innen her wird diese Ruhe uns zuwachsen und uns aus der Hetze und Jagd herausheben, auch wenn wir alle ihre Bindungen einhalten und alle ihre Pflichten weiter tun müssen. Das ist ja die Eigenart des Geistes, sich mitten in die Kreatur einzufügen, ihr Leben mitzuleben und genau da, wo ihre stärkste Not auf ihr lastet, als der helfende und heilende Gott am kräftigsten sichtbar und spürbar zu werden.“
Eucharistie! Eine Kraft, stärker als die Sonne, als alle Naturgewalten. Jesus wahrhaft gegenwärtig. Mehr Nähe geht nicht. Jeden Sonntag und noch besser täglich. Beichten! Regelmäßig, zumindest monatlich, gut vorbereitet. Möglichst beim gleichen Priester. Kurz, knapp, ehrlich und klar. Wie die Menschen aus unseren südlichen Nachbarländern, die machen nicht so viele Worte. Das Wort Gottes! Jeden Tag darf mich die Bibel prägen und durchdringen. Es ist stärker als alle anderen Botschaften. Es ist lebendige Nahrung, die mein Leben erfüllt. Fasten! Als Mittel zum guten Kampf. Als Reinigung. Als Bereitschaft, leer zu werden, damit Gott füllen kann. Als Absage, alles aus dieser Welt zu erwarten. Als ein Anker in den Himmel.
Wer diese Mittel unter kluger Anleitung eines geistlichen Begleiters erlernt und einsetzt, wird all die auftauchenden Fragen klären, dem Druck, den die Welt durch ihre unzähligen Arme auf uns ausüben will, Widerstand leisten und mit dem Gebot der Liebe antworten können. Der wird die Pray-Work-Life Challenge ausbalancieren können. Der wird erleben wie die Familie zusammenhält, wie die eheliche Liebe durch alle Hügel und Täler voranschreitet, wie man ein gu­ter Vater und Ehemann wird.


„Leben in Fülle“ Motto des Jungfamilientreffens 2024
Zeit: 16.-20. Juli
Ort: Stift 1, 4550 Kremsmünster
Info, Anmeldung und Spendeninfos:
www.jungfamilien.at,
Tel.: 0664-42 12 875
Mit dabei: Abt Ambros Ebhart, P. Bernhard Eckerstorfer, Sr. M. Ancilla Holzer, Dr. Maria Wolter, P. Andreas Hasenburger, Don Rupert Santner, Maya&Willi, Puppe Emma, viele Familien, Kinder, Jugendliche






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