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Für ein Leben im Gegenwind rüsten

Artikel drucken Gedanken zur Erziehung von Kindern in unseren Tagen

Die Erziehung ihrer Kinder stellt christliche Eltern heute vor besondere Herausforderungen. Im folgenden Interview geht der französische Philosoph Pierre Durrande besonders auf einige wichtige Aspekte ein: Den Kindern die Tugend der Stärke zu vermitteln, ihnen Hilfsbereitschaft beizubringen und sie zur Stille hinzuführen.

Gibt es Punkte, auf die Eltern heute besonders achten sollten?

 
Pierre Durrande  

Pierre Durrande: Ja, das allgemeine Klima unserer Gesellschaft hat sich verändert. Wir sind nicht nur durch zur Schau gestellte kriminelle Gewalt bedroht, sondern auch durch eine andere, verhaltenere und zunehmend auch durch eine Gewalt, die von unserem Lebensstil ausgeht. Sie bringt uns weit weg von einem authentischen persönlichen und christlichen Leben. Um Abhilfe zu schaffen, können wir Kindern dabei helfen, zu entdecken, dass es menschliche Wesen gibt, deren Aktivitäten im Leben auf ein Minimum reduziert sind, die aber nicht weniger menschlich sind. Das kann jeder bestätigen, der mit Personen mit geistiger Behinderung in Kontakt kommt.
Wir müssen Kindern auch dabei helfen, gegen geistige Überforderung anzukämpfen. Junge Menschen werden über Bildschirme mit Informationen übersättigt, was Stille, die Basis ihres Innenlebens, zerstört. Wie können wir ihnen beibringen, mit Überbeschäftigung und Lärm umzugehen? Vier Beziehungen strukturieren das menschliche Leben: die Beziehung zu Gott, zu sich selbst, zu anderen und zur Natur. Letzteres lässt eine Bindung zum Leben entstehen, während wir meist im künstlichen Umfeld leben. Eltern können ihre Kinder ans Meer, in die Berge oder aufs Land mitnehmen und sie zum Pfadfindern, Wandern und Pilgern anregen. Der Rhythmus des Gehens ermöglicht es, Atem zu schöpfen und einen Horizont zu finden, der sie von den Bildschirmen wegbringt.

Woran mangelt es heute in der Erziehung?
Durrande: Eine der besten Schulen des Lebens besteht darin, sich um andere zu kümmern. Die Fürsorge für den Nächsten kann früh erlernt werden und verhindert, dass das Kind zu sehr um sich selbst kreist. Wir können es einladen, sich an Hilfsaktionen zu beteiligen, aber auch das Umfeld einfach mit anderen Augen zu betrachten. „Dein Freund aus deiner Klasse, der gebrechlicher ist, was machst du für ihn?“

Welche Tugend kann Kindern wirklich helfen?
Durrande: Zwar geht es darum, die vier Kardinaltugenden Klugheit, Tapferkeit, Mäßigung und Gerechtigkeit zu pflegen, dennoch ermöglicht uns besondes die zweite, mit den Problemen des Lebens zurecht zu kommen. Stark zu sein bedeutet nicht, machohaft, herrschsüchtig oder besitzergreifend zu sein. Ich spreche hier von der evangelischen Orientierung des Herzens und des Willens. Die Tugend der Stärke wird es dem künftigen Erwachsenen ermöglichen, sich in den Prüfungen, die unweigerlich auf ihn zukommen, zu bewähren, statt vor ihnen zu fliehen. Wir müssen innerlich gewappnet sein, um das Gute wirklich zu wollen, selbst wenn das Böse uns entgegentritt. Christenleben brechen zusammen, wenn sie nicht ausreichend von innen her gestärkt werden, wenn das Rückgrat fehlt, das Christus uns lehrt. Menschen mit Ausstrahlung sind jene, von denen echte innere Stärke ausgeht.

Wie können Eltern vorgehen, um es bei ihren Kindern zu entwickeln?
Durrande: Heutzutage neigen wir dazu, jede Form von Frustration für Kinder zu vermeiden. Es kann nicht mehr warten, und die Eltern leben im Rhythmus seiner Ungeduld. Im Gegenteil, ich denke, wir müssen es von seinen Launen wegbringen und es lehren, dass das Leben nicht „alles und das sofort“ bedeutet. An folgendem Beispiel wird das deutlich. Ein Geschenk ist nichts Geschuldetes, sondern eine Gabe. Die übermäßige Verwöhnung des Kindes, beispielsweise zu Weihnachten, fördert die Trägheit. Auch an seinem Geburtstag darf es den Sinn für das ungeschuldete Geschenk nicht verlieren. Zu lernen, auf etwas zu verzichten und anderen den Vorrang einzuräumen, ist eine großartige Lektion der Selbstlosigkeit, die sowohl Eltern als auch Kinder betrifft. Es ist eine hervorragende Möglichkeit, Prioritäten festzulegen und das, was an erster Stelle stehen muss, auch an die erste Stelle zu setzen: einen Besuch bei den Großeltern statt Zeit für Videospiele.
Eltern müssen auch in der Lage sein, für ihre Kinder auf etwas zu verzichten, insbesondere indem sie ihre persönlichen oder beruflichen Aktivitäten zurückstellen, um sich der Familie zu widmen. Wann bin ich in dieser geschäftigen Welt für andere da? Wann genau werde ich mit meinen Kindern spielen?

Findet man im Evangelium diesbezüglich Hinweise?
Durrande: Ja, klar. Als Vorbild ist Christus ein Meister der Pädagogik in der Art und Weise, wie Er Beziehungen zu allen Menschen pflegt, mit denen Er in Kontakt kommt. Er entwickelt mehrere Ebenen des Austausches und gibt jedem Menschen „Nahrung“ im Maß seiner Fähigkeit, diese aufzunehmen. Er spricht zu jedem in Gleichnissen, etwa mit den Lebenslektionen vom Sämann oder vom barmherzigen Samariter, die jeder versteht. Er unterrichtet die Jünger auch einzeln und bei manchen auch von Herz zu Herz, weil sie zum Beispiel im Geheimnis der Eucharistie und des Reiches Gottes weiter fortgeschritten sind. Mit der Samariterin hätte Jesus nicht das gleiche Gespräch geführt wie mit Nikodemus. Er ist immer freundlich, lehrt uns zuzuhören und aufmerksam zu sein. Er beschützt uns vor den Hindernissen und den Fallen des Dämons und zeigt uns dies auf in der Episode der drei Versuchungen, denen er in der Wüste ausgesetzt ist: der Versuchung der Macht, der falschen Prioritäten und der Reichtümer der Welt.

Wie können Eltern und Erzieher den Glauben weitergeben?
Durrande: Wenn es den Eltern gelingt, sich etwas von dieser Autorität Christi anzueignen, indem sie sich regelmäßig vom Wort Gottes und der Eucharistie ernähren, wird das Kind ihnen folgen wollen. Es wird zunächst in der Kindheit das Leben seiner Eltern durch Nachahmung spiegeln wollen und dann in der Jugend versuchen, es nun selbst zu verstehen. Es wird sich fragen: „Lohnt es sich, weiterhin in die Richtung zu marschieren, die sie mir aufgezeigt haben?“ Vor allem dann, wenn die Welt ihm sagt: „Du wirst doch kein Christ werden, befreie dich.“ Wenn die Verankerung des Beispiels tief genug ist, wird es selbst auch Christus nachfolgen wollen, zu dessen Begegnung ihm seine Eltern verholfen haben. Es wird sich nun seinerseits diese evangelische Stärke und Feinfühligkeit aneignen, die die Welt so dringend braucht.

Das Gespräch führte Olivia de Fournas für Famille Chrétienne v.18.-24.11.23
Pierre Durrande hat Erziehungs-Philosophie unterrichtet und mehrere einschlägige Bücher veröffentlicht, zuletzt Pour une sagesse chrétienne de l’éducation, Presses universitaires de l’IPC, 242 Seiten, 12€.



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