Sexualerziehung: ein heftig umstrittenes Thema. Es ist schwierig, ausgewogen dazu Stellung zu beziehen. Wir haben daher relevante Information für sie zusammengetragen und uns bemüht, eine Linie zu finden, die einerseits klar die heute gängige Anleitung zur Sexualisierung ablehnt, sich aber andererseits nicht auf Verurteilung beschränkt, sondern Alternativen aufzeigt. Wir hoffen, daß es uns gelungen ist.
Der “Medienkoffer zur Sexualerziehung” ist als Lehrbehelf für die Sexualerziehung in den Schulen gedacht. Als Unterrichtsprinzip soll diese Erziehung in allen Fächern erfolgen. Schwerpunktmäßig werden 13- bis 15-Jährige unterrichtet werden. Sein Inhalt ist seit langem umstritten. Aufgrund massiver Intervention von Eltemvertretern wurden auch einige der ärgsten Passagen aus dem ursprünglichen Paket genommen.
Der Medienkoffer, eine Sammlung von “Unterrichtsbehelfen”, ist in 16 Kapiteln gegliedert. Ich habe hier nicht den nötigen Raum, Einzelheiten daraus zu zitieren. Es wäre auch nicht sinnvoll. Einige Hinweise genügen nämlich, den Geist, der hinter dem Unterrichtsbehelf steht, zu erkennen:
So ist etwa im dritten Kapitel (mit dem Titel “Ein Kind entsteht”) für 13- bis 15-Jährige folgender Text vorgesehen, bei dem vom “Wunsch nach sexueller Berührung und Geschlechtsverkehr” die Rede ist: “Manche schrecken zunächst davor zurück. Erst allmählich wünschen sie eine Wiederholung und Steigerung. Andere dagegen sehnen sofort eine Vertiefung dieser körperlichen und seelischen Erfahrung herbei.”
Einzelheiten der Geschlechtsvereinigung werden dargestellt und folgender “Handlungsvorschlag” gemacht: “Stellt Eure Meinung in einer Diskussion dar, wenn Euch der Zeitpunkt für das “erste Mal” gegeben erscheint. Beachtet in der Diskussion, daß jede persönliche Meinung respektiert werden soll und daß es diesbezüglich einen breiten Bereich verschiedener Wert- und Moralvorstellungen gibt....” Damit wird zwar nicht ausdrücklich zu sexuellem Tun animiert, wohl aber unterschwellig zu verstehen gegeben, daß dies für 13- bis 15-Jährige durchaus eine akzeptable Form des Umgangs miteinander ist. Das ist die klare Schlußfolgerung aus der Aufforderung, sich jeder Wertung zu enthalten. Wenn jede Meinung zu diesem Thema zu respektieren ist, muß sie offensichtlich auch gleich wertvoll sein. Das wirkt zwar großzügig und tolerant, erhebt aber im Grunde genommen die “Wertelosigkeit” zur Ideologie, die nicht hinterfragt werden darf.
Das fünfte Kapitel zum Thema “Zärtlichkeit” enthält folgenden entlarvenden Text: “Zärtlichkeiten sind eine Möglichkeit bzw. ein Mittel sexueller Erregung und können damit Durchgangsstufe und Teil einer sexuellen Begegnung, die auch gleichgeschlechtlich sein kann, sein...” Damit wird ohne großen Aufhebens eine Perversion zur legitimen Alternative der Lusterzeugung erklärt. In diesem Kapitel wird auch ein Spiel für 12-Jährige (“Zärtlichkeit geben”) vorgeschlagen, bei dem die Kinder einem aus ihrem Kreis “handgreiflich” ihre positiven Empfindungen ausdrücken sollen, um nachher darüber zu berichten, was sie “in der Mitte” dabei empfunden hätten - streng “freiwillig”, versteht sich! Damit wird der sexuelle Ausdruck aus der Intimität der Zweierbeziehung in die Öffentlichkeit verlegt (wozu ja der Sexualunterricht ganz allgemein beiträgt).
Geordnete Sexualbeziehungen werden auch im 12. Kapitel relativiert: Dort weisen die Autoren daraufhin, es dürfe nicht zu einer “allzu einseitigen Überbetonung des “Miteinanderschlafens” und der Heterosexualität”” kommen. Es gehe darum, das Bewußtsein der Schüler auch für die Gleichwertigkeit anderer, “nichtgenitaler Verhaltensweisen zu öffnen sowie keine Diskriminierung homosexuellen Verhaltens entstehen zu lassen.” Damit wird eindeutig die Lusterzeugung zum obersten Prinzip sexuellen Tuns erhoben.
Im selben Kapitel wird Kindern ab dem 12. Jahr der Umgang mit empfängnisverhütenden Mitteln nahegebracht. Sie seien in die Hand zu nehmen, man könne an ihnen riechen. Empfohlen wird ein Streitgespräch verschiedener Verhütungsmittel miteinander (Rollenspiel nennt man das. Es dient dazu Hemmschwellen herabzusetzen...).
Schließlich wird im 16. Kapitel über Fragen der Sexualethik reflektiert: “Frei jeder Tendenz einer bloßen Gesetzesmoral, frei jeder Form repressiver Sexualerziehung und frei jeder ideologischen Engführung hat heutige Sexualethik den Menschen zu helfen.” Suspekt gemacht wird also alles, was ordnet und Richtung weist: Gesetz, Erziehung, Weltanschauung. Und positiv klingt immer wieder das Wort “frei” durch.
Und in einer Kurzdarstellung über “Sexualität in der Bibel” ist folgendes zu finden: “Statt der Vielzahl von Geboten und Verboten rückt nun das Liebesgebot als die neue Norm in das Zentrum. Die Gesinnung ist das Entscheidende. Damit verbunden ist eine Ablehnung des Gesetzesdenkens und die Absolutsetzung des Liebesgebotes: Was Du tust, das tu aus Liebe, tu es angstfrei, in Rücksicht auf den anderen! Von daher ist es kaum möglich, sich auf das Neue Testament zu beziehen, wenn man für eine Gesetzesmoral plädieren möchte.” Eine beachtliche Meisterleistung: Die Aussagen sind nicht falsch, erwecken aber dennoch falsche Assoziationen, wenn man sich nicht näher mit ihnen beschäftigt. Selbstverständlich steht das Liebesgebot im Zentrum der Lehre Jesu. “Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebet einander, wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben” (Joh 13,34). Aber man darf sich durch die Verwendung des Wortes Liebe im Medienkoffer nicht irreleiten lassen. Dort wird es nämlich mit einem ganz anderen Inhalt verwendet als in den Evangelien. Daher gilt es, den Sinn der verwendeten Begriffe zu klären (siehe S.8). Im Neuen Testament ist die Hingabe des eigenen Lebens Kennzeichen der Liebe und das unbedingte Ja zum Partner - nicht aber gegenseitiges Vermitteln von Lust.
Wer sich wirklich um ein liebevolles Leben bemüht, erfüllt übrigens auch das, was die Gesetze Gottes fordern (ohne sich ängstlich und selbstgerecht an deren Erfüllung zu klammern). Sie beschreiben ja letztlich nur, was selbstverständliches Ergebnis eines Lebens in der Liebe Gottes sein sollte. Jesus hat nie daran gedacht, daß Gesetz aufzuheben. Sein Anliegen war, das “Gesetz zu erfüllen”.
Die Liebe gegen das Gesetz auszuspielen, ist offensichtlich nicht das Anliegen Christi. Er wendet sich nur gegen lieblose, mißbräuchliche und vordergründige Anwendung des Gesetzes.
Aus all dem wird deutlich, daß der Medienkoffer aus einer bestimmten Grundhaltung entstanden ist:
Moralische Wertungen in Fragen des Sexualverhaltens werden bei näherer Betrachtung abgelehnt - auch wenn immer wieder von Ethik die Rede ist. Die einzige Richtschnur, die akzeptiert wird, kann so umschrieben werden: Tut, was ihr wollt, was euch Spaß macht, solange die Beteiligten damit einverstanden sind - und verhütet Nachkommenschaft!
Diese Grundtendenz läßt sich auch durch “Herausoperieren” der schlimmsten Teile des Lehrbehelfs nicht verändern. Wir werden also mit dem Medienkofferleben müssen - übrigens ebenso wie mit der anzüglichen Werbung, den pornographischen Filmen und den schrecklichen Videos. Umso größer ist die Herausforderung für alle, die diesen Zugang ablehnen, dazu beizutragen, daß Sexualerziehung auch unter den heute erschwerten Bedingungen gelingt.