"Sex ist eine intime Angelegenheit."
Das ist wohl in Sachen Sexualerziehung die erste feststehende Wahrheit. Zwei Menschen, die sich lieben, suchen für ihre intime Begegnung vollkommene Abgeschiedenheit. Das Eindringen Dritter in das Sexualleben zweier Liebender erregt normalerweise intensive Schamgefühle und Eifersucht.
Der Sexualunterricht in den heutigen öffentlichen Schulen sieht von dieser Grundgegebenheit menschlicher Sexualität ab.
Das zweite psychoanalytische Faktum ist, daß der Sexualtrieb beim Menschen zwei Dimensionen hat: die der Zuneigung und die der körperlichen Begegnung. Wird das Bedürfnis nach Gefühlsbeziehung geschwächt und bleibt nur die körperliche Begegnung, dann wird Sex sinnlos und das Leben schal. Die heutigen Programme zum Sexualunterricht stimmen nicht überein mit diesem natürlichen Vorgang der sexuellen Reifung, die in drei Phasen (siehe "Vision 2000" 2/88) erfolgt. Dadurch machen es diese Lehrbehelfe dem Schüler, der solchermaßen aufgeklärt wird, fast unmöglich, zu einer reifen Sexualität heranzuwachsen.
Die erste Phase frühkindlicher Sexualentwicklung ist geprägt von oralen, aggressiven und exhibitionistisch-voyeuristischen Impulsen. Sexualprogramme für Drei- bis Fünfjährige können einen Stillstand in der Sexualentwicklung und eine lebenslange Fixierung auf exhibitionistisch-voyeuristische Sinnlichkeit bewirken. Schauen und Herzeigen wird zum primären sexuellen Anliegen, wodurch eine spätere sexuelle Reifung erschwert wird.
In der Latenzperiode beruhigen sich die sexuellen Energien. Sie verschwinden nicht, werden aber für andere Zwecke im Alter zwischen 6 und 12 Jahren umdirigiert. Deshalb ist ein Kind in diesem Alter besonders leicht erziehbar. In dieser Periode ist es wichtig, daß der Mensch Mitgefühl entwickelt. Sie ist eines der Merkmale, die den Menschen wahrhaftig vom Tier unterscheiden.
Die dritte Phase beginnt in der Pubertät. Bei den 13jährigen Knaben sind die wiedererwachten Sexualenergien offenkundig und auf die Geschlechtsteile ausgerichtet. Die wiedererwachten erotischen Gefühle pubertärer Mädchen hingegen folgen einem ganz anderen Verlauf. Obwohl ihre Sinnlichkeit ebenso intensiv wie die von Knaben ist, richten sich die Wünsche der Mädchen nicht auf Geschlechtsverkehr. Sie sind vielmehr auf sexuelle Phantasien, Träume, Zärtlichkeiten und Küsse, den Wunsch zu lieben und geliebt zu werden, auf zärtliche Worte und manchmal auf Gedanken an ein Kind ausgerichtet.
Die weibliche Zurückhaltung bezüglich der sexuellen Vereinigung in der Zeit des Heranwachsens begünstigt, daß die geistige und Gefühlsdimension der Sexualität gestärkt werden. Dadurch lernen Jugendliche Menschen des anderen Geschlechts als Person wertzuschätzen. Burschen bringen keuschen Mädchen besondere Wertschätzung entgegen. Diese geht ihnen jedoch für solche, die leicht zu haben sind, meist ab.